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Von links nach rechts: Konsul I. Klasse William Weiler, Frau Franziska Embacher, Pfarrer Franz Schiefer und Willi Walstra - Photo Rolf Kriesche, St. Johann Samstag, 18. Juni 1966 Kltzbüheler Anzeiger Seite 3 Pfarrer Franz Schiefer und Frau Franzika Embucher mit dem Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes ausgezeichnet Seltene hohe Ehrung für edles und furchtloses Wirken Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes in Bonn Ritter von Le x hat mit Zustimmung der deutschen Bot- schaft in Oesterreich auf Antrag des St. Johanners Willi P. W a 1 s t r a dem Pfarrer von Waidring Geistl. Rat Franz Schiefer und Frau Franziska E rn - b a c h e r vulgo Hofinger-Franzi von St. Johann das Ehrenzeichen des Deut- schen Roten Kreuzes verliehen. Die Ubergabe dieser deutschen Auszeich- nung erfolgte am 1. Juni 1966 im Gast- hof Dampfl in St. Johann durch den Konsul 1. Klasse William W e ii e r, Lei- ter der Deutschen Botschaft in Inns bruck in Anwesenheit zahlreicher Eh- u. zw.: Bez.-Hauptm. Hofrat Jr. Hans v. Trentinaglia, Dekan Ehrendomherr Josef Ritter, Koope- rator Johann M o is e s, General der Artillerie a. D. Ritter v. Leeb, Waid- ring, LAbg. Christian H u b e r, Bgm. Georg 0 b e r 1 e i t n e r mit den Mit- gliedern des Gemeindevorstandes, Bür- germ. Josef W in k 1 e r, Waidring, eben- falls mit dem Gemeindevorstand, dem Org.-Leiter der Oesterr. Gesellschaft vom Roten Kreuz in Innsbruck Her- mann Margreiter, dem Obmann der Ortsstelle St. Johann Dr. Werner Krainz und Willi Walstra. Konsul Weiler als Vertreter der Bun- desrepublik hob in seiner Ansprache hervor, daß das Ehrenzeichen als ein Dokument Deutschlands gelten soll und als Dank für die bewiesene christ- liche Nächstenliebe an deutschen Ver- wundeten und Gefangenen in einer Zeit, in welcher Zivilcourage und Hilfs- bereitschaft selten waren und beide Länder ein furchtbares Schicksal zu erdulden hatten. Der deutsche Konsul der Bundesrepublik, durch dessen per- sönliches Erscheinen die Ehrung der beiden Persönlichkeiten einen offiziel- len Charakter erhielt, überbrachte auch die Glückwünsche des Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes in Bonn Rit- ter von Lex. Den Glückwünschen des hohen Ga- stes aus dem Nachbarland schlossen sich die Anwesenden mit Freude an. Wie kam es zu dieser Ehrung - jetzt. nach 21 Jahren? Hierüber gibt uns die Eingabe Auskunft, die Herr Wal- stra im Wege des Generals Ritter v. Leeb dem Deutschen Roten Kreuz in Bonn vorlegte. „Nach meiner schweren Verwundung am 23. April 1945 in den Kämpfen gegen die Russen in Fürstenfeld wur- de ich in ein Grazer Lazarett eingelie- fert und von dort in einem Lazarett- zug in Richtung Tirol verschickt. In St. Johann war Endstation. Unser Zug stand mehrere Tage auf dem Geleise bei Apfeldorf. Allen ging es schlecht. Bei Tag plagte uns die Hitze, in der, Nacht die Kälte, da der Strom aus- gefallen war. Es lagen viele Schwer- verletzte im Zug. (Walstra selbst lag von den Zehen bis zum Kopf in Gips und war hilflos wie ein Kind.) Damals, für die Mehrzahl von uns unbekannt, begann das segensreiche Wirken des damaligen Kooperators Schiefer. Er brachte einmal die er- sten Besuche zu uns und dann er- reichte er unsere tYbersiedlung in die Edelweißkaserne. In dieser Zeit äußer- ster Not, nach Erliegen des Ärzte- betriebes und Absetzung des Pflege- personals nach Deutschland, die be- sonders wir Schwerverwundeten zu erleiden hatten, in einer Zeit, die aus- gefüllt war mit Anschuldigungen, Straf- androhung, Kollektivschuld, seelischer Bedrängnisse und der Ungewißheit über das Schicksal der Angehörigen (und nicht nur die Sieger allein stem- pelten uns Soldaten zu Verbrechern und ehrlosen Menschen) -‚ in dieser Zeit war uns ein Mann Stütze, Hilfe und Halt: Kooperator Franz Schiefer. Wir haben ja erst im nachhinein er- fahren, wie er es fertigbrachte, uns so wirksam zu helfen, daß es eine Hilfe für Leib und Seele wurde! Er rief von der Kanzel aus und auch außerhalb des Gotteshauses die Be- wohner von St. Johann auf, oft sehr drastisch und eigenwillig. Er appel- lierte vor allem an die Saldatenmüt- ter und diese warben junge Frauen und Mädchen und es begann eine Be- treuungsaktion, welcher viele von uns ihr Leben verdanken. In Kooperator Schiefer habe ich als Protestant einen Priester kennengelernt, der nur von dem Wunsch beseelt war, zu helfen. Er kam zu uns mit einem riesigen Kof- fer und verteilte Bleistifte, Seife, Zahn- pasta, Briefpapier, Rauchwaren und Brot. Wir wußten, daß er sich bei den Amerikanern und später bei den Franzosen oft in Gefahr begab, wenn er unsere Post aus der Kaserne bzw. später aus dem SS-Lager schmuggel- te, denn er verschaffte sich auch dort Zutritt. Den Genesenden beschrieb er den Fluchtweg über die Grenze, ver- schaffte ihnen Zivilkleider und war Verbindungsmann. Er gab uns den Glauben an die Menschheit wieder, gab uns Mut und Hoffnung. Er war ruhelos und rastlos im Erfinden von Möglichkeiten, allen Kontrollen zu ent- gehen, um uns zu helfen. Er fragte nicht nach der Nationa- lität, nicht nach der Konfession, nicht nach der Partei. Sein großer Koffer und sein oft derber Zuspruch gab uns zerschlagenen und verzweifelten Men- schen sehr viel. Er war Tag und Nacht unterwegs. Segensreich baute er die Hilfsaktion der Frauen auf und schuf für jedes
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