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Samstag, 3. September 1966 Kitzbüheler Anzeiger Seite 13 Altburgermeister Johann Wieshofer, St. Johann - zum Gedenken Mit Wieshofer schied eine markante Persönlichkeit aus dem Leben. Johann Wieshofer wurde arr 8. Juli 1888 in St. Johann als Sohn des Mühlenbesit- zers, Sägewerkers und Handelsmannes Johann Wieshofer d. Ä. und dessen Gat- tin, Barbara (Tochter des Josef Walti und der Katharina Wagstätter zu Un- terstegen in Kirchdorf) geboren. Nach dem Besuch der Handelsakademie in Innsbruck und der Ableistung des Ein- jährig-Freiwilligen-Jahres bei den Ti- roler Kaiserjägern trat er in das Ge- schäft seines Vaters ein. Die im ganzen Land bekannte „Wieshofermühle", frü- her Stopfenauermühle genannt, heute die zweitgrößte Tirols, ist sein Werk. Er übernahm die Mühle nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1921 mit einem Walzenstuhl, alten Mühlsteinen und einem Mühlrad und baute sie zu einem modernen Werk aus, tatkräftig unterstützt von seiner Gattin, Elisa- beth geb. Weinberger aus Kfstein, mit welcher er am 10. Juli 1920 die Ehe schloß. Mühle und Silo wurden 1963 durch einen Großbrand schwer beschä- digt. Als der rührige Mann für immer die Augen schloß, waren alle Teile des durch den Brand beschädigten Werkes wieder aufgebaut und in Betrieb. Das früher zur Mühle gehörige Sägewerk mußte im zweiten Weltkrieg abgege- ben werden. Mit der Modernisierung der Mühle erfolgte 1924 die Errichtung eines Elektrizitätswerkes, das einige Jahre auch die Stromversorgung des Ortes zu leisten hatte. Johann Wieshofer machte in seinem Heimatort St. Johann „Skigeschichte". Er war Mitbegründer des 1908 erstan-. Photo Max Kctzler,Innsbruck; Reproduktion aus einem Gruppenbild von „Foto Egon Jelinek, St. Johann Hilscher und der Lehrer der Jodler- schule Sieber, ein gebürtiger Haller, gehörten) keinen Geringeren als den berühmten Kaukasusforscher Wily Rickmer-Rickmers. Mit dem Waidringer Photographen Sepp Kienpointner wur- den sämtliche KalksteinSkiabfahrten erforscht, in Karten eingezeichnet, mar- kiert und photographiert. Ein nun hi- storisch gewordenes Lichtbild von der Bruckwirtsalm um 1909 zeigt Johann Wieshofer mit Rickmer-Rickmers, Fritz Klausner, Ing. Lochs und den beiden ersten St.-Johanner Skirennfahrern Hans Unterrainer und Sepp Hellen- steiner. Letzterer rückte später zu den besten Skifahrern seiner Zeit auf. Die Abfahrt erfolgte über den Hohlweg nach Erpfendorf, für die damalige Zeit eine bedeutende sportliche Leistung. Die ersten St.-Johanner Skifahrer fuh- ren die Lilienfelder Technik und erst der Bäcker Wichenthaler aus Kitzbühel brachte die „Reisch-Technik" (Zwei- stockfahrer) nach St. Johann. Wieshofer betätigte sich aber auch als Bobfahrer und nahm im Dreier- und Viererbob mit Klausner und Schluif an Konkurrenzen in Kitzbühel. Kössen und Kufstein teil. Er war auch als Bergsteiger gut trainiert und gilt auch als einer der ersten Motorradfahrer von St. Johann. Als einer der ersten Kaiserjäger- offiziere wurde er zusammen mit dem Kitzbüheler Kaiserjägerleutnant und Hotelier Hugo Mamoser, Tiefenbrunner, nach Serbien einberufen. Damals gab ihm die Musikkapelle St. Johann die Ehre und geleitete ihn mit klingendem Spiel zum Bahnhof. Hugo Mamoser fand als erster Offizier der Heimat den Heldentod; Wieshofer wurde verwun- det, wurde nach seiner Genesung gegen Rußland eingesetzt und beendete den 1. Weltkrieg als Kaiserjägeroberleutnant und Träger von Tapferkeitsauszeich- nungen an der Südtiroler Front. Der Verstorbene hat sich aber auch um den Aufbau der Molkereigenossen- schaft Verdienste erworben. Darüber gibt die „Molkerei-Chronik" wie folgt Auskunft: „Der Aufsichtsrat mahnt im Mai 1931 durch Ausschluß unwilliger Mitglieder, das Vertrauen der willigen Mitglieder wieder zu festigen und drängt auf An- lage einer neuen Buchführung. Mit die- ser wurde Johann Wieshofer betraut. der sich noch langjährig um den Be- trieb verdient machte. Schon am 1. August 1931 findet der Aufsichtsrat alle Bücher geordnet, womit für die weite- ren Jahre eine nur selten zu beanstan- dende Buchführung begonnen hatte." Im Frühjahr 1935 wurde Johann Wies- hofer zum Obmann der „Sennerei" ge- wählt. Unter seiner Leitung wurde eine Butteranlage angekauft und der Lan- deskulturrat beteiligte sich mit Unter- stützung des späteren Landtagspräsi- denten Johann Obermoser mit 30 Pro- zent an den Ankaufskosten. Bezeich- nend für die wirtschaftliche Härte der damaligen Zeit ist der Beschluß des Vorstandes unter Obmann Wieshofer, Milch um 21 Groschen nach Deutsch- land auszuliefern. 18 Groschen konn- ten pro Kilogramm an die Mitglieder ausbezahlt werden, jedoch erfolgte die Auszahlung erst nach zwei „Stehmona- ten". Am 25. August 1940 legte Wies- hofer die Obmannstelle zurück. Sein Nachfolger wurde Josef Waltl, Steger- bauer, dem dann auch die Sanierung der Genossenschaft durch den Abbau des Völkerbunddarlehens gelang. Als Bürgermeister wirkte der Ver- storbene von 1938 bis 1945. Die Mit- bürger schätzten ihn in seiner schwieri- gen Amtszeit ob seiner aufrichtigen und geraden Art. Er war auch viele Jahre in der Landesinnung für das Mühlen- gewerbe tätig. Johann Wieshofer entstammte dem Geschlecht, das die berühmten Priester und Gelehrten hervorbrachte, und zwar: Simon Stephan P. Wieshofer, Doktor der Theologie, Generaldefinitor des Au- gustinerordens, Professor der hl. Schrift und der orientalischen Sprachen an der Universität Ingolstadt und Prior des
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