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Samstag, 16. April 1966 Kltzbüh.ler Anzeiger Seite 3 den letzten Jahren zu einer äußerst komplizierten Wissenschaft entwickelt hat. Dies gilt noch mehr für die hi- storische Bergbaukunde, die mit ganz besonderen Quellen zu rechnen hat. Und nun zu unseren' Funden. Im An- schluß an die letzte, im Jahre 1946 durchgeführte Grabung, die uns zwei Herde und eine Abfallgrube schenkte, wurde heuer das erstemal der Grund- riß eines Gebäudes aufgedeckt. Der Unterbau bestand aus einer Trocken- mauer, auf der die Blockwände auf- gelegt wurden. Da aber das Terrain, auf dem dieser Bau errichtet wurde, leicht geneigt war, brauchte man nur für die Vorderfront eine weitere Mauer aufbauen, die sich daher im Grundriß als ein offenes Rechteck mit Tür- öffnung zeigte. Eine interessante Feststellung ergab die Wiederverwendung von alten, für die Aufbereitung des Erzes gebrauch- ten Arbeitssteinen für die Mauer- füllung, also den gleichen Vorgang, wie wir ihn im Bereiche römischer Sied- lungen oft und oft antreffen können: das Einbauen von Spolien ist daher eine alte tYbung! Da sich der Grund- riß dieser Hausanlage, die vielleicht als Unterkunft für die Bergleute ge- dient hat, sehr gut herausarbeiten ließ, waren wir lange im Zweifel, ob wir diese einmalige Aufdeckung Haus- anlagen aus 1300 Meter Seehöhe sind nämlich bis jetzt aus Österreich noch nicht bekannt - abräumen sollten, um auf den gewachsenen Boden zu kommen. Das Haus war nämlich auf eine schon früher abgelagerte Arbeitsschicht auf- gebaut worden. Als wir uns schließ- lich doch dazu entschlossen, die Trok- kenmauerung zu entfernen, bot sich uns die größte aller tiberraschungen, die wir bisher erleben durften. Wir fanden zwei Holztröge, die aus einem geklobenen Fichtenstamm gearbeitet, durch besonders günstige Erhaltungs- bedingungen wohlgeborgen im Boden lagen. Nach allem, was sich aus dem Fundaufschluß ergibt, dienten diese Tröge für die Feinaufbereitung des Kupfererzes, das in einem naß-mecha- nischen Prozeß gewonnen wurde. Wir vermögen daraus auf eine weit entwik- kelte Aufbereitungstechnik zu schlie- ßen und erkennen daraus, daß die Bergleute, die vor etwa dreitausend Jahren in unserem Gebiet arbeiteten, hochintelligente Menschen waren, die es verstanden, die Geheimnisse des Berges zu entschleiern. Im Gelände selbst ist von den Gra- bungen nichts mehr zu sehen, da alle Eingriffe in die Erde wieder verschlos- sen wurden. Das gebietet uns allein schon die Ehrfurcht vor dem For- schungsobjekt, das uns noch viele neue Einblicke in die Urzeit vermitteln wird." Der dreitausend Jahre alte Holztrog wurde in Wien präpariert und steht seither in der urgeschichtlichen Abtei- lung des Kitzbüheler Heimatmuseums. Durch ihn, wie auch besonders durch die Kerbhölzer, errang diese Abteilung eine weit über Tirol hinausreichende Bedeutung. Sie ist in Europa als ein- malig anzusehen. über diese „Hölzer" schrieb Prof. Pittioni in den „Tiroler Heimatblättern": „Im Kasten 9 (Kitzbühel, Heimat- museum) ist eine Reihe von besonders aufschlußreichen Funden ausgestellt; es sind dies kleine K e r b h ö 1 z e r, deren Bedeutung nur auf dem Umwege über die Volkskunde erschlossen werden konnte. In der Schweiz gibt es näm- Portratmedaille Dr. Richard Pittioni Professor der Ur- und Frühgeschichte, zum 60. Ceburtstag -- 9. Apiil 1966 Sein knappes „curriculum vitae" in den bereits zitierten „Mitteilungen" scblieüt mit den Worten „Wer mit mir gemeinsam die vergangenen zwanzig Jahre des Instituts für Ur und Früh- geschichte erlebt und verfolgt hat, wird auch ein Urteil abgehen können. Hoffen