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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 17. Dezember 1966 so sonnigen Riviera entlang, den einzi- gen „Schneetag" in zehn Jahren zu er- wischen, wickelte sich in der Chef- redaktion der Pariser „L'Equipe" - dessen Reporterstab ich angehöre - die alltägliche Konferenz ab. Im Büro von Gaston Meyer waren alle Resort- chefs versammelt. Auch Direktor Jacques G o d d e t nimmt an dieser Konferenz teil. Fußball, Rugy, Radsport und Boxen bilden täglich die großen Brocken. „Und was ist mit dem Skirennsport los?", fragte Jacques Goddet. „Lang ist unterwegs zu den französischen Mei- sterschaften", stellte Gaston Meyer fest. „Nun dauert aber doch die Saison schon bald fünf Wochen, ein Rennen jagt das andere und noch nie haben wir fest- gehalten, wer denn nun eigentlich der Beste von allen ist. Das ist ja wie wenn wir die Tour de France 23 Tage lang durch Frankreich rollen ließen, 23 Tagessieger, aber nicht fortlaufend den Gesamtbesten errechnen würden. Das sportlich-tragende Rückgrat fehlt die- sem Sport." Als ich abends in irgendwo die Zei- tung anrief, zitierte mir ein Kollege die Bemerkung von Jacques Goddet und fügte hinzu: „Wir haben so eine Klas- sierung nach dem Prizip der Leicht- athletik gemacht." Ich war bis dahin kein Freund sol- cher Ranglisten. Diese wurden ja seit Jahren von verschiedenen Kollegen er- stellt. Keine war in der Tat objektiv. Sie wurden ja erst Ende der Saison ausgerechnet. Der Schlüssel, das Punkte- system, ja, selbst die Auswahl der Ren- nen unterschieden vom einen zum an- dern. Es brauchte da nur eine Nuance, um jenen zum Rangersten zu küren, der dem Land, in dem die Rangliste zu erscheinen hatte, am nächsten stand. Keine Bestenliste glich der anderen. Hinzu kam noch ein weiteres Moment: nach allen den Systemen konnte es sehr wohl passieren, daß ein Läufer mit vie- len mittelguten Resultaten, die er mit ameisenhafter Geduld den Winter hin- durch angeschafft hatte, den brillante- ren Spitzenfahrer, der jedoch weniger Rennen bestritten hatte, glatt abhängen konnte... In der Tour fiel die Entscheidung Der gegenüber dem alpinen Skirenn- spart von Jacques Goddet gemachte Einwand war aber dennoch nicht von der Hand zu weisen. Gerade ihm, den Fernbetrachter, war die große Schwä- che der Struktur dieses Sports, der viele Sieger besaß, aber nur selten ei- nen undiskutablen Weltbesten, sofort aufgefallen. Anderthalb Jahre später, vor dem Start einer Etappe der Tour de France, fiel die Entscheidung: „Kommende Saison", sagte mir Jacques Goddet, der ja bekanntlich alljährlich •auch als Rennleiter das Kommando seiner Rundfahrt über- nimmt, „lancieren wir eine laufende Klassierung der besten alpinen Läu- fer und Läuferinnen. Arbeiten Sie den Plan aus." Das erste Projekt wurde noch wäh- rend der Tour geboren. Ich muß geste- hen, daß es gegenüber den vorjährigen Ranglisten nur eine Originalität auf- zuweisen hatte: Die berücksichtigten Rennen wurden nicht nachträglich „aus- gewählt", sondern sollten von vorne- herein bekanntgegeben werden. Dann begannen die Sitzungen, zu- nächst erst auf französischer Verbands- ebene. Ein von Honore Bonnet gemachter Einwand brachte in seiner Konsequenz eine sensationelle Wendung: „Etwas paßt mir nicht in diesem Plan", sagte er zu mir, „ein Punkt, der gegen die von mir festgelegte Linie verstößt. Ich will immer die Möglichkeit haben, für