Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 11. Juni 1966 Kitzbüheler Anzeiger Seite 13 konnte in der Nr. 13 des 12. Jahrganges des „Kitzbüheler Boten" vom 27. März 1910 ein Tatsachenbericht über die e r s t e Hauptversammlung des Spar- und Vorschuß-Vereines Kitzbühel G. rn. b. H. aufgefunden werden. Diesem entnehmen wir: Am 20. März 1910 fand beim Bichi- wirt (1. Stock) die erste ordentliche Vollversammlung des Spar- und Vor- schuß-Vereins Kitzbühel statt. Der Vor- sitzende des Aufsichtsrates Dr. Hans Th a 1 e r begrüßte die Erschienenen und gab die Jahresrechnung und die Geschäftsbilanz bekannt: Einnahmen für das Jahr 1909 (in Kronen) 4.855 für fremde Gelder 3.956 Geschäftsanteile 45.972 Spareinlagen samt Zinszuschrei- bungen 60.000 Anlehen 73.336 Darlehensrückzahlungen 96.801 laufende Rechnung 122.811 Konto-Korrent 3.348 Zinsen für Darlehen 332 Zinsen für laufende Rechnung 430 Beitrittsgebühren 30 vergütete Kanzleispesen 354 Provisionen Die Au s g a b e n betreffen eine ganze Reihe Posten. Wir erwähnen 368.405 Kronen Darlehen; 400 Kronen Ent- schädigung des Zahlmeisters und 1.421.26 Kanzleispesen. Der Reingewinn betrug 19 Kronen und 2 Heller. Herr Franz S t i t z bemerkte zu die- sem Bericht, daß zu dem Reinertrag noch ein Betrag von 1.097 Kronen für den Ankauf von Einrichtungsgegen- ständen und 762 Kronen für Bücher und Stempel komme, so daß der tat- sächliche Reinertrag 1.878.69 Kronen ausmacht. Der Obmann Josef Herold gab folgenden Bericht: „Sehr geehrte Anwesende! Aus den heute gehörten Berichten haben Sie ersehen, daß wir mit unserem jungen Institute nicht die allerschlechtesten Erfolge erzielten. Mag auch der Ueber- schuß von 19 Kronen nicht besonders hoch erscheinen. Schon der Umstand, daß wir im ersten Jahr überhaupt ei- nen Ueberschuß erzielten, ist beach- tenswert. Aller Anfang ist schwer und bei der Menge schon bestehender Kas- sengeschäfte ein neues zu gründen, noch dazu, wenn die Gründung von einer P a r t e i erfolgt, gehört nicht zu den leichtesten Aufgaben. Es wird na- türlich Leute geben, die sagen, ja wenn die Sache auf Schwierigkeiten stößt, so läßt man's einfach. Diejenigen, die solche Meinungen haben, sind meistens Leute, die von heute auf morgen le- ben und denen an der Ausgestaltung ihrer Geschäfte und an der Hebung des Ortes blutwenig gelegen ist. Daß das Bestehen von Kassen für gewisse Stände ein großer Vorteil ist, bewei- sen uns am besten die in allen Ge- meinden mit ausgezeichneten Erfolgen arbeitenden Raiffeisenkassen. In den letzten Jahren wurden in vielen Orten Spar- und Vorschußvereine gegrün- det, hauptsächlich zu dem Zwecke, auch den Geschäftstreibenden die Vor- teile solcher Einrichtungen zukommen zu lassen. Daß man in Kitzbühel die Vorzüge eines solchen Instituts zu schätzen weiß, beweist die Tatsache, daß die Gründung einer solchen Kasse von zwei Seiten ziemlich gleichzeitig in Szene gesetzt wurde. Sie erinnern sich wohl, daß der kath. Meisterverein schon eine gründende Versammlung zu diesem Zwecke hatte. Unser Projekt war aber das ältere. Ich habe bekannt- lich schon vor einigen Jahren, anläß- lich der Gründung des „d. fr. B. V." - deutsch - freiheitlicher Bürgerverein Kitzbühel -‚ die Anregung zur Grün- dung eines Spar- und Vorschußvereins gemacht. Ich habe die Idee nicht mehr aus dem Auge gelassen und mich mit Herrn Siber, Schwaz, ins Einverneh- men gesetzt. Unser Verein besteht nun genau ein Jahr. Wir alle, die an der Leitung ste- hen, haben uns redlich bemüht. Es war keine leichte Aufgabe, umsomehr als die gegebenen Darlehen die ge- machten Einlagen überstiegen. Mög- lich war das nur durch teure Finanz- operationen. Da wir aber kein Institut sind, das auf Gewinn arbeitet, kom- men wir nach Möglichkeit