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Seite 2 K.itzbüheler Anzeiger Samstag, 29. April 1967 Aufsehenerregende Rede des Landeshaupt- manns in St. Johann zur Südtirolfrage und zu wirtschaftlichen Problemen Am 18. April 1967 fand im CaM Post in St. Johann eine Bauernbundver- sammlung statt, auf welcher Landes- hauptmann Eduard Wailnöf er das Hauptreferat hielt. Nach aufklärenden Worten über die politische Lage wandte er sich anderen Problemen zu und zwar: Zur Frage Südtirol: Auf Grund der Nichteinhaltung des Gruber-Degasperi-Abkommens hat Süd- tirol eine sehr schlechte und nachteilige Entwicklung durchmachen müssen. Die Italienisierung hat schon ein bedenk- liches Ausmaß angenommen, und es mußte etwas für unsere Landsleute im Süden gemacht werden. Es ist auch schon sehr viel getan und es sind große Fortschritte dabei erzielt worden, wenn wir an die durch jahrelange Verhand- lungen erreichten und von Rom ver- sprochenen Zugeständnisse denken. Um nur einige zu nennen: die Zuerkennung der Schulverwaltung, damit Sicherung der deutschen Schule. Diese Zugeständ- nisse auf dem Schulsektor sind zufrie- denstellend, auch für die Ladiner. Die Arbeitsvermittlung ist nicht mehr aus- schließlich in italienischen Händen. Die deutsche Sprache wird gleichgestellt, ein Südtiroler kann vor Gericht z. B. deutsch sprechen, er kann sein Testa- ment in deutscher Sprache abfassen. Der ethnische Proporz ermöglicht auch den Südtirolern die Berufslaufbahn bei Post, Eisenbahn, Gendarmerie, wie über- haupt in der Staatsverwaltung. Der Gemeindesekretär soll kein Staats- kommissär mehr sein und ein Ge- meinderatsbeschluß soll nicht mehr von der Willkür eines italienischen Ge- meindesekretärs abhängig sein. Die Land- und Forstwirtschaft, der Straßen- bau, der Schulbau, der Wasserbau usw. kommen in die Kompetenz von Bozen. Das sind nur einige Beispiele von dem bisher Erreichten und man kann sagen, daß die Südtiroler damit einverstanden und zufrieden sind. An eine Trennung von Bozen und Trient ist nicht mehr gedacht. Um was es jetzt in der End- phase der Verhandlungen geht, das ist, dem Geist des Abkommens zum Durch- bruch zu verhelfen und nicht nur dem buchstabengetreuen Wortlaut. Der ge- genseitige Wille ist ausschlaggebend. Daher tritt jetzt die Frage der Ver- ankerung des Erreichten in den Vor- dergrund. Das heißt, man will eine Garantie, daß diese Zusagen auch er- füllt werden, man will eine Kontrolle, ob das, was versprochen wurde, auch sinngemäß eingehalten wird. Man denkt hier an den Internationalen Gerichts- hof in Den Haag. Der endgültige Abschluß erfolgt dann durch eine Streitbeilegungserklärung bei der UNO, wenn alles beigelegt ist. Durch ein neues Regionalstatut und durch eine entsprechende Erklärung der Oesterreichischen Regierung würde die Angelegehneit dann erledigt. Die- ser Weg läßt uns die Möglichkeit offen, wieder zur UNO gehen zu können und dort zu sagen, daß nicht alles eingehal- ten wurde. Wir brauchen also ein Kontrollorgan für die Durchführung mit der Möglichkeit der Einklagung. wobei ein Schiedsgericht entscheidet. ob die gemachten Zusagen durch- geführt wurden oder nicht. Die letzten Beratungen von Samstag und Sonntag, 15. und 16. April 1967, in Innsbruck zeigten einen gewissen Licht- punkt. Wir in Tirol und Oesterreich und die Südtiroler wissen genau was wir wollen. In den nächsten Tagen wird ein neues Angebot nach Rom gehen. Wir glauben, daß wir nicht unverschämt waren und wir glauben, wenn Italien den guten Willen hat, dann muß es weiter verhandeln. Wenn alles unter Dach und Fach ist, werden mir aber trotzdem wieder Vorwürfe gemacht werden und manche