Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 6 K!tzbt%heter Anzeiger Samstag, 19. November 1966 neuer Situationen gewachsen sind.Wenn aber die Ausbildung nicht im Dienst der Bildung als der Herstellung der richtigen Grundbeziehung des Men- schen zu den Bereichen des Seins und zu Gott steht, erreicht sie nur die Formung des Menschen als Funktio- nen in einer Gesellschaft, niemals aber die Formung des Menschen als Person. Ich glaube, daß es mehr im Sinne der Themastellung liegt, über das Medium der Bildung, die Ausbildung, zu spre- chen. - Der Vermittler der Bildungs- güter ist die Gesellschaft: Durch di einseitige Fragerichtung ist das päda- gogische Gespräch lange auf Schule und Unterricht eingeengt geblieben. Heute können wir sagen, werden Er- ziehung und Bildung deutlicher in ih- rer ganzen Breite und Tiefe gesehen. Sie werden nicht mehr eingeengt auf Kindheit und Jugend und die „Erzie- hungsräume" Familie und Schule. Die sechs vornehmsten „Erziehungsräume" Familie, Kirche, Schule, Beruf, Frei- zeit, Gesellschaft und Staat haben ihre eigene Problematik, die je sechs Sche- men betrifft: die körperliche und ma- terielle Sicherung, Fortkommen und Sozialaufstieg, Geistesbildung, mensch- liches Zusammenleben, ethische Aus- bildung und religiöse Bindungen. Ich kann hier nur auf zwei Punkte eingehen. Das Grundproblem der Bil- dung durch die Gesellschaft ist das Fehlen eines Leitbildes, Bildungsideals, Bildungszieles oder wie immer man es nennen will. Jeder Mensch sucht nach einem Vorbild, nach dem er sein Le- ben gestalten kann. Dieses Meister-Jün- ger-Verhältnis bringt aber erst reife Frucht, wenn der Meister die Wahr- heit, die er verkündet, in überzeugen- der und liebenswerter Weise lebt und so vor dem Jünger verwirklicht und veranschaulicht. Der zweite Bildungsraum, auf den ich näher eingehen werde, ist die Schu- le. Die letzten Reste ständischer Bil- dungsprivilegien sind abgebaut und der moderne Sozialstaat erkennt die Ver- pflichtung an, jedem den Zugang zu einer seiner Begabung entsprechenden Ausbildung freizugeben und zu unter- stützen. Durch Kinderbeihilfe, Stipen- dien, Stiftungen verschiedener Kam- mern und Körperschaften und anderen Unterstützungen wird diesem Recht Rechnung getragen. Die moderne, ar- beitsteilige, differenzierte und spezia- lisierte Wirtschaft verlangt nach hoch- qualifizierten und nicht nach „hoch- geborenen" Planern und Ausführern. Es gibt kein Bildungsprivileg mehr. kein soziologisches, aber um gleich ein Beispiel zu nennen: Wie vielen Mäd- chen und Burschen wäre es versagt, zu studieren, stünde nicht in unserem Be- zirk ein Gymnasium! Wir bräuchten mehr Schulen, um für noch mehr Men- schen Arbeit zu schaffen, die sie mit Verantwortung erfüllt und befriedigt. Die Volksschule soll die grundlegen- den Kenntnisse und Fertigkeiten ver- mitteln. Die Volksschule trägt entschei- dend zur Erhaltung und Festigung der Kulturhöhe eines Volkes bei. Die quan- titative Ausweitung des Bildungs- horizontes verlangt aber auch eine er- höhte qualitative Durchdringung, Wis- senssteigerung und Vertiefung. Die her- kömmliche achtklassige Volksschule hat nicht mehr der Forderung nach ver- mehrter und vertiefter Grundbildung genügt. Wir wissen, daß die Erweite- rung durch das polytechnische Jahr mit stärkerer Ausrichtung auf den Be- ruf mit härtesten Schwierigkeiten ver- bunden ist, dem Lehrermangel, dem Platzmangel und ihrer Ursache: dem Geldmangel. Aber es schien grünes Licht! Die Hebung des Bildungsniveaus von Volks- unci Berufsschule ist auch nötig, weil das Funktionieren des ver- schränkten Wirtschaftsgefüges ganz we- Wer klug ist, jetzt an Weihnachten denkt, Spielwaren, Glas und Porzellan von B. M. Rupprecht, Kitzbtihel, schenkt. sentlich auf die reibungslose Zusam- menarbeit aller angewiesen ist. Die Berufsausbildung muß gerade diese Sei- te stärker pflegen und die in ihr lie- genden Chancen einer echten Men- schenbildung voll nützen. Noch aus einem weiteren Grund ist die Intensi- vierung der allgemeinen Volksbildung unerläßlich: Unsere demokratische Ge- sellschaftsordnung