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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 28. Mai 1966 Urkunden, vielleicht auch einem „Tag- biechi" aus der alten Zeit. Heute sind davon nur mehr die bereits angeführ- ten drei Briefe vorhanden. Ursache des Verlustes dieser unersetzlichen Zeit- dokumente war die Markensammlerej. Schuldirektor Franz Walde, welcher mit Hans Tscholl d. Ä. (1875 bis 1932) dick befreundet war, fragte diesen ge- legentlich um eine Briefmarke aus der Kaiserzeit. „Du mußt doch in der alten Korrespondenz sicher so eine Marke haben." Was Franz Walde sagte, war für Hans Tscholl schon ein Gesetz. Er beauftragte seine Söhne Fritz und Hans, die große Kiste zu räumen und alle Marken sicherzustellen. Tagelang schnitten sie Kuverts zusammen, sam- melten die Marken und was übrig blieb kam in den Ofen! Wenn schon diese drei Briefe uns ein Stück „Zeitgeschich- te" vermitteln können, was hätte uns wohl die ganze Kiste bescheren kön- nen. Es fehlen vor allem die Monats- umsätze von den einzelnen Maut- stationen die Jahresumsätze und die Höhe des Pachtzinses an den Landes- fürsten, den Tscholl zu leisten hatte, und welche Stationen er gepachtet hatte. Einige interessante Details aus den Briefen: Landeck, am 29. August 1858. Geehrter Herr Franz Josef Tschohl! Adam Jehle & Comp. von Ischgl brachten im verflossenen Frühjahr un- ter 4malen 1070 Stück Schafe von Ungarn und aus der Türkei, die sie dort gekauft hatten. Bei der Anforde- run um das Weggeld bei der Weg- ei mauthstat Bruggen verweigerten sie dasselbe gänzlich. Beim 1. Trieb mit 300 Stück erhielt der Einnehmer die Antwort: sie zahlen nits, sie seien nichts schuldig, es seien Bergschafe (Alpschafe), zudem seien sie nur Trei- ber und die Käufer werden in etlichen Tagen mit einem 2. Triebe nachkom- men, man könne dann mit diesen ma- chen. Der eigentliche Käufer Adam Jehle war aber selbst heimlich dabei. Und so ließ sie der Einnehmer fahren. Er meldete mir dieses, und sagte noch dazu, man werde wohl nicht viel ma- chen können, sie sagen halt immer, es seien Bergschafe (die nur über den Sommer auf die Alm getrieben wer- den). Ich mahnte ihn, daß er den 2. Trieb nicht mehr passieren lasse. Bei dessen Ankunft schickte er mir so- gleich Bericht. Ich nahm also den Herrn Finanzwache - Postenführer mit auf Bruggen, und ließ es zu Protokoll neh- men. Der 2. Trieb waren 360 Schafe. Die ersten 300 Stück verleugnete der Jehle geradaus, aber wir überwiesen ihn sogleich. Den 3. Trieb erfuhr ich kurz vor der Ankunft. Ich ging selbst auf Bruggen. Sie brachten 300 Stück. Ich forderte selbst das Weggeld und stellte ihnen die Gründe vor, daß sie schuldig seien zu bezahlen. Allein es war alles vergebens. Ich ging nun auf Landeck zurück und meldete dem Herrn Postenführer. Dieser sagte mir bloß, es sei jetzt ganz außer der ge- wöhnlichen Amtsstunden, er könne nun jetzt nichts machen. (N. B. Er mußte einen Gerichtsadvokaten zum Namens- fest gratulieren und mit ihm Nacht essen.) Diese gewöhnlichen Amtsstun- den ein weniger in der Hitz über- legend, trat ich nun den Heimweg an und traf auf der Brücke zu einem anderen Finanzer, der wohl genug ge- trunken hatte. Dieser fragte mich, wo- hin ich noch gehe. Ich erzählte ihm dann das Ganze. Ganz zornig sagte er: Nun jetzt geh ich mit. Er nahm noch einen anderen Finanzer mit. In Bruggen angekommen sollte nun die ganze Ge- schichte zu Protokoll genommen wer- den. Der betrunkene Finanzer fing an zu diktieren, der andere mußte schrei- ben. Allein es ging nicht gut. Die Patz- nauer diktierten auch und somit brach- te der Schreiber sein Protokoll nicht gehörig vorwärts. Es wurde geschlos- sen. Ich erhielt den Auftrag, die Gen- darmen herbeizuholen. Ich schickte nun 2 Gendarmen auf Bruggen um 12 Uhr nachts und ging mit deren Erlaub- nis in mein Quartier. Dieser Vorgang wurde nun zur gesetzlichen Verhand- lung der k. k. Finanz-Bezirksdirektion