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Freitag, 24. Dezember 1965 Kitzbiiiheler Anzcbzer - Ein Jubiläum in Fieberbrunn Ein seltener Fall von Anhänglichkeit und Treue zu einem Ort der Erholung wird uns aus Fieberbrwin bekannt. Frau Dr. Bettina von W is s m a n n geb. Freiin von R i na 1 di ui kam 1905 zum erstenmal von Wien aus mit ihren Eltern nach Fie- berbrunn und fand seither, oft mehrmals innerhalb eines Jahres, sieh immer wieder ein, stets im Haus der Tischlerei Licht- mannegger-Kafka. In dieser Spanne von nun 60 Jahren entwickelte sich eine enge Freundschaft mit der Familie Lfchtmann- egger-Kafka, hei der nun die vierte Gene- ratio n heranwächst, und eine Verbundenheit mit vielen anderen bürgerlichen und bäuerlichen Familien. In diese Verbunden- heit ist bald drei Jahrzehnte lang Prof. Dr. Hermann von Wissmann von der Uni- versität Tübingen, ein internatinai hoch angesehener Geograph auf dem Gebiet der Erforschung von Arabien und China, mit einbezogen, auch die langjährige Tübinger Haustochter des Ehepaars Wissniann, Fräu- lein Toni Mai'erhöfer. Was Fieberbrunn als Ort der körper- lichen und geistigen Erholung und Anre- gung ihr bedeutet, das hebt Frau Dr. von Wißmann immer wieder danhbar her- vor. Dem schwächlichen Großstaitknd von 1905 schenkte Fieberbrunn Gesundheit und Lebenskraft, der Studentin der Geographie wurden die ihr vertrauten Kitzbilheler Ah pen zum Gegenstand ihrer Doktorarbeit, für ihren Beruf als Professor an einem Wiener Mädchenrealgymnas.ium (1921 - 37) holte sie sich zu allen Jahreszeiten dort neue Spannkraft. 1935 gab es noch bei Lebzeiten des Vaters Ministerialrat Dr. A. Freiherr von Rinaidini und von Vater Lichtmannegger eine schöne 30 -Jahr-Feier mit Benennung eines Weges, der heute Juhe, jetzt sind's da ah no auf! Es soll hier von einem mit tik in'terlichen Brauch die Rede gehen, der offenbar so tief an grundm'enschl i ches Empfinden rührt, daß er zeitlos lebendig in die Ge- genwart hereinreicht. im Raum des Nord- tiroler Unterlandes, vor allem im Umkreis von Kitzbühel, läßt sich 'ein hslbes Jahr- tausend lückenloser Ueberlieferung des weihnachtlichen Ansingens, Sternsingens und Anklöpfeins aufzeigen. Aus \Vaidring, aus der Nordsteeke des Landes, kommt die früheste Nachricht über das Von-Haus-zu-Haus-Singen zur Weih- nachtszeit im Tiroler Dorf. Kircheurecii- nungen verzeichnen hier 1482 ‚.drei Pfund Perner von den Ansingern zu Weihnach- ten" und das Jahr darauf „'ein halbes Pfund Perner von jungen Gesellen Ansingen" als Einnahrneii für den Kirchensäckei. Das liegt noch vor der Zeit, da Kaiser Max die Herrschaft Kitzbühel endgültig dem Land eingegliedert hat. Eintragungen solcher Art setzen sich in den Waidringer Kirchen- noch als Riiialdini-Weg besteht. Auch bei der 50 -Jahr-Feier, die 1955 der hoch- betagten Witwe 'und ihrer Tochter bereitel wurde, die längst keine „I'rvmdeir mehr waren, kamen Ansehen und Zuneigung zum Ausdruck. Im Dezember 1960 brachte un- sere Zeitung einen Nacliruf für Baronin Marianne Rnaldiiii mit ihrem Bild. Das Jahr 19653 in dem sich für Bettina von \Vissmann-Rjnaldjnj 61 Jahre der Ein- kehr in Fieberbrunn vollendeten, war zu- gleich für Professor von \Vissrnami, der im September seinen 70. Geburtstag be- ging, ein Markstein auf seinem Lebensweg. Das Jubiläums jahr beider war bei einem fast zweimonatigen Herbstaufenthalt von einem festlich schönen Wetter begleitet, das die Wetterungunst des Früh jahrsauf- enthaltes aufwog. Gerade der übergroße Schneereichtum des letzten \Vinters und die Kühle des Sommers haben in ihren Folgewiikungen den 'beiden unermüdlich wandernden und beobachte ndenGeographen mit einem seltsamen Naturschauspiel größte Freude bereitet. Wo in dcii Loferer Stein- bergen und in den Schie ferb erge ii Lawinen erst zum S'ommerende abgeschmolzen wa- ren, fanden sie noch Mitte Oktober Alpenrosen, Enziane, Ake 1 eien und viele andere Alpenblumen, auch Latschen und Zwergweiden weithin in voller Blüte. Ein sorgsam behüteter Strauß dieser Alpen- blumen kam mit in ihr Tübinger Haus, in das sie heimkehrten voll