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Samstag, 10. Dezember 1966 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 Von der Kitzbüheler B00 ürgermusik (Aus „Kitzbüheler Nachrichten" vom 20. Februar 1937) Vom „auf und ab" des ältesten Vereins unserer Stadt Die Stadtmusik Kitzbühel, die heuer beim Cäcilienkonzert am 10. Dezember 1966 in der „Tenne" Guido Reisch das Fest des 100jährigen Bestehens feiert, ist der älteste Verein im Sinne des Vereinsgesetzes. Freilich bestand schon früher eine Bürgermusik wie auch eine Knappenmusik oder eine Schützenmu- sik. Ebenfalls bestand die Schützen- kompanie bzw. eine Schützengilde, eine Stadtfeuerwehr sowie Bruderschaften und Handwerksinnungen. Den Charak- ter eines Vereins besaßen diese Institu- tionen noch nicht. In dieser Hinsicht ging die Stadtmusik in Kitzbühel mit gutem Beispiel voran; gefolgt vom Turnverein, welcher in zwei Jahren die „Hundertjahrfeier" begehen wird. Um Kapellmeister Anton Ro t h b a - c her, welcher von 1890 bis 1936 Diri- gent der Stadtmusik war, gehen eine Reihe von lustigen Anekdoten um. Es gab aber auch Differenzen und so trug es sich zu, daß in einigen Saisonen vor dem zweiten Weltkrieg die Stadtmusik von Zell am See zur Abhaltung der sommerlichen Platzkonzerte verpflich- tet werden mußte, da die Stadtmusik Kitzbühel unter der Führung von Ka- peLmeister Anton Rothbacher regel- recht streikte. Einen Teil „Musikgeschichte" enthält nachstehende „Leserzuschrift" aus dem Jahr 1937 (wie es hieß, von einem al- ten Musiker), der wir hier Raum geben: „Seit einigen Wochen hört man in unserem Städtchen, daß zwischen den Musikern und deren Kapellmeister ge- ringfügige Differenzen herrschen sollen, ohne jedoch den wirklichen Grund hie- für zu wissen oder zu erfahren. Man hört wohl, daß vor dem Cäcilienkonzert (1936) die Musikproben schlecht besucht wurden und es Herrn Ehrenkapellmei- ster Anton Rothbacher sen. verleidete, da das Konzert vor der Tür stand und es wohl begreiflich ist, daß hiezu Pro- ben sehr notwendig sind. Ungeachtet dieses Umstandes wurde das genannte Konzert abgehalten und haben die Lei- stungen, wie immer, volles Lob gezei- tigt. Trotzdem aber scheint es, daß die Stimmung der Genannten nicht wie- der, wie früher, einig geworden wäre. Es wurde somit im CaM Bliem (heute Alt Kitzbühel) eine außerordentliche Generalversammlung des Musikvereins einberufen, welche den Zweck hatte. zwischen den Musikern und ihrem Ka- pellmeister eine Einigung wieder her- zustellen, was leider nicht gelungen ist. weil diese Versammlung von letzterem nicht und von den Musikern schlecht besucht war. Es ist wohl eine alte Tatsache, daß es für einen Kapellmeister zum Tod- ärgern ist, wenn die Proben nicht voll- zählig und pünktlich oder gar schlecht besucht werden, wenn der Kapellmei- ster auf einer mustergültigen, exakten Aufführung eines Konzerts besteht, was bei Herrn Rothbacher bekanntlich mit Ehrgeiz stets der Fall war. Es muß aber anderseits auch in Betracht gezo- gen werden, daß gerade in Kitzbühel, insbesondere im Winter, viele Musiker als Skilehrer. Skiführer und derglei- chen beschäftigt sind und dadurch ihr Brot zu verdienen in der Lage sind. nachdem hier keine Industrie besteht und nicht Musiker in den vielen vor- handenen Aemtern Anstellung finden wie andernorts, und deshalb Musikpro- ben versäumt werden müssen. Wenn beide Umstände in Betracht gezogen werden würden, müßte man doch glau- ben, daß dieses