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Seite 10 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 18. März 1967 Elterntag iir nWeitau Am Sonntag, 5. März 1967 wurde an der Landw. Haushaltungsschu1e Weitau in St. Johann der Elterntag gefeiert. Wie immer war es ein Festtag für die Schule und alle anwesenden Eltern - ein Tag des gemeinsamen Erlebens einer großen Familie. Der gemeinsame Gottesdienst wurde in der altehrwürdigen Kirche zum Hl. Nikolaus zu Spital auf der Weitau ge- feiert - wirklich gefeiert, da alle mit- beten und mitsingen konnten und da- zu auch bereit waren. Benefiziat Prof. Johann S t r a s s e r, der Kaplan der Schule, hielt eine er- greifende Predigt zum Anliegen: Krisen- feste Familien! Jede Zeit bringt ihre Probleme und Krisen mit sich. Diese Probleme und Krisen sammeln sich in der Familie, der Kernzelle eines Volkes, wie in einem Brennspiegel. In der Familie werden die allgemeinen Probleme im- mer ganz persönlich empfunden, hier gehen sie einem unmittelbar auf die Haut. - Was sind nun einige aktuelle Probleme unserer Zeit? Der Mensch von heute ist weitgehend autoritätsfeindlich geworden. Autoritä- ten, sei es in der Staatsführung, sei es in der Kirche, sei es in der Familie, werden heute von vielen nicht mehr anerkannt. Viele Menschen blicken heute nur noch zu Sporthelden, Boxern, Filmgrößen, Schlagerstars und Sprüche- reißern auf. Alles andere wird dauernd mit der Lauge der Kritik und des Bes- serwissens übergossen. Die Eltern tun das an Staat und Kirche - und die Kinder tun es zwangsläufig an ihren Lehrern und an den Eltern. Der Mensch von heute ist weit- gehend bindungsfeindlich geworden. Nur keine Verpflichtungen! Zum min- desten dort keine Verpflichtung, wo eine Weigerung nicht gefährlich ist. Das Wort „liberal" wird heute groß geschrieben. Man tut, was man für richtig empfindet. Die Bindungsfeindlichkeit des Men- schen von heute schlägt bis in die Familie hinein. Der Vater tut, was er will; die Kinder tun, was sie wollen. Nur von der Mutter erwartet man sich. daß sie tut, was die anderen wollen. Ist es zu verwundern, daß auch viele Frauen und Mütter tun, was sie wollen und dadurch die Familie vernachläs- sigen? Der bindungsfeindliche Mensch hat allerdings auch Bindungen. Aber er merkt es nicht. Seine Weisheit holt er sich aus Illustrierten und Magazinen, seine Kultur empfängt er aus dem Radio und vom Fernsehen, sein Lebens- stil wird geformt von der Reklame und von der Tagesmode. Nie war der Mensch so unbewußt gebunden wie heute. Und wenn es gefährlich wird, dann geht er bedenkenlos alle Bindun- gen ein, um seine vermeintliche Wohl- fahrt zu retten. Dann hebt er die Hand und ballt die Faust. Dann bekennt er sich zur Unfehlbarkeit einer Partei und marschiert in Reih' und Glied. auch wenn der Weg in sein Verderben führt. Der Mensch von heute ist opfer- scheu geworden. Die Parole lautet: Noch mehr haben an Besitz, an Lebensgenuß! Lieber macht man Schulden und stottert sie in Raten ab, als auf etwas zu verzich- ten. Die Opferscheu äußert sich in der Kinderscheu. Unsere Großeltern und Eltern haben mit einem Bruchteil des heutigen Einkommens und ohne Kin- derbeihilfe eine Stube voll Kinder großgezogen und es sind tüchtige Men- sehen daraus geworden. - Und heute? Die Opferscheu äußert sich auch im Nachwuchsmangel bei jenen Berufen. die Opferbereitschaft und Idealismus verlangen. Was nützen neue und immer größere Krankenhäuser, was nützen neue und moderne Altersheime, wenn in einigen Jahrzehnten nicht mehr ge- nügend Klosterfrauen und Personal vorhanden sein werden, die dort die Kranken und Alten pflegen? Ist da- mit behauptet, daß es heutzutage keine guten Familien mehr gibt? Durchaus nein! Sicher gibt es viele junge Ehen und Familien, an denen Gott seine Freude haben kann. Es galt