wir zu Gott, daß es weiterhin gut aufwärts gehen möge." lieh die sogenannten ‚Teßlen' verschie- dener Art. Eine davon ist den hier ausgestellten Hölzern sehr ähnlich, da sie auch aus so kleinen Stücken be- steht, in die einfache Kerben ein- geschnitten sind. Diese Teßlen wurden zum Auslosen verwendet und dar- um ist es möglich, daß auch die Kelchalmhölzer für derartige Zwecke herangezogen wurden. Nun sind aber einige Zeichen unter den Kerben, die auffallende Ähnlichkeiten mit Buchstaben eines alteuropä- ischen Alphabets aufweisen, so daß die Möglichkeit besteht, die einzelnen Zei- chen könnten vielleicht auch schon Lautwert gehabt haben. Zu dieser Annahme paßt es sehr gut, daß Tacitus in seiner Germanie berichtet, die Ger- manen hätten Stücke mit Zeichen ver- sehen. Dann hätte man diese Kerb- hölzer auf weißes Linnen geworfen, um aus dem Fall und der Art der Zeichen die Zukunft vorauszusagen. Diese Überlieferung trifft in vielen' Be- langen für unsere Kerbhölzer zu, die dadurch als Quellen für die Geistes- geschichte besonders aufschlußreich werden. Allerdings ist festzustellen, daß die Funde von der Kelchalpe nicht den Germanen, sondern den Illyrern, also einem Brudervolk der Germanen, zugehören. Da man auch von den Kel- ten weiß, daß sie L 05 h ö 1 z e r ver- wendeten, entsteht somit die Vermu- tung, die Indogermanen hätten schon zur Bronzezeit ein Zeichensystem be- sessen, aus dem sich dann die späte- ren Schriftsysteme entwickelt hätten." Das Kitzbüheler Heimatmuseum ist aber auch reich an anderen bronze- zeitlichen Bergbaufunden. Z. B. Proben feiner Keramik, die verhältnis- mäßig selten sind. Sehr bedeutungsvoll eine Hoi Z n a d e 1 als Vorgängerin der Bronzenadeln. Solche Funde können wenige Museen aufweisen. Wir verdanken aber Prof. Dr. Pit- tioni nicht nur diese Sammlung, son- dern indirekt auch das Heimatmuseum. Vor der Gründung des Vereins „Kitz- büheler Heimatmuseum" unter Schlos- sermeister Hans G r a s w a n d e r gab es die Sammlung „Graswander" im Forstamtsgebäude und die Sammlung „Prof. Dr. Pittioni" im R a t h a u s. Mit Gründung des Vereins wurden beide Sammlungen im ehemaligen Getreide- kasten (Forstamtsgebäude) vereint. Die Generalversammlung wählte Prof. Dr. Pittioni als Dank für seine Aufbau- arbeit als Beirat in den Ausschuß und er behielt diese Funktion bis zum Be- ginn des II. Weltkrieges. Die Grün- dungsversammlung fand am 6. Mai 1933 beim „Eggerwirt" statt. Dem Verein stand folgender Ausschuß vor: Obmann Hans Graswander, Stell- vertreter Dr. Sagerer, Schriftführer Much Wieser, Kassier Johann Weidner, Beiräte: Moid Traunsteiner, Else Wel- wart, Univ.-Doz. Dr. Pittioni, Kommer- zialrat Herold, Franz Walde, Peter Scheider, Konrad Vogi, Egid Moser (erster Kustos), Martin Ritzer und Se- bastian Huber. Sie haben sich unschätzbare Ver- dienste erworben. Nur durch das Mu- seum ist es möglich, unsere Heimat immer besser kennenzulernen. Das am kulturellen Leben inter- essierte K i t z b ü h e 1 dankt auf die- sem Wege dem Jubilar Professor Dr. Richard Pittioni für sein Wirken um „Kitzbühels alte Zeit" und gratu- liert ihm zu seinem Geburtstag und freut sich auf ein Wiedersehen im Sommer. Der wissenschaftliche Bericht über die Urnengräber am Lebenberg - Haus Dr. Mathew M e 11 o n - er- scheint als Gemeinschaftsarbeit von Frau Dr. Liselotte Pl a n k, Innsbruck, Herrn Professor Dr. Richard Pit- tioni it- tioni und candphil. Clemens E i b- n er vom Bundesdenkmalamt Wien und zwar in der 1949 vom Jubilar g- gründeten Zeitschrift der Wissenschaft „Archeologia Austriaca, Heft 40".
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