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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 13. Februar 1965 1 Vielleicht am ähnlichsten dem Rodeln, Skibob erobert Europa 1 doch leichter lenkbar. Schon deshalb hat Erlebnisse und Betrachtungen bei den 3. Skibob-Europamelgtergchaften 1965 diese Sportart Zukunft! in St. Johann - „Für Rasantelnoch rasanter - für Vorsichtige noch sicherer" von Utto Eichhorn, Aalen „Schreibens nur net so vüll von den Skibob - wir wohn hier Skifahrer!" er- mahnte mich besorgt der sympathische „Bergbahner" vom Schneiderberglift. Er sah meine weiß-rote Pressebinde und den geschulterten Skibob - und im vorderen Sessel saß schon der langjährige Europa- meister ... (,‚Aha, daher weht der Wind - sie wollen ‚zünftig' bleiben, die Seini- honser, nicht ‚degradiert' werden; so mag es vor 50 Jahren dem Skilauf im 10 Kilometer benachbarten Kitzbühel auch ergangen sein!") Ähnlich spricht die Volksmeinung aus dem Zweifel der Kollegen vom Baumoos- lift, ob denn der Skibob Zukunft haben könne, und die Chri:stl Haas wirklich ein Plus, ein Magnet für den Namen von St. Johann sei? „Moanans wirklich?" Ein Fieherbruiiner ist auch voller Wenn und Aber - und von anderer Seite dringt durch, so ungefährlich sei die Sache ja nun doch nicht, da habe es ja zwei Akja- Abtransporte gegeben. Unfälle unterschlagen? Die Veranstaltung verlief doch laut öf- fentlicher Siegesfeier unfallsirei - wer hat also unterschlagen? Ich ging der Sa- che auf den Grund. Ein Irrtum: zwei Skiläufer waren verunglückt Wenn man mal selber auf einem Skibob einen Hang, ja eine Piste herunter-,,gejuckt" ist, fällt es einem auch schwer, sich Skibob-Un- fälle vorzustellen - selbst nach dem al- lerersten Versuch schon! Die 124 „Ski- hohler", bzw. 196, ja 277, die unentwegt noch im Endlauf und immerzu „unbeschä- digt" starteten - heftige Stürze hatte es durchaus gegeben, kein Wunder bei solchem Schneetreiben und solchen Drauf- gängern vom Format Willi Brenter! - sind wohl ein Beweis für die relative Un- gefährlichkeit dieser jungen Wintersport- disziplin. Die meisten Teilnehmer waren nicht rennsportmäßig geschulte Leute - sondern fröhliche Wintersportler mit viel Idealismus und Spaß am Skibob. (Ist das nicht Sport im ursprünglichen, un- belasteten Sinne?) Sie wollten ihre Kräf- te, ihren Mut, ihr Können messen - und das taten sie doch immerhin an vier Tagen in mindestens 600 Abfahrten, sicher in noch einigen Hundert mehr. Denn in einer Abfahrt steckt auch abso- lut keine extreme Anstrengung. Aber ein köstliches Vergnügen! Selbst die Spitzen- rennläufer dieses Sportzweiges sind noch echte Amateure, zu deutsch: sie betreiben es noch aus Liebhaberei. Unbeschwert von Konkurrenzen, Rekorden und Profiproble- men. Das ist eine fröhliche Schneehosen- gemeinde, eine unproblematische, große Familie. - Die Ungefährlichkeit er- schließt auch speziell den Freiberuflichen, Selbständigen die winterliche Bergwelt und die Abfahrtsfreuden, auch durchaus vorsichtigen Unternehmern, die sich kei- nen Ausfall leisten können - an ihrer Spitze Alfred Krupp von Bohlen-Hal- bach, wie ich erfuhr. Konkurrenz zum Skilauf? Nein! Wieso? Im Gegenteil: man soll- te erstens Skibob-Schulen aufmachen - oder die Erlernung, Anleitung, Schulung in die Wege leiten, in die Hand nehmen. Dann werden noch viel mehr Menschen zum Wintersport kommen - und denen es nicht mehr genügt, die werden schon von den vier auf die zwei Bretter um- steigen! Allerdings: viele werden es nie. Ich (der Berichterstatter) fragte eine Runde von feschen, sportlichen Bob-Haserin aus Bayern, warum sie nicht lieber skilaufen? Einigen liegt es halt nicht, andere sind mit dem „Sitz-Ski" einfach zufrieden! Lassen wir ihnen die Freude! Skilaufen würden sie eben nicht. Sie sind also nicht verloren für die Piste - sie kommen zu- sätzlich auf die Pisten! Und eine andere Kategorie kann nicht oder nicht mehr skilaufen - sie haben schon lädierte Knochen. Oder: anstatt daß die Gemahlin an der Talstation in Wolle und Pelz gehüllt ihren schneidig anbrau- senden Göttergatten erwartet - „ski- bobt" sie