in Innsbruck übergeben. Dieselbe hat nun benannten Händler als schuldig erklärt und zur Zahlung verurteilt mit dem Bemerken, daß auch ein gütlicher Vergleich mit dem Herrn Pächter nicht ausgeschlossen sei. Daher kam gestern oben .ienannter Adam Jehle und bat nJ quälte mich fast den gan- zen Tag, daß ich gütlich mit ihm ma- chen wolle. Ich berief mich nun auf Sie und sagte ihm, daß Ich ohne Ihre Einwilligung durchaus nichts tun wolle. Daher lege ich Ihnen nun diesen gan- zen Vorgang samt der Bitte des Jehle vor, um selbst das Urteil zu sprechen, was hierin zu tun sei. Wenn nicht güt- lich gemacht werden könne, so wollen die Händler den Rekurs ergreifen. Aber sie fürchten es koste viel (das letzte Blatt des Briefes fehlt). Brixen, am 1. 12. 1863. Geehrtester Vetter! So ich Dir nun das Verzeichnis der täglichen Einnah- men dir übersende mit einem beilie- genden Zettel, wo jeder Tag vorge- merkt ist. Die monatliche Einnahme ist 431 Gulden 26 Kreuzer. Die kom- menden Monate glaube ich, wird es gut gehen. Ich frage nun, ob von je- dem für die Überfahrt des Schrankens, wie z. B. Holz und Mistfuhren, die aus den Gemeinden oder aus dem Ei- gentumswald kommen, ob man einen jeden zu einem Certifikat verhalten kann, oder ob man glauben muß, was sie einem sagen, ob sie :den Mist auf den eigenen Grund führen, oder ob sie ihn gekauft oder verkauft haben. Bei Holzfuhren haben schon manche ei- nen Vorweis" aber manche auch nicht und wenn man von diesen das Certifi-. kat verlangt, so sagen sie, sie seien immer vorbeigefahren und haben nie eins gebraucht und seien immer frei gewesen. Und so von der Festung, der Ingenieurdirektor, der fährt auch oft vorbei mit 2 Pferden und der , sagt mir, er sei frei, er habe nie was bezahlt und die \Välschen haben ihn geklagt, sagten sie mir, aber sie haben nichts ausgerichtet. So dann der Festungs- kommandant, der hat bis dato immer bezahlt, wenn das Monat vorüber ge- wesen ist, aber heute sagte er mir, warum denn er nicht frei sei, denn er reise immer im Dienstweg und er habe unten sein Verpflegsmagazin, so sei er auch frei. - Aus diesem Brief geht weiters her- vor, daß der Kitzbüheler Tabakverleger Franz Josef Tscholl seinen Kollegen in Brixen und in Lienz mit Darlehen ausgeholfen habe. 3. Brief: Brixen, am 2. 3. 1855. Werthester Herr Onkel! Das geehrte Schreiben vom 18. Jänner habe ich richtig erhalten und nichts anderes darin gesehen als Zufriedenheit, wel- ches mein Wunsch war, wofür Du mich, für die Besorgung der Einnah- men, sehr gut belohnt hast, wo ich nie dies verlangt hätte und noch weiters die Anerbietung mir verhülflich zu ei- nem Geschäft zu sein. Wo ich Dir recht sehr dafür danke, und ich den Dienst so gut als möglich weiter be- sorgen werde. Nun sonsten, wie Du mir geschrieben hast, wegen dem Ver- lag in Brixen, so werden wir einmal dieses Jahr zuwarten, dann wird man es sehen, wie es beim Herrn Würbl aussieht. Ich habe mit dein Herrn Würbl gesprochen und der sagte, e wäre ihm alle Tage recht, wenn ich ihm den Verlag übernehmen würde. aber wie ich geachtet habe, so wäre es der Frau wieder nicht recht dann möchte ich nicht haben, daß man sie verstoßen würde. Und die Susanne in Lienz, diese sagt, daß sie nicht mehr gerne bleibe, aber wenn es dazu käme. daß sie fort sollte, so ging sie doch wieder nicht gerne, so daher glaube ich es ist besser, wenn man wartet, bis sie entschlossen sind und wissen, wann es ihnen recht ist und wann er den Verlag zurückgeben soll und soll er mir den Verlag abtreten, wann es mög- lich ist Die Einnahme bei der Station Bri- xen beträgt für den Monat Februar 460 Gulden und 8 Kreuzer, wo der Ausweis von Herrn Kreuter folgen wird. Es zeichnet sich unter ergebenster Vetter Fidel Tschohl. Nebst Euch alle freundschäftlich grüßend und Dankfür alles Gute. - Zur Übernahme des Verlages in Bri- xen bzw. in Lienz scheint emg nicht ge-
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