einen Teil meines Teams eine Ruhe- pause einzuschalten. Auf Ihrem Plan stehen jedoch fünf Abfahrtsläufe, fünf bis sechs Slalom- und Riesensialom- prüfungen. Ist nun einmal einer mei- ner Läufer oder eine meiner Läuferin- nen an der Spitze oder in aussichtsrei- cher Position, so wird weitergemacht werden wollen, um Punkte zu sammeln. Es muß etwas ins Reglement hinein, das einem Läufer ermöglicht, einen Teil der Rennen auszulassen, wenn er oder sein sportlicher Leiter es für notwen- dig erachtet. Aber wie . . ' Das,,Ei des Kolumbus" am' Mittelmeer Ja ... aber wie. Das war ein böser Strich durch meine Rechnung. Ich über- legte mir, was zu machen war. Mitte Oktober fuhr ich von Boulouris ans Mittelmeer, wo unter der Leitung von Honore Bonnet der erste Konditions- rg Sporthotel Reisch mit Hausbar Restaurant ab 18. Dezember Gärkeller ab 20. Dezember wiedergeöffnet Allen verehrten Gästen gesegnete Weihnachten und ein Prosit 1967 kurs stattfand. Zusammen mit ihm und den beiden Trainern Jean Beranger und Rene 5 u 1 p i ce trafen wir uns in einem Caf, das in den Strand hinaus- gebaut war. Herrlich duftete ein in Fenchel grillierter „Loup". Und nun fand ich auch plötzlich die Lösung, die nicht nur den Einwand Bonnets zer- streute, sondern gleichzeitig der ganzen Prüfung ein neues, viel attraktiveres Gesicht verleihen sollte. - „Wir machen das so", sagte ich. ein Glas in der Hand, „gerechnet wer- den von jedem Bewerb nur je die drei besten Läufe." - „So muß es sein", sagte Bonnet. So mußte es tatsächlich sein, denn mit dieser Wendung hatten wir ein doppel- tes Ziel erreicht: -. die Läufer wurden nicht in eine Tretmühle gesteckt - der Gesamtsieg hing nicht von der Totalisierung vieler mittelguter, sondern nur von der Auswahl von drei Spitzenresultaten in jedem der drei al- pinen Bewerbe ab. Hinzu kam noch, daß mit dieser For- mel nur ein Läufer den Gesamtsieg davontragen konnte, der befähigt ist. in allen drei alpinen Sparten Spitzen- resultate herauszufahren. Diese Klassierung beschränkte sich auf europäische Rennen und wurde „Eu- ropa-Cup" genannt. Gesamtsieger wur- den nach dem Arlberg-Kandahar-Ren- nen in. Mürren Karl S c h r a n z und Marielle G i t s c hei. Sie waren auch diskussionslos die Weltbesten gewesen. „Welt-Cu p",1 entstand in Kitzbühel Die erste europäische Klassierung war noch nicht zu Ende, da hatte die weitere Zukunft bereits begonnen. Bob B e a t t i c, Chef-Coach des amerikani- schen Teams, war mit dem festen Vor- satz nach Europa gekommen, FIS-Prä- sident Marc H o dl e r für die Idee einer alljährlichen Weltmeisterschaft zu gewinnen. In K lt z b ü hei sollte die Zusammenkunft stattfinden. „Schon recht, sagte ich Bob, aber nur auf der Basis der Klassierung nach Rang- punkten, auf verschiedenen Rennen ausgedehnt." Dabei erklärte ich ihm. was hier im Gange war. Der Zufall wollte es, daß Bill Kidd nach drei Rennen an der Spitze lag. Bob war be- geistert. In Kitzbühel schwärmte er bei Marc Hodler von den „World S e ne s". In Portillo wurde das Reglement von Europa auf die USA ausgedehnt und es zählen kommende Saison praktisch alle Rennen, welche von den Amerika- nern und Kanadiern in Europa, und von den besten Europäern in den USA bestritten werden. Das Punktesystem wurde gegenüber dem Vorjahr leicht abgeändert, wobei jedoch die Grund- regel, z wonach in jedem der drei a-1-
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