einfach hinter ihm her - oder ihm voraus! Das tut ihr auch gut - ihrer Gesundheit wie ihrem Selbstbewußtsein. Der kriechende, kratzende Pistenschreck! Der Skibobsport erlaubt u. a., wenn man will und kann, sogar ebenso hohe wie noch höhere Geschwindigkeiten als der Skilauf: hat doch beim Training in St. Johann, als die Piste noch nicht so rettungslos in ein „Daunenmeer" verwandelt war, der deutsche Junioren-Titelverteidiger Hans 5db 104,5 km/h am Harsehbichl heraus- gefahr:en! Der neue Europameister Erich Brenter hält den Weltrekord mit 164,5 km/h - und er ist ein sehr überlegter Fahrer. Und, erster Repräsentant der Ski- bobproduktionl Hätt' ich's nicht selber probiert, würde ich nicht sagen: „Bremsen ist überflüssig - Ausweichen kein Pro- blem - Wechsel- und Tiefschnee auch nicht - und am schönsten ist das Zick- Zack-Abwärtsschwingen, das geht wunder- bar, und selbst die Kehre talwärts ist kinderleicht!" All das auf den ersten An- hieb! (Trotz eingebauter relativ langer Leitung!) Auch im Schuß und beim Hop- sen über die Bodenwellen kommt man sich nicht unsicher vor - letzteres ist geradezu lustig! Wenn es zu schnell wird, schwingt man ab, und je mehr gegen die Bergseite, desto langsamer wird man halt! Es ist nicht nur leichter und ungefähr- licher zu bremsen und zu fahren als der Skilauf, sondern auch als Schlittschuh- laufen und Radfahren oder Schwimmen. Ist Skibob Sport? Aber, wenn das so einfach ist - ist das denn noch ein ernst zu nehmender Sport? Laufen, Weitspringen, Schwim- men, Reiten sind ganz natürliche, ja ge- wöhnliche körperliche Ausdrucks- und Fortbewegungsarten - und urechte olym- pische Disziplinen! Die Bobfahrer haben gut eineinhalb Dezennien, 15 Jahre, um ihre Anerkennung als olympische Disziplin kämpfen müssen, bis sie es nun endlich erreichten! Der Skibob wird an höchster zuständiger Stelle in Osterreich absolut ernst genommen, wie Sektionschef Dr. Heinz Pruckner, der Sportreferent und -Repräsentant der Osterreichischen Re- gierung ausdrücklich erklärte, und Unter- richtsminister Dr. Theodor P i ff1- Perce- vic, dessen Gruß er überbrachte, habe nicht eine Sekunde gezögert, den Ehren- schutz über diese St.-Johanner Veranstal- tung zu Übernehmen. Auch sei er selbst gerne gekommen und er prophezeite dem Skibobsport eine große Zukunft. (Es ist auch kein Geheimnis, daß die Ilerstel- 1er die Auftragslawine längst nicht be- wältigen können; Brenter selbst stellte sogar deutschen Produzenten seine Patente zur Verfügung; auch heuer waren die ersten dreißig Besten auf Brenter- Holz-Skibob gefahren.) Sektionschef Dr. Pruckner lobt auch den Schneid der Renn.- fahrer, die in einem unglaublich dichten und ununterbrochenem Schneetreiben durchgehalten hatten, und konstatierte mit Recht erfreut: „Wo die Jugend mittut, kann's nur aufwärts gehen!" Vielleicht, so steht offenbar zu hoffen, werden die nächsten Europameisterschaft en schon \Veltmeisterschaften sein. Ebenso ernteten Sympathie und Beifall der Ehrenbürger von St. Johann Landtags- präsident Kommerzialrat Johann Ober- moser, der die unfallfreie und reibungs- lose Durchführung der Veranstaltung und die saubere Disziplin und sportliche Hal- tung der Teilnehmer aus zehn Nationen, von Ost und West, vorbehaltslos lobte, und Georg Gfäller, München, der Präsident des internat. Skibobverbandes (FISB). Er stellte in Ubereinstimmung mit allen Ex- perten, Kritikern und Sportredakteuren u. a. fest, daß die St.-Johanuer Meister- schaften geradezu vorbildlich organisiert und abgewickelt worden waren, so daß sie relativ nicht im geringsten hinter Inns- bruck zurückständen - im Gegenteil! Wie immer in sympathischer Kürze, in der die Würze liegt, verabschiedete Bürger- meister Georg Oberleitner wieder das fröhliche Sportvölkchen - und die Fan- faren der St. Johanner Bundesmusikkapelle unter Kapellmeister Hans Zobel schmet- terten das Tüpfchen auf das i! Tags zu- vor hatte die bisherige Europameisterin Uschi Stoll, Deutschland, an dieser Stelle für alle Sportler im Fackelschein und vor (Fortsetzung Seite 6)
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