Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 5. August 1967 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Der zweite Teil der 93. Gemeinderat- sitzung der Stadt Kitzbühel vom 31. Juli war im ersten Teil der Hochwasser- katastrophe gewidmet, welche in der Nacht vom 27. zum 28. Juli über Kitz- bühel hereinfiel. Hiezu berichtete Bür- germeister Hermann Reisch: Am Freitag früh, 28. Juli 1967, 0.45 Uhr, entlud sich im Einzugsgebiet des Ehrenbachgrabens am Hahnenkamm und gleichzeitig auch am Rettenbach der Gemeinde Kirchberg ein Wolken- bruch. Bei der Ehrenbachbrücke im Stadtbereich staute sich plötzlich das Hochwasser und Wasser, Schlamm, Bäume und Wurzeln trieb es beider- seits der Wasserscheide ins Wohngebiet. In der äußeren Ehrenbachgasse bis zur Zimmerei Egger und stadteinwärts über die vordere Ehrenbachgasse und den Seitengassen in die der Jochberger Straße mit den Seitengassen, zur Florianigasse, über die Straße Im Gries und auch hier den Seitengassen bis hinunter zum Fischlechnerplatz. Die Fluten suchten sich schließlich zwischen den Häusern Laucher und Savoy über das Grund- stück Wilhelm den Weg in die Kitz- büheler Ache. Dank dem selbstlosen Einsatz der Geschädigten selbst, der Nachbarn und dem ungeheuren Einsatz der Männer der Freiw. Feuerwehr, des Roten Kreu- zes, der Männer der städtischen Be- triebe, insbesondere des Bauhofes und der Stadtsäge und vieler anderer frei- williger Helfer konnten Verluste an Menschenleben vermieden werden. Men- schen waren verschiedentlich in größ- ter Gefahr. Ganze Familien mußten ihr nacktes Leben durch ein Fenster ins Freie retten. Eine Frau wurde von den Feuerwehrmännern, auf dem Stehkasten sitzend, geborgen und eine Tochter ret- tete den Vater durch Einbrechen der Türfüllungen vor dem Ertrinkungstod. In den ersten Minuten der Kata- strophe an der Ehrenbachbrücke konn- ten Menschenhände nichts leisten. Die Macht der Fluten hätte jeden hinweg- geschwemmt. Der erste Baggereinsatz erfolgte durch die Firma Ferdinand Koidl, nachdem bereits alle Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr und der Stadtgemeinde im Einsatz standen. Von privater Seite folgten weitere Bagger- einsätze durch die Firma Paul Stöckl, St. Johann, und Dipl.-Ing. Cervinka vom Hartsteinwerk. Beim Feuerwchrzeug- haus wurde eine Zentrale aufgebaut und mit Funkgeräten ausgestattet. Die Funkgeräte, auch die kleinen japani- schen, bewährten sich ausgezeichnet. Hunderte von Männern und Frauen leisteten ihr möglichstes, um das Los der Betroffenen zu lindern und der Fluten Herr zu werden. Nach einer vorläufigen Zählung, die noch nicht abgeschlossen ist, wurden 47 Häuser von der Katastrophe betrof- fen. Die ganze Nacht, den ganzen Frei- tag und die Samstagnacht wurde gear- beitet und noch am Sonntag Vormittag ergab die Schadensgegend ein trostloses Bild. Wer nicht die Not und das Elend, auf der anderen Seite aber auch die Einsatzfreudigkeit der Hilfsmannschaf- Kitzbüheler helft Euren durch das Hochwasser schwer geschädigten Mitbürgern durch eine Spende zur Linderung der ärgsten Not. Unsere Sammler besuchen Euch in den nächsten Tagen! Der Katastrophenhilfsausschufi der Stadtgemeinde Kitzbühel ten selbst sehen und erleben konnte, kann sich von der Größe keinen Be- griff machen. Nun liegt es an der Oeffentlichkeit, die Schadenswiedergutmachung in die Wege zu leiten. Von der Stadtgemein- de wurde am Montag in zwei Partien mit der Schadensaufnahme begonnen. Eine Partie leitet Polizeiinspektor Ste- fan Kals und die zweite der Bezirks- polizeiinspektor i. R. Johann Kisti. LA Christian Huber hat mit dem Herrn Landeshauptmann Verbindung aufge- nommen und dieser