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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 6. März 1965 sturz geschehen, heißt der Ostrazwisel oder in der Od." Ein „Gemeyer", heute „heidnische Kir- che genannt", steht im Naturschutzgebiet und soll erhalten bleiben. Dieser Palfen ist haushoch und ähnelt einer natürlichen Grotte. Auf dem neuen Damm fahren Schuib- raupen, Transporter und Grader und er wächst Tag für Tag ins Tal hinaus. Trotz des gewaltigen Einsatzes an Maschinen und Geräten verursacht die durch Schutt- material „aufgeständerte" Trasse weniger Kosten. Hofrat Dipl.-Ing. Grienberger er- klärte: „Wir haben uns bisher hohe Stütz- und Wandmauern ersparen kön- nen." Von der Weit'enau bis zum Tunnel- portal ist die neue Straße in einer impo- santen Breite von drei Fahrspuren „planeben", bergwärts abgesichert, auch schon humusiert (von dem jedoch gegen- wärtig unter der Schneedecke nichts zu sehen ist) und mit den erforderlichen Pflastermulden versehen. Von den 17 km der Nordrampe sind bereits zehn Kilo- meter weitgehend im Rohen ausgebaut! Im Tunnel „Nord" errichteten die Bergarbeiter für die einreisenden „01- leute", die zur Weihe des Olportals zur Schildalm „pilgerten", eine private Maut. Der dargebotene Hut füllte stich; es waren auch einige „Blaue" darunter. Die Fahrt durch den Tunnel währte knapp eine halbe Stunde. Die Arbeits- gemeinschaft „Stuag und Rella" stellte den Gästen Kleinomnibusse zur Verfü- gung, mit denen die erste Tunneletappe von etwa 1700 Meter überwunden wer- den konnte. Es gab hochinteressante Ge- spräche im Bus. Erstens einmal konnte man vernehmen, daß kein Privater den Tunnel beschreiten darf. „Wir müßten jeden Besucher bzw. „Kibitz" von der Polizei abführen lassen, da wir eigene Verkehrsvorschriften haben, denen sich jedermann unweigerlich unterwirft bzw. welche genauestens eingehalten werden. Im Tunnel, während der Arbeit, würde niemand lange leben, der nicht zu unserer Belegschaft gehört 1", sagte Bauleiter Dipl.- Ing. Jakoubek. Die Eröffnung klang glaubhaft, wenn man den Tunnelverkehr selbst berücksich- tigen konnte. Die Arbeitsgemeinschaft „Nord" Stuag und Rella ging in ihrer Tätigkeit neue Wege. Erstmals wurde in der Geschichte des Tunnelbaues von der konservativen Schienen-Technik abgegan- gen und die Achse gewählt. Die Vor- bzw. Nachteile können erst bei Fertig- stellung des Tunnels klar zutage treten. Die Abfuhr des Haumaterials von der Siolienbrust ins Freie mittels Kraftfahr- zeugen erforderte eine Investition von zehn Millionen Schilling. Den Hauptteil erforderte der Ankauf von vier Brad- ford-Dieselfahrzeugen, die für jeden „Ab- schlag" elf- bis zwölfmal aus- und ein- fahren müssen. Die hiedurch erzeugte Verkehrsdichte läßt darauf schließen, daß „Kibitze" im dunklen Stollen Gefahr lau- fen, überfahren zu werden. Das Hauwerk besteht immer noch über- wiegend aus Gneis und Granit. Die Tun- nelfachleute zählen beide Gesteinsarten zum Urgestein, während die Geologen das Gneisgestei n metarmorphosisch entstehen haben lassen. Auf die laienhafte Frage: „Wird wohl jeder Berg anders gebaut sein?", sagte der Tunnelbauleiter macht- voll: „Was, jeder Berg? jeder Zenti- meter ist anders, ist verschieden von dem nächsten zu bewerten und zu behan- deln!" Etwa 500 Meter wurden zu Fuß zurück- gelegt. Es ist dies die Strecke jenes Tei- les des Richtstollens, auf welcher „Stuag- Rella" die seinerzeitigen Geleise, die noch vom Ausbruch des Richtstollens stammen, abgebaut hat. Etwa 3200 Meter wurden mit dem „Stolienizug" der Arbeitsgemein- schaft „Süd", bestehend aus den Firmen „Universale", „Porr", „Isola & Lerch- baumer" und „Soravia" zurückgelegt. Zu- erst ging es durch etwa 1 km Richtstollen (Profil 12 m2); weiters durch 1400 m Stollen im Rohausbruch (Profil 70 m2); und zum Schluß durch die bereits um- mantelte Tunnelröhre von einer Länge von 700 Metern im „vollbereinigten" Pro- fil, davon 63 Meter unter der Stahl- schalung für die Tunneizwischendecke. Schon etwa bei 1000 Meter vor Ver- lassen des Tunnels in Richtung Matrei wehte den Leuten ein eisiger Tauernwind entgegen. Diese Bewetterung wurde zuerst als „natürliche" empfunden, hatte jedoch einen ausgesprochen technischen Hinter- grund. Ungefähr in Tunnelmitte befindet sich nämlich