kleine Hindernis zwi- schen den Musikern und ihrem Kapell- meister leicht zu beseitigen wäre, und dies schon im Interesse der Bevölke- rung, weil dieselbe stets auf unsere Musik stolz war und immer volles Lob für ihre Leistungen gefunden hat. Die Bürgermusik besteht wohl trotz- dem, jedoch ohne einen aktiven Ka- pellmeister. Allgemein ist deshalb der Wunsch, daß zwischen den Genannten baldmöglichst eine Einigung herbeige- führt wird und Herr Rothbacher wie- der seine Stelle übernimmt. Herr Eh- renkapellmeister Rothbacher ist seit seiner frühesten Jugend eifriger Mu- siker. Er hat alles, was er bis heute geleistet, aus „Eigenem", aus sich selbst erlernt und ist seit dem Jahr 1890 un- unterbrochen Kapellmeister der Bür- germusik. Dieselbe besteht seit jener Zeit aus 98 Prozent seiner eigenen. von Anfang an von ihm selbst aus- gebildeten Musikern. Auch heute sind nur fünf von den 34 Mann bei dersel- ben, die nicht seine Schüler waren Auch ist bekannt, daß aus seinen Schü- lern mehrere ausgezeichnete Musiker wurden, weiche als solche bestens be- kannt sind. Wegen der Länge der Zeit als Kapellmeister dürfte es Herrn Roth- bacher wohl am Ende selbst nicht erinnerlich sein, wieviele Schüler für Blech-, Streichmusik und Gesang (ein- schließlich Chormusik) er ausgebildet hat. Welche Mühe, Geduld und Plage fis dies erforderlich hat, ist begreiflich, weshalb solche Arbeit nicht vergessen werden darf. Es ist wohl richtig, daß Herr Roth- bacher ein paarmal schon müde war und seine Stelle zurücklegen wollte. jedoch immer wieder konnte er sich entschließen, die Funktion wieder wei- terzuführen. Warum sollte das diesmal nicht auch der Fall sein? So geschah es auch anfangs der neun- ziger Jahre, daß Herr Rothbacher die Stelle wieder einmal zurücklegte. Da hatte er sich aber gründlich getäuscht: denn seine Musikkameraden brachten ihm abends vor seinem Haus ein Ständ- chen dar und überreichten ihm eine schöne Erinnerungstafel mit einem Vers darauf. Dieser Vers war mit glänzenden Viertelguldenstücken umrahmt. Der treffliche Vers stammte vom heutigen Bürgermeister (1936) Herrn Komm.-Rat Josef Herold, der in den neunziger Jahren B-Klarinette blies, und lautete: Bleibe was Du früher warst, Meister Deiner Bande; mit Deiner Hilfe blasen wir die andern all zur Schande. Herr Rothbacher hatte darüber große Freude und weiter ging's wieder." - Diese Leserzuschrift wurde von der Stadtmusik jedoch als unerwünschte Einmischung aufgefaßt, denn schon in der nächsten Ausgabe kam die „Ent- gegnung": „Von der Kitzbüheler Bürgermusik" Unter diesem Titel war in der letz- ten Nummer der „Kitzbüheler Nach- richten" ein Artikel erschienen, der von uns aktiven Mitgliedern der Bürger- musik natürlich mit größtem Interesse gelesen wurde, da wir jedoch ohne Rat. betroffen von allen Mißgeschicken, da- stehen, wir, eine Herde verlorener Schafe. Neuzeit, Rekordzeit, Existenz- kampf - können wir da noch mit! Unser Ehrenkapellmeister Rothbacher hat sicher bewußt seine Stelle als Ka- pellmeister niedergelegt. Eine junge, tüchtige Kraft als Ersatz ist unser, aller Bürgermusikanten Wunsch. Daher auch der Antrag an die Stadtgemeinde und die Ausschreibung der Stelle eines Ka- pellmeisters, ungeachtet der Wünsche der in dieser Angelegenheit unrichtig Informierten. Vorläufig sind wir mit unserem ta- lentierten provisorischen Kapellmeister zufrieden und lassen ihn etwas sein!
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