werden mich als Verräter kennzeich- nen, weil die Brennergrenze noch vor- handen ist. Aber wir dürfen uns das Tor nicht verbauen und müssen uns sichern, daß wir uns auch später an andere Instanzen wenden können. Sorgen im Land Tirol: Für die Hochwasserschäden in Ost- tirol wurden schon ungeheuere Mittel aufgewendet und trotzdem findet man heute immer noch viele Katastrophen- schäden. Die Verbauung der Flüsse und Wildbäche kostet immenses Geld und wenn wir heute durch das Land fahren, sehen wir kaum etwas von dem, was geschehen ist. Die Drauverbauung kostete allein 215 Millionen, dazu kommen noch viele Bäche. Auch in Nordtirol haben wir einige große Pro- bleme auf diesem Gebiet. Die Achen- verbauung in Weer und Wattens, in Pettneu, die Innverbauung, um nur die wichtigsten zu nennen. Die Tiroler Be- völkerung hat Gott sei Dank sehr viel gespendet und vom Bund und Land kommen auch ansehnliche Beträge. Und das wird noch Jahre weitergehen müssen, denn es wird noch Jahre dauern, bis alle Wunden geheilt sind. Wir haben vorläufig nur die Hoffnung. daß keine großen Unwetterschäden mehr eintreten werden, die das Be- gonnene wieder zerstören. Unser Ge- birgsland ist ein schönes Land, es kostet aber in seiner Pflege auch sehr viel Geld. Ein besonderes Problem für uns sind die Straßen. Die Schweiz unter- nimmt bekanntlich alle Anstrengungen, den Nord—Südverkehr durch ihr Land zu führen und hat zu diesem Zweck schon große Projekte fertiggestellt und noch weitere in Planung. Damit würde das Fremdenverkehrsland Tirol ab- geschnitten und umfahren. Unser Straßenproblem ist also ein Fremden- verkehrsproblem und somit ein Lebens- problem. Es ist daher in unserer Zeit ein dringendes Gebot der Stunde. Die Brennerautobahn von Kufstein über den Brenner und weiter nach Süden ist eine Angelegenheit des ganzen Landes Tirol und nicht nur für einen Teil. Die Nord—Südverbindung muß gepflegt werden und in dieser Linie BOUTIQUE TYROL BRAUTKLEI DER liegt auch die Felbertauernstraße als Verbindung nach Süden. Es gilt zu ver- hindern, daß es zum Autobahnbau Mailand über die Schweiz nach dem süddeutschen Raum kommt. Tirol mußte immer und muß heute noch vom Verkehr leben. Bildungsprogramm: Jeder Bezirk soll eine Mittelschule haben, dazu aber brauchen wir auch berufsbildende Schulen, denn das Hand- werk hat bei uns immer noch einen goldenen Boden. Die Technische Hoch- schule in Innsbruck trägt auch ihren Teil dazu bei. Ein vereinigtes Europa wird früher oder später einmal kommen und dann sollen die Leute in Tirol genauso ausgebildet sein. An Tüchtig- keit und Fleiß fehlt es nicht, wir müssen ihnen nur schulische Bildungs- möglichkeiten schaffen. Forschung und Bildung müssen unbedingt Vorrang haben. Wirtschaftliche Probleme: In der wirtschaftlichen Entwicklung wachsen die Bäume nicht in den Him- mel. Man kämpft heute um die Ge- sundung der Wirtschaft. Auch in Tirol sind Schwächeanzeichen vorhanden und es mußten Betriebe geschlossen wer- den und noch manche werden folgen. Aber man muß noch keine ernsten Be- denken haben. Besonders gefährdet sind die Kohlengebiete in Oesterreich. die Eisen- und Stahlindustrie ist fast zu hoch gezüchtet. Seit einiger Zeit ist auch augenfällig, daß z. B. die Post, die Bahn, die Gendarmerie leichter Nachswuchskräfte bekommen als etwa noch vor einem halben Jahr. Was wir aber immer und vor allem brauchen. ist ein tüchtiger Bauernstand. Land- wirtschaftliche Schulen sind nicht um- sonst und wenn wir sie nicht schon hätten, so müßten wir sie schleunigst bauen. Die Vielfalt der landwirtschaft- lichen Probleme nimmt immer zu und
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