Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 20. Mai 1967 K.itzbüheler Anzeiger Seite 3 Als die Franzosen und Bayern nach besonders das Lied der heiligen Christ- etwas anderes trinken durfte als Was- dem für die Tiroler unglücklichen Aus- gang der Kämpfe beim Grattenbichl (in der Nähe von Wörgl) innaufwärts mar- schierten, beunruhigten die wackeren Breitenbacher Schützen durch Schüsse über den Inn deren Vormarsch. Die feindlichen Truppen ließen sich dies nicht gefallen, drangen in Breitenbach ein und nahmen den Pfarrer und Schulmeister als Geiseln gefangen, die sie am rechten Innufer unter Bewa- chung aufstellten und denen sie droh- ten, sie sofort zu erschießen, wenn sich ein Schuß von Breitenbach über den Inn verirre. Bei diesem für die beiden und für die Breitenbacher sehr pein- lichen Ereignis wurde den zwei Geiseln das Nationale abverlangt. Silvester Schiechtle wußte aus Erfahrung, er war nämlich als Händler im Neben- beruf viel in Schwaben herumgekom- men, daß es dort viele Namen mit der Endung -le gibt. Er befürchtete daher, daß man ihn auf Grund seines schwä- bisch klingenden Namens dorthin ab- schieben könnte. Er gab deshalb statt Schiechtle Schiechtl an. Zur Erinnerung an diese Begebenheit hätten er und sein zteiter Sohn Ignaz diese Form des Namens beibehalten, während z. B. Do- minikus den alten Familiennamen wei- terführte. So die Erzählung. In Wirklichkeit wird aber die Verschiedenheit des Fa- miliennamens von einer fehlerhaften Eintragung im Kirchenbuch herrühren. Dominikus Schiechtle ergriff auch den Beruf seines Vaters. Sein erster Wir- kunsort war Ebbs bei Kufstein, wo er die Mesnertochter Anna Kreißer ken- nenlernte, die er um 1819 heiratete. Aus dieser Ehe entsprossen 16 Kinder (11 Buben und 5 Mädchen), von denen fünf entweder gleich nach der Geburt oder im ersten Lebensjahr starben. Im Schul- bericht von 1814, der im Pfarrarchiv verwahrt ist, steht über Dominikus Schiechtle folgende Beurteilung: „Do- minichus Schiechtle hat a) vorzügliche Fähigkeiten und vorzügliche Neigung zur Schule, b) sehr gute Sitten, c) sehr großen Fleiß. Im Jahre 1822 oder 1823 wurde Do- minikus nach Reith bei Kitzbühel ver- setzt, denn das zweite Kind wurde am 4. Juli 1823 in Reith geboren. Wann der Lehrer und Organist sich das erste Mal als Komponist betätigte. wissen wir nicht. Seine ersten Schöp- fungen scheinen kleine Segenslieder ge- wesen zu sein, die jedoch bis jetzt noch nicht aufzufinden waren. Bekannt sind aber die „12 Kirchenlieder für Land- chöre", die nach meinem Dafürhalten in Reith entstanden sind. Sie liegen in einem Druck vor, an dem weder Ver- lagsort, noch Erscheinungsjahr angege- ben sind. Für jedes hohe Fest im Kir- chenjahr dichtete und vertonte Domi- nikus Schiechtle ein dem Fest gemäßes Lied. Unter diesen zwölf Liedern sticht nacht: Heiligste Nacht! Finsternis wei- chet, es glänzt hiernieder. . ." hervor. Es liegt darin schon ein Tropfen der Innigkeit, die wir an seinen späteren Weihnachtsliedern bewundern können. Sicher ist, daß Schiechtle in Reith neun anheimelnde Adventlieder und drei Weihnachtslieder für ein bis drei Stimmen schuf, die im Wagnerischen Buchhandel in Innsbruck berauskamen. Auf dem Heft heißt es: „Komponiert von Dominikus Schiechtle, Lehrer in Reith bei Kitzbühel." Im Jahre 1841 übersiedelte Domini- kus Schiechtle mit seiner großen Fa- milie nach Kirchberg, wo er die Stelle des Schulleiters und Organisten über- nahm, die er bis zum Jahre 1863, also bis zu seinem 77. Lebensjahr bekleide- te. In Kirchberg schenkte er uns seine schönsten Lieder, nämlich die „Drei Weihnachtslieder für Sopran, Alt, Baß, zwei Violinen, Viola, zwei Klarinetten, zwei Hörner und Partiturbaß oder auch nur für drei Singstimmen und Orgel- solo." Er ließ sie bei A. Böhmer in. Augsburg drucken und bei Johann Groß in Innsbruck verlegen. Die Jahreszahl fehlt leider auch auf diesem Heft. Die