jedem An- suchen um Darlehen nach. Daß wir die Wünsche aller unserer Mitglieder befriedigen konnten, mag ein weiterer Beweis für die Erfolge unserer Be- mühungen sein. Bei der Gründung des Vereins waren bekanntlich nur 16 Mitglieder - heute sind es 50. Durch die in letzter Zeit ziemlich starke Verbreitung von Wertpapieren, besonders solcher der Hypothekenbank, lösen wir diese Coupons für unsere Mitglieder gratis ein und verlangen von Nichtmitgliedern nur eine kleine Provision. Der Zuspruch ist ein reger. Wir besorgen auch Wertpapiere und kaufen solche zu den besten Bedingun- gen. Wir haben ferner das Inkasso der Lebensversicherung Janus übernommen, ferner übernehmen wir das Einkassie- ren von Wechseln für fremde Banken, ebenso alle Ueberweisungen an fremde Orte und Firmen, wobei uns der rege Postscheckverkehr zustat- ten kommt. Einer unserer Haupterwerbszweige dürfte auch der Geldwechsel werden. Während wir 1909 nur etwas über 4000 Kronen an fremden Geldern um- setzten, belief sich der Umsatz in den Monaten Jänner und Februar allein schon auf 25.000 Kronen. Daß es so- mit auch für den Fremdenverkehr för- dernd wirkt, ist gar keine Frage. Mit der Gründung unseres Vereins haben wir die Gründung einer Filiale einer fremden Bank hintangehaltei. - Ohne an der koulanten Geschäftsgeba- rung anderer Institute auch nur das geringste zu bemängeln, glaube ich doch, daß ein heimisches Institut für den ganzen Bezirk mehr Vorteile brin- gen kann." Herold pries weiters die Vorteile der Konto-Korrenteinlagen und fuhr fort: „Lassen Sie sich von Leuten, die an jedem was neu ist und was sie nicht verstehen, nörgeln, nicht beeinflussen. Ich für meinen Teil mache mir aus den verschiedenen Anrempelungen gar- nichts daraus. Wer aus Parteihaß über ideale Einrichtungen schimpft, ist ein minderwertiger Mensch." Am Schluß sprach Herold dem Auf- sichtsrat, der im Verlauf von dreiviertel Jahren 19 Sitzungen abhielt, seinen Dank aus, ebenso Herrn Siber aus Schwaz, der an der Gründung werk- tätigen Anteil nahm und dem anwesen- den Obmann der hiesigen Raiffeisen- kasse Herrn Obernauer für die Un- terstützung. Direktor Josef Merz for- derte die Anwesenden auf, dem Vor- stand Josef Herold, welcher in selbst- loser, tatkräftiger Weise mit Hintan- setzung eigener Interessen den Verein musterhaft leitete, den wohlverdienten Dank auszudrücken, worauf die Ver- sammlung geschlossen wurde. - Die Jahrerechnung 1913 weist be- reits 123 Mitglieder mit 123 Geschäfts- anteilen auf. Die Mitglieder hafteten einschließlich der Geschäftsanteile mit 36.900 Kronen für alle Verbindlich- keiten. Unter den Mitgliedern befan- den sich 1913 74 Handels- und Gewer- betreibende, 38 Landwirte, vier Beam- te, drei Genossenschaften, drei Vereine und eine öffentliche Anstalt. Der Um- satz betrug bereits 3,136.656 Kronen und der Reingewinn 4799 Kronen. Diese Jahresrechnung trägt folgende Unter- schriften: Josef Herold, Direktor Hans Hirnsberger, Vorstandsmitglied Dr. Hans Thaler, Vorsitzender des Aufsichtsrates Timoth Ganzer, Aufsichtsrat Josef Merz, Direktor-Stv. Im Jahre 1917 erwarb der Spar- und Vorschußverein das Ambergerhaus in der Vorderstadt und 1922 erfolgte die Umwandlung des Vereins in die Han- dels- und Gewerbebank Kitzbühel. 1923 wurde, wie bereits angegeben, Max Werner zum Vorsitzenden des Auf- sichtsrates bestellt. Im Jahre 1926 wurde Direktor Josef Herold, der sein Amt wegen Ueber- lastung gerne zurückgelegt hätte, von der Generalversammlung (10. April im Gasthof Straßhof er) zum weiteren Ver- weilen auf seinem Posten bewogen und ihm das einstimmige Vertrauen ausgesprochen. Auf der Generalversammlung vom 24. März 1927, an welcher 45 Mitglieder
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