nur auf- zuzeigen, daß jede Zeit ihre Probleme und Krisen hat, die tief in die Fami- lie hineinreichen und daß jede Zeit eben mit diesen Problemen und Kri- sen fertig werden muß. Abschließend sagte Prof. Strasser: ..Ich darf hinweisen auf jene Familie, die wir die „Heilige" nennen. Von ihr steht im Evangelium geschrieben: ‚Sie zogen hinauf nach Jerusalem'. Das Je- rusalem der christlichen Familie ist heute der Herrgottswinkel, die Pfarr- kirche, die Kommunionbank. Familien, die nach diesem Jerusalem hinaufzie- hen, sind krisenfest. Das heißt nicht, daß sie von Krisen völlig verschont bleiben. Das will aber heißen, daß sie die Krisen durchstehen und überste- hen werden." Bei der anschließenden Elternfeier in der Haushaltungsschule konnte Di- rektor Dipl.-Tng. Ludwig Partl neben den Eltern der Schülerinnen auch eini- ge Gäste begrüßen: Hofrat Dipl.-Ing. Widner, Präsident Komm.-Rat Ober- moser, Landesbäuerjn Anna Re- ehe n b e r g er, Bezirksobmann Ök.-Rat Man z 1 mit Frau und Insp. Simon Wörgartner. In seinem Bericht sprach Direktrr Partl über die Aufgaben und Ziele der Ausbildung und Bildung an der Schule und gab einen klaren Ueberblick über das Bemühen um den jungen Men- schen. Ein echtes Vertrauen muß be- stehen, wenn Eltern das Kind so lange jemandem ganz anvertrauen. Beim Elterntag bietet sich eingehend Ge- legenheit zu überprüfen, ob dieser Ver- trauensvorschuß zu Recht gegeben wurde. Die Schülerinnen werden aus- gebildet in allen Fragen des fachlichen und allgemeinen Wissens und Könnens. Sie werden darüber hinaus aber gebil- det zu wertvollen Menschen, die ein klares Urteil finden zu den Anliegen und Problemen der Zeit und bereit sind, Verantwortung dort zu tragen, wo sie einmal stehen werden. Wie sehr die Schule Weitau einen starken Rückhalt in den Bezirken Kitz- bühel und Kufstein hat, geht schon allein daraus hervor, daß für die 36 Plätze der Schule für das laufende Schuljahr insgesamt 60 Anmeldungen vorlagen. Für das Schuljahr 1967-68 wurden bis zum Elterntag bereits wie- der 23 Anmeldungen vorgelegt. Dar- aus spricht eine positive Bildungs- bereitschaft der Eltern und der Jugend, die große Anerkennung verdient. Dieser starke Andrang zur Schule ist aber sicher auch ein Zeichen dafür, daß Direktion und Lehrkräfte in der Schule und im Internat den für die Jugend richtigen Ton treffen. Direktor Dipl.-Ing. Partl schloß sei- nen Bericht mit einem aufrichtigen Dank an das Land Tirol für den Aus- bau und die Ausgestaltung der Schule. Sein Dank galt weiters der Landwirt- schaftskammer für die fruchtbrin- gende Zusammenarbeit zum Wohle der bäuerlichen Jugend. Im besonderen dankte er den Lehrkräften für ihre Arbeit und ihre Mitverantwortung bei Bewältigung dieser Bildungsaufgabe. Im Anschluß an den Bericht des Di- rektors spielten die Schülerinnen mit viel Geschick das „Rumpelstilzchen" für ihre Eltern. Der anerkennende. Applaus belohnte sie für die viele Arbeit beim Einstudieren der Rollen. Hofrat Dipl.-Ing. W i d n e r überbrach- te die Grüße des Herrn Landeshaupt- mannes Walinöf er an die Eltern und die Schule. Er sprach von der so ziel- führenden Einrichtung des Elterntages. die das Vertrauen zwischen Eltern und Schule zum Wohle beider vertieft. Un- sere Landw. Lehranstalten sind Stätten der Bildung u n d Erziehung und dazu leistet die ‚Weitau" einen vorbildlichen Beitrag. Neben anderem wird hier Be- rufsfreude und echte Berufsgesinnung vermittelt. Der Direktion und den Lehrkräften dankte er in bewegten Worten Präsident Komm-Rat 0 b e r m o s e r beglückwünsehte die Schule zu den Erfolgen und dem so positiven Echo im Bezirk. Dies freut alle jene beson- ders. die sich um die Errichtung die- ser Schule hier in Weitau so sehr be- mühten. Die Schülerinnen ermahnte er,
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