verlangt Bürger, die sich aus Verantwortungsbewußtsein ein- setzen, sich von Voreingenommenheit freimachen können, orientiert und ge- gen demagogische Parolen gefeit sind. In den Ländern der freien Welt ste- hen drängende Nachkriegsprobleme im Vordergrund: Die Notwendigkeit der Ausdehnung des Schulpflichtalters, der Bildungswettbewerb unter den Ländern, der Lehrermangel, die Begabtenauslese, Steuerung der Berufswahl im Hinblick auf den Bedarf an Spezialisten, Schul- bauten und die Verwendung von Film. Funk und Fernsehen im Unterricht. während in den Entwicklungsländern vor allem das Bestreben dahin geht, das Analphabetentum zu beseitigen. Absolventen höherer Schulen sind auf Grund ihrer Ausbildung in erster Linie dazu befähigt, in verantwortungsvollen Stellen auf allen Gebieten des geistigen. wirtschaftlichen, kulturellen und sozia- len Lebens tätig zu sein. Auf Grund ihrer Stellung üben sie auch den größ- ten Einfluß auf die Entwicklung des Volkes aus. Unter starker scheinbarer Konkurrenz von Abendgymnasien, Kol- legien, Instituten, Einrichtungen, die in kürzerer Zeit zur Reifeprüfung führen. hält das Gymnasium seine unvermin- derte Bedeutung. Sie liegt in der Breite und Tiefe der vermittelten Bildung, die als Grundlage für das akademische Stu- dium sehr wichtig ist. Somit bin ich bei den Hochschulen angekommen. Der heutige Streit um die Universitätsreform und die Bemü- hungen um das Studium generale ge- hen im Grunde darum, ob die Univer- sitäten reine Hochschulen der Berufsaus- bildung werden wollen oder ob sie zu- gleich damit noch echte Bildungsanstal- ten bleiben können, in denen nicht die Vermittlung. spezieller Berufskenntnis- se im Vordergrund steht, sondern wo im entfachten Streit um die Wahrheit eine echte Grundstellung zu den Seins- bereichen erworben wird. Eine Tren- nung von Bildung und Ausbildung wür- de das Wesen der Universität zerstören. Es muß eine Verbindung von mate- riell-formaler und „allgemeiner" Bil- dung im Leben der Universität ver- sucht werden! So sehr es gilt, daß eine von konkreter Ausbildung losgelöste „Allgemeinbildung" ein Unding ist, so- sehr muß verhindert werden, daß die Ausbildung eines Menschen in der bloßen Aneignung von Fakten besteht. Während früher die Wissenschaft mehr darauf ausgerichtet war, den ererbten Bestand von Wissen zu überliefern oder aufzunehmen, ihm für die Lehre vorzu- bereiten und systematisch zu fassen. verschob sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert der Hauptakzent auf die Forschung, auf die kritische Berufung des Uebern:ommenen und die Gewin- nung ganz neuer Erkenntnisse. Wenn in den Frühzeiten des europäischen Universitätswesens die Stätten der Wis- senschaften gegründet und unterhalten wurden, um Pfarrer. Aerzte, Lehrer. Richter und Beamte heranzubilden, so fällt den Hochschulen jetzt auch die Aufgabe zu, für die zahlreichen wis- senschaftlichen Berufe vorzubereiten, deren Wirtschaft und Gesellschaft be- dürfen. Mathematiker, Wirtschaftswis- senschaftler, Naturwissenschaftler, Tech- niker und Juristen werden in steigen- dem Maß gebraucht. Ueberall wird zwar die Notwendigkeit erkannt, die Hochschulen auszubauen und zu mo- dernisieren, die Lehrkörper den Stu- dentenzahlen gemäß zu vergrößern, die Studienordnung zu überprüfen, die Stellung der Hochschulen in Stadt und Gesellschaft zu bestimmen. Die öffentlichen Ausgaben wachsen auch schnell, aber sind sie genug, uni Oesterreichs Großmachtstellung in Wis- senschaft und Kultur zu behaupten? Moderne Wissenschaft ist angewiesen auf komplizierte Methoden, auf kost- spielige Apparaturen, in vielen Fächern auf einen hochspezialisierten Mitarbei- terstab. Besonders bedeutungsvoll ist auch die Möglichkeit einer schnellen Informierung über die internationale Forschung. Wissenschaftliche Lehre muß eine große Spannweite haben und von den frühen Stufen der Elementarlehre bis zu den fortgeschrittensten Studien reichen. Es sind also größere finanzielle Aufwendungen erforderlich, als man noch vor 50 Jahren ahnen konnte.
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