Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 22 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 9. April 1966 Suchaktionen Lawinenbergungen Da sich die Gäste besonders für Ski- und Lawinenbergungen interessierten. ging Werner auf diese Gebiete aus- führlicher ein. Die stürmische Ent- wicklung des Winterfremdenverkehrs und hier besonders des Skilaufs mußte zwangsläufig eine ebensolche Entwick- lung des Bergrettungswesens mit sich bringen. Obwohl Kitzbühel mit 38 ausgebilde- ten Bergrettungsmännern über einen verhältnismäßig hohen Anteil verfügt, fand man mit freiwilligen Helfern im Winter nicht mehr das Auslangen. 16 hauptamtliche Retter mußten einge- stellt werden - betrug doch in der Wintersaison 1965-66 die Zahl an Ge- borgenen 393 (davon 219 männliche) und 174 Verletzte. Ebenfalls mußte das Unfall-Melde- netz ausgebaut werden. So sind heute über die Streif, Fleck, Kaser, Pengel- stein Asten, Gigling und Horn insge- samt 25 Telephonsprechstellen der Bergrettung verteilt. Mit neun an den wichtigsten Stellen installierten Funk- sprechgeräten kann ständig Kontakt mit der Zentrale in der Hinterstadt aufgenommen werden. Im Gegensatz zur CSSR, wo noch Kanadier-Schlitten Verwendung finden, benützt die Kitzbüheler Bergrettung seit 15 Jahren nur noch den Akja. Welcher Skifahrer hat noch nie die Männer mit den grünen Pullovern, ro- ten Stutzen und Kniebundhosen mit diesem Gefährt zu einer Unfallstelle rasen sehen? Bei einem Wettbewerb in der Schweiz (Davos) errangen Blasius Salvenmoser und Jakob Böck sogar eine Goldmedaille für ihr hervorragen- des Können. Es entschied nicht nur die Schnelligkeit, sondern auch die zu- gleich vorsichtige Fahrweise mit dem Verletzten. Interessant ist es auch, zu erfahren, daß Mitglieder des Alpen- vereins für Bergungen nichts zu be- zahlen haben. Beeindruckt zeigten sich die slowakischen Bergrettungsleute von dem gut ausgeklügelten Einsatzsystem mit der Flugrettung. Solch eine Zu- sammenarbeit gibt es in ihrer Heimat überhaupt noch nicht. In Kitzbühel hingegen waren die Hubschrauber und Piper-Maschinen des Innenministeriums schon des öfteren im Einsatz. Zuletzt war eine Piper während des Hahnen- kamm-Rennens auf Anforderung der Bergrettung in Kitzbühel stationiert. Als zweiten Themenkreis von Inter- esse behandelte Toni Werner den La- winensuchdienst. Er betonte, daß Kitz- bühel Gott sein Dank nur sehr selten die Bergrettungsmänner, und wie es das Tiroler Skischulgesetz vorsieht, auch Skilehrer zu einer Suchaktion einberu- fen muß. Trotzdem werde in Kitzbühel ständig für den Ernstfall geprobt, da- mit sich nicht auch bei uns die Sta- tistik bewahrheitet, daß aus Lawinen iur noch zehn Prozent lebend gebor- gen werden können. Bei uns wird noch immer nach dem bewährten traditionellen Suchsystem vorgegangen. Absuchen der Unfallstelle mit Auge und Ohr. Einsatz von La- winenhunden, soweit sie sofort zur Stelle sind, und Sondierung des Gelän- des. Kitzbühel ist in der glücklichen Lage, durch großzügige Unterstützung der Bergbahn AG wieder im Besitz eines ausgebildeten Lawinenhundes zu sein. „Senta" wird von den 'beiden An- gestellten der Bergbahn und ausgebil- deten Hundeführern Kurt Reiter und Lois Spari betreut. Ein weiterer La- winensuchhund befindet sich im Be- sitz des St. Johanners Georg Perch- told. Der Einsatz von Hunden stellte für die Tschechen ebenfalls ein No- vum dar, zumal sich erst jetzt ihr er- ster Lawinenhund in Innsbruck zur Ausbildung befindet. Nicht neu ist ihnen hingegen der Einsatz von Sonden zur Auffindung von Vermißten. In Kitzbühel sind diese langen Me- tallstangen am Hahnenkamm (Berg- station), Steinbergkogel, Pengelstein, Kitzbüheler Horn, Bichlalm und Trat- tenbachaim gelagert. Ebenfalls nicht neu ist den Gästen die elektro-magnetische Sonde. Es han- delt sich bei dem vom Deutschen Dr. Förster zum Patent angemeldeten Such- gerät um nichts anderes, als um ein verbessertes