ein riesiger Ventilator, von einem Dieselaggregat an Ort und Stelle angetrieben, welcher pro Sekunde etwa 26 Kubikmeter Frischluft vom Tauerntal ins Amertal bläst. Die Frischluft erwärmt sich im Tunnel erst allmählich, so daß die Stollenarbeiter im Süden weit mehr der Kälte ausgesetzt sind wie jene im Norden. Der Berichterstatter befand sich im gleichen Wagerl wie die Diplominge- nieure Jakoubek, Ullrich und Singer von der Arbeitsgemeinschaft Stuag/Rella - Tunnel „Nord". Diese bewunderten das schöne Profil des Südtunnels. Mit ihren Lampen leuchteten sie die Tunnelwände, die Sohle und den Tunnelbogen ab, no- tierten jedes „Wasserl", begutachteten die Dichtheit der Felsnagelung, die kleinsten und größten bergschlagbedrohten Stellen, deren Absicherung, die Schichtung des Ge- steins und die Bogenform. Ihr größtes Augenmerk wendeten sie den bereits be- tonierten Wassergräben, den Banketts und der Ummantelung der profilbereinigten Strecke zu. Die Behauptung, daß die Stollenarbeiter auf „Süd" nicht unter Kälte zu leiden haben, mußte als wider- legt bezeichnet werden. Vielerorts sah man große und kleine Eiszapfen und an einer Stelle eine ganze „Eiswand", die sich au- ßerhalb der Betonwand gebildet hatte. Als Ursache wurde angegeben, daß die nach dem Rohausbruch angelegten Abfluß- rohre eingefroren waren und der gewaltige Bergdruck, welcher in der Mitte des Stol- lenprofils bis zu 288 Kilogramm pro Quadratzentimeter beträgt, das Wasser durch den Beton hindurchdrückt, das dann infolge der künstlichen Bewetterung zu Zapfen gefriert. Von der Bauleitung „Süd' wird diesem Umstand keine besondere Be- deutung beigemessen, denn auf Befragen erklärte Bauleiter Hofrat Dipl.-Ing. Ro- bert Papseh, daß das Austreten kleiner Rinnsale bei Auftreten wärmerer Luft voll und ganz behoben werden kann. Die Ummantelung der Tunnelröhre setzt auf der Strecke „Amertal" erst nach Ein- treten wärmerer Jahreszeit, also im April, ein. Auch bei der Ummantelung werden von beiden Arbeitsgemeinschaften ver- schiedene Systeme verwendet. „Süd" bringt das Betongemisch trocken ein. Die Sand- und Schotterdisziplinen wer- den mit der entsprechenden Menge Ze- ment im Freien vermengt und erst im Tunnelinnern zu Beton verarbeitet. Zur limmantelung steht ein riesiger Profil- wagen zur Verfügung, welcher von der Mischmaschine aus und durch Beton- pumpen bedient wird. Glatt und fugenlos stößt der Betonbogen immer weiter in den Berg hinein. Auf „Nord" dagegen wird von „Stuag- Rella" der Beton im Freien zubereitet und mittels großen Spezialkraftfahr- zeugen zum Betonierungswagen geführt. Bisher wurde nur eine kleine „Versuchs- strecke" mit Beton ummantelt. Die Beton- stärke im Tunnelbogen beträgt bis zu 50 Zentimeter. Schon für die „Versuchs.- strecke" wurde ein 13,5 m langer Spezial- Schalwagen gebaut, der sich bewährt hat und welcher in der Mitte eine große Offnung aufweist, so daß ihn alle Fahr- zeuge unterfahren können. Innerhalb ei- nes Monats wird die Belegstärke von „Tunnel-Nord" von 220 auf 320 erhöht. Im Baulager in der Nähe des Tunnel- portals, wo :sich auch die Betonaufberei- tungsanlage, die Belegschaftsbaracken und die Kantinenbaracken befinden, ist gegen- wärtig eine neue Baracke für hundert Mann im Bau. Ihre Errichtung ist auf nur sechs Wochen terminisiert. Sie wird wintersicher gebaut. Dieses Lager „leidet" unter einer Schneedecke von zwei Metern. Der Lawinenbeobachtung wird größtes Augenmerk beigemessen. Ständig sind zwei Fachleute als „Beobachter" unter- wegs, welche auch durch Hubschrauber- einsatz unterstützt werden. Durch stän- dige Beobachtung und unter Auswertung der Erfahrungen der heimischen Forst- leute konnten bisher 14 Punkte, die La- winen abschicken können, registriert. „Die künftige Feibertauernstraße wird aber von keiner Lawine belästigt werden, denn wir verhauen alle gefährdeten Stellen", sagte Hofrat Dipl.-Ing. Grienberger. Heuer konnte auch in punkto „Finan- zierung" der letzte große Schritt vor- wärts getan werden: Am 17. November 1964 hat der Mini- sterrat einer Ermächtigung des Finanz- ministers Dr. Wolfgang Schmitz zu- gestimmt, die Haftung für einen Kredit der Felbertauern Aktiengesellschaft bis zu 120 Millionen Schilling zu übernehmen;
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