erklärte, daß alles auch für die Kitzbüheler Geschädigten getan wird, was für die Osttiroler mög- lich war. Die ersten zwei Tage fuhren pausen- los neun Lastkraftwagen, um den Schlamm und Schutt wegzuführen. - Wertvollen Einsatz leistete auch das Spezialfahrzeug der Firma Gritsch aus Innsbruck. Es war auch wichtig, die Straßen, über welche der Schlamm ab- geführt wurde, zu reinigen, um der Staubplage Herr zu werden. Das größte Unglück ist wohl, daß Fa- milien ihre Wohnungen, teils neu ein- gerichtet, verloren haben. Bisher konn- ten alle Obdachlosen bei Verwandten bzw. Nachbarn untergebracht werden. Die Wohnungsfrage muß der Gemein- derat lösen. Heute fand bereits eine Begehung des Ehrenbaches statt. An dieser nahmen der Forstrat Dipl.-Ing. Pergthaler vom Amt der Tiroler Landesregierung, die Gemeinderäte Josef Oberhauser und Franz Feiersinger und Stadtförster K. Erber teil. Die Stadtgemeinde muß ver- langen, daß für die Neuverbauung des Ehrenbaches ein Projekt erstellt wird und dieses unverzüglich zur Ausfüh- rung gelangt. Ueber die Schadensaufnahme und die Schadensgutmachung im Wege einer Haussammlung wurde anschließend de- battiert. Gemeinderat Sepp Zwicknagl stellte den Antrag, daß der Armen- und Fürsorgeausschuß unter Obmann Vi- zebürgermeister Gebhart Härting mit der Organisation einer Geschäfts- und Haussammlung beauftragt wird. Dieser Antrag wurde einstimmig genehmigt. Bei der Durchführung der Sammlung sollen aber auch der Kummerkasten, das Rote Kreuz und andere Institutio- nen und Vereine herangezogen werden. Es muß ein „General-Schlachtplan" ent- worfen werden, dessen Ausführung den gewünschten Erfolg bringen muß. Da aber eine öffentliche Sammlung erstens einmal von den Aufsichtsbehörden ge- nehmigt werden muß und naturgemäß nicht so schnell zur Wirkung kommt, wie die Hilfe erforderlich ist, wurde weiters einstimmig eine Soforthilfe- aktion der Stadtgemeinde beschlossen und der Bürgermeister ermächtigt und beauftragt, in Einzelfällen pro geschä- digter Partei einen Beitrag bis zu 10.000 Schilling auszuzahlen. Weiters wurde auf Antrag von Gemeinderat Exen- berger beschlossen, die freien Ubikatio- nen des ehemaligen Gasthofs „Silberne Gams" als Notunterkunft freizugeben. Auch in diesem Fall wurde dem Bür- germeister die Vollmacht erteilt. Gemeinderat Oberhauser berichtete über die Begehung des Ehrenbach- grabens. Er sagte, daß Kitzbühel noch viel Glück im Unglück hatte. Auf dem Weg vom Hahnenkamm zum Quell- gebiet des Ehrenbaches wurden fünf vom Blitz zerfetzte Bäume angetroffen, der erste nicht weit von der Berg- station der Hahnenkammbahn. Im Ober- lauf wurden keine Hochwasserschäden angetroffen. Diese treten erstmals in der Nähe der Ehrenbaclikapelle auf. Forstrat Dipl.-Ing. Pergthaler, der sich als gründlicher Kenner erwies, unter- suchte jede Sperre. Das Unglück be- gann eigentlich bei der ersten Sperre des städtischen Wasserfanges. Hier wur- de auch ein großer Bergdruck fest- gestellt. Sperren, die seinerzeit zu schwach gebaut wurden bzw. auf al- ten Holzrosten stehen, wurden schwer beschädigt. Der Weg zur Griesaim wur- de abgetragen; auch ein Teil des We- ges oberhalb des neuen Forstweges. Die Verbauung des Ehrenbaches nach den Grundsätzen neuzeitlicher Wild- bachverbauung ist mit einem Kosten- aufwand von vier Millionen Schilling verbunden. Gemeinderat Feiersinger ergänzte die Kitzbüheler Gemeinderat beschließt Hochwasser-Soforthilfe Katastrophenkommission konstituiert - Katastrophenausschuß in Tatlgkeit Der Ehrenbachgraben brachte große Schäden und großes Leid - aber auch ein Ruhmesblatt der Hilfsbereitschaft
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