Minensuchgerät, wie es jede moderne Armee verwendet. Das von einem Akku betriebene Gerät rea- giert auf metallische Körper mit ei- nem Pfeifton. Besonders gut reagiert es auf Magneten und kann diese bis zu vier Meter unter der Erde (Schnee) orten. Um diese Magneten wird in der letzten Zeit viel Reklameaufwand ge- trieben und mit den Worten „Nimm mich mit" angepriesen. Um 66 Schil- ling kann man das Stück Metall in je- dem Sportgeschäft kaufen. Doch den Magnet bei einem Unfall bei sich zu tragen alleine, genügt noch nicht. Es müssen auch rasch und in ausreichen- der Anzahl „Förstersonden" zur Ver- fügung stehen, damit eine Auffindung nach dieser Suchmethode gerechtfer- tigt erscheint. Die Sonde kostet heute aber noch zirka 25.000 Schilling und welche Ortsstelle kann es sich schon leisten, mehrere dieser Geräte anzu- kaufen. Überall, wo heute noch kon- ventionelle Sonden lagern, müßte in Zukunft eine Förstersonde einsatzbereit sein. Für Kitzbühel wären dies sechs Stück. Obwohl Kitzbühel auch hierin für Österreich führend ist, befinden sich erst zwei Sonden in unserem Ge- biet. Mit der Einladung, die geschilderten Einrichtungen am nächsten Tag bei einer praktischen tYbung kennenzuler- nen, schloß Toni Werner seine infor- mativen Ausführungen. Im weiteren Verlauf. des :Abends setzten, sich. die Kitzbüheler Bergsteiger mit ihren Berg- kameraden aus dem Nachbarland zu- sammen und tauschten gemeinsame Erfahrungen aus. Sprachliche Schwie- rigkeiten gab es keine, da fast alle Gäste perfekt deutsch sprachen. Um acht Uhr des nächsten Tages ging es mit der Hahnenkammbahn auf Kitzbühels Hausberg und weiter in das Gebiet des Schwarzkogels, wo der Abgang eines Schneebretts als Übungs- fall angenommen wurde. Zwei Perso- nen sind von dem Schneebrett erfaßt worden und unter den Schneemassen begraben. Schon vor Tagen hatten Kitzbüheler Bergrettungsmänner hier- für Attrappen im Schnee vergraben. Der mit Fahnen ausgesteckte Lawi- nenkegel wurde nach der traditionellen Methode abgesucht. Anschließend wurde mit zwei Förstersonden gesucht. Dies inh- teressierte die Gäste ganz besonders, da - wie schon erwähnt - auch in der CSSR mit einem ähnlichen Gerät experimentiert wird. Schon nach zehn Minuten wurden die „Opfer" gefunden. Groß war die Freude, als sich heraus- stellte, daß es Zigaretten, Schnaps und das Emblem des „Slowakischen Berg- dienstes" waren. Allesamt hatten einen Magneten beigegeben, denn auf Zi- garetten und Schnaps springt die För- stersonde noch nicht an. Im Anschluß an diese Suchübung führten Josef Ginsperger, Walter , Ober- nauer, Peter Brandstätter und Franz Monitzer die österreichische Technik des Abtransportes mit dem Akja vor. Diese setzt sich aus der raschen An- fahrt, erste Behandlung des Verletzten, Verpackung in den Schlitten und Ab- transport zusammen. Besonders beeindruckt zeigten sich die Slowaken von der ausgefeilten Fahrtechnik der Bergretter mit dem Akja und den Kurzskiern. Nachdem man über dem Pengelstein wieder bei der Oberlandhütte angelangt war und noch einmal gewonnene Er- fahrungen austauschte, machten sich die Gäste reisefertig, um in die Schweiz weiterzufahren. Unterdessen führten die Beteiligten aus Kitzbühel noch eine weitere Übung durch, bei welcher das Abseilen aus einer Felswand geübt wurde. An den beiden Bergrettungsübungen waren von Kitzbüheler Seite noch Ortsführer Toni Werner, Diensstellenieiter Lois Koidl, Steff Manzl und Josef Hager beteiligt. Alles in allem zwei erfreuliche und lehrreiche Tage, die in Zukunft sicher- lich dazu beitragen werden, das tsche- choslowakische Bergrettungssystem, das ja auch von vielen auf Urlaub befind- lichen österreichern in Anspruch ge- nommen wird, zu verbessern. Aber auch die Kitzbüheler haben wieder neue Erfahrungen sammeln können und werden den einmal hergestellten Kontakt mit den Nachbarn weiter aus- bauen.
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