Dankbarkeit für die Schönheit und Erholungskraft der Fiel)crbrunner Landschaft und die Zunei- gung ihrer Bewohner, voran ihrer Haus- frau Frau Anna Kafka geb. Lichtmaun- egger, die in diesem Jubiläumsjahr oftmals das Ehepaar \Vissmann auf Wanderungen und Fahrten begleitete und es im Haus fürsorglich wie immer betreut hatte. büchern bis ins 17. Jahrh'uiidert hinein fort, wo dann schon von den „Sternsingerri heim neuen Jahr" gesprochen wird. A'ehu- liebes vermelden die Kösseiier Pfarr- schriften des 17. und 18. Jahrhunderts, so 1,689etwa: „Zur heiligen Weihnachten an- statt der Kirchensänger ist ersammeit wor- den ein Gu.Ide-ii zehn Kreuzer." Eine Verfügung des Landesgerichtes Kitzbühel „die dato 6. Dezember 1815" - das sind jetzt gerade 150 Jaihre her - stellt uns das weihnachtliche Singen und Sammeln vollends deutlich vor Augen. Die Behörde praiigert dcii „alten Mißbrauch" an und sieht sich zu vorbeugender Beleh- rung veranlaßt, „nachdem man erfahren hat, daß die Kirchensänger mit einem Stern und einem Spielmann gleich jedes Haus absuchen und dadurch nicht selten die unbemitteltere Klasse und Notigeren vorzüglich hei gegenwärtigen Geldmangel und merklichen Abgang der Lebensmittel empfindsam bedrücken weil man überall, wo sie hinkommen, allerlei abgeb cii muß." Lind nun zur Gegenwart. im Bürger- und Bauernstadtl Kitzbüliel sind an den A(leiitsonhiIag'en heuer - und so jetzt schon seit einigen Jahren - drei Anklöp'f- lergruppeii unterwegs, jede einem beson- deren Kreis von Freunden und Anteilneh- menden verbunden wenngleich keine mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit Kirche und kirchengesang. Wer die klöpf- ler auf kurzem Besuch in seinem Haas haben will, muß seinen Wunsch beizeiten vorbringen. Fügt sich die Verabredung, stapfen dann zur vereinbarten Stunde des späten. Nachmittags oder Abends etliche bärtige Hirtengcstaltcn in die Stube, wo alt und jung dci' Familie und oft auch der Nachbarschaft beisammen sind. Eine Gitarre schlägt an, eine Stimme setzt ein, die anderen folgen und füllen den erwartungs- voll stillen Raum. Auf, auf, ihr Hirten Es verschlägt nichts, wenn man unter dem breitkrempigen Hut und hinter dem Strn)pigen Bart den eieen und anderen Silirger 'erkennt, den Konsul, den Tankwart, den Sparkassendirektor. den Wirt, den Postmeister, den Spengler. Sie sind um diese Stunde alle nur Hirten auf dem Weg zum Heil, von dem die Lieder künden, daß es als armes Kind im Staue liegt. Jeder verkörpert ein Stück von unser aller in- wendiger Heimat. Auch was sie singen. ist Heimat in hand- greiflichem Sinn. Etliche ihrer Hirtenwei- seit stammen aus dem Liedsehatz eines ländlichen Sängers und FDeten der Gegend. des Wilmitätterbauern Christian Blattl yeti St. Johann, der 60jührig am 20. Dezember 1865 die Augen geschlossen hat. Ein bün- diges Bild seiner \\ ‚esensart geben ein paar Verse auf siehle111 Sterbbildl: „Ein gutes Mundstück., klare Stimm', und wer ihn kannte, liebte ihn.-- hn." Sein Sein klingendes Erbe ist vor allem durch seine zweitjüngste Tochter, das „blinde Lisei", weitergetragen worden. Auch sie ist schon verstummt, aber allenthalben erzählt man noch von ihr. Aus Blattl'seher Ueberlieferung rührt die Weise zum Lied von den frohlockenden Hirten her: Es kann's keiii Mensch wissen in keinem Haus läßt man die Sänger ohne Gabe und Bewirtung ziehemt. Da fal- len dann auch \Vorte.wie daßes „kein rich- tiges \Veihnachten werde" ohne das Lied der Amiklöpfler. In diesem Geist und in der Herzlichkeit der Gastfreundschaft, die sich von Mal zu Mal überbietet, fließen einst und jetzt ineinander über und schließt sich Ciii Band guten Willens um die Men- schen aus den lebenden und hinüber- gegangenen Geschlechtern. Wie über den Zeiten steht auch das Dank- und Wunsch- lied, mit dem ehedem Blattl und die Senen bei solchem Anlaß sieh zu verabschieden pflegten: Kommt's her, die ganz Gesellschaft . ‚ I Ankl 00 öpfeln im Nordtiroler Unterland Von der „Anklöpflergruppe" des Männergesangverein Kitzbühe! Von Dr. Norbert Wollner, Kitzbühel
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