Lieder heißen: „Betlehems Hirtenlied", „Lied der Hirtenkinder" und „Auf die Erscheinung des Herrn". Sie sind herr- lich-schöne, traute, echt weihnachtliche Weisen und strahlen eine anheimelnde Wärme aus, die ihre Quelle in einer tiefgläubigen Volksfrömmigkeit und in einem innigen Verhältnis zum Weih- nachtsgeheimnis besitzen muß. Darin liegt die Größe unseres Domi- nikus Schiechtle und nicht etwa in sei- nem Künstlertum, das bei einer kriti- schen Bewertung nicht so gut abschnei- den würde, um die Wiedererweckung seiner Lieder geradezu zu einer Pflicht werden zu lassen. Nach diesen Weihnachtsliedern ist von Schiechtle keine Schöpfung mehr be- kannt. Anscheinend erlahmte nach die- ser schönen Gabe sein Liederschaffen. Doch wird er eifrig sein Orgelspiel, seine größte Freude, gepflegt haben. Dabei soll sein Spiel gar nicht beson- ders technisch hochstehend gewesen sein. Man erzählt, daß er ein „hüpfen- des" Spiel hatte, d. h. wahrscheinlich ähnlich einem Klavierspieler spielte, der nicht das Orgelspiel beherrscht, eben die Orgel „schlägt". Wie das Privatleben Schiechtles aus- sah, wissen wir nur aus der oben an-, geführten Beurteilung von Ebbs. In seinen älteren Tagen soll er gern dem Wein zugesprochen haben. Ein altes Weiblein, das ihn noch persönlich ge- kannt hat, stellte ihm einmal folgendes Zeugnis aus: „Der schlechteste Mensch, den ich gekannt habe, ist der Reither Lehrer gewesen, der auch in Kirchberg war, weil er nie etwas anderes getrun- ken hat als Wein und sein Weib nie ser." Na, so schlimm wird es nicht gewe- sen sein. Auf jeden Fall muß er bei seinen Kirchbergern in einem großer Ansehen gestanden sein, da sie ihm nach seinem Tode ein zwar beschei- denes, aber doch ein ehrendes Denk- mal setzten. Eigenartig daran ist, daß von seinem musikalischen Schaffen nicht die Rede ist, wie schon eingangs erwähnt wur- de. Man wird dem wahrscheinlich kei- ne besondere Beachtung geschenkt ha- ben. Und trotzdem stellen gerade die letzten Weihnachtslieder einen kost- baren Schatz dar, den zu heben es sich verlohnt. Sicherlich befinden sich da BOUTIQUE TYROL TRACHTENKOSTUME und dort im Notenbestand der Kirchen- chöre Schiechtles Lieder. Wollen wir nicht einmal Nachschau halten? Sobald eine Neuauflage der Lieder unseres Schiechtle möglich ist, wird auch dies geschehen, um sie dem un- verdienten Schicksal der Vergessenheit zu entreißen und um einen wohl etwas späten Dank an den kleinen Meister tirolischer Lieder abzustatten. Zum Aufsatz über Dominikus Schiecht- le im letzten Heft des Jahrganges 1948 teilt uns eine Rheinländerin mit, daß sie das Lied „Heiligste Nacht! Finster- nis weichet, es glänzet hernieder .. ." sehr gut kenne. Es sei das Hauptlied, das beliebteste Lied bei der Mette in Remscheid. Wenn in der vorher dunk- len Kirche dieses Lied ertöne und zu- gleich die Lichter aufflammen, dann wisse man erst, daß Weihnachten sei. - Sie zeigte mir auch das Kölner Diö- zesangebetbuch, in dem sowohl der Text wie die Melodie abgedruckt sind. Freilich steht dabei „Augsburg, um 1800". Daß ein Tiroler der Dichter und Komponist war, weiß man natürlich nicht! Um so dankbarer müssen wir Dr. Widmoser sein, daß er sich seines vergessenen Landsmannes angenom- men hat und seine Werke auch in der eigenen Heimat zur verdienten Auf- erstehung und Würdigung bringen will! Ferner teilt Professor Dr. Walter Senn mit: Der „Verlagskatalog der Wagner- sehen Universitätsbuchhandlung in Inns- bruck" (1904) verzeichnet zwei Werke Schiechtles: „Anleitung, choralmäßig zu präludieren für Anfänger (1831) und „12 Kirchenlieder ... für 1, 2 oder 3 Sing- stimmen und Orgel", 1. Heft: Advent- und Weihnachtslieder (ohne Erschei- nungsjahr). - Nach A. J. Hammerle (Chronist des Gesanges und der Musik in Salzburg. Salzburg 1874, S. 164) er- folgte Schiechtles Anstellung als Leh- rer im Jahr 1805.
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