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Seite 10 Kitzbilheler Anzeiger Samstag, 2. September 1967 Lkni. tim 71 Am 20. August 1967 starb die im gan- zen Unterland und darüber hinaus im halben mitteleuropäischen Fremden- verkehrsraum bekannte Fuchswirtin in der Kelchsau Theresia Sammer geb. Fuchs im Alter von 65 Jahren. In der Nacht vorher telephonierte sie noch heiter und lebensfroh mit ihrer ein- zigen Tochter Annemarie, seit 1950 ver- ehelicht mit dem Mühlenbesitzer und Industriellen Hans Rauch, Innsbruck- Mühlau, und am Morgen, zur gewohn- ten Arbeitsstunde, war die Schlafkam- mer versperrt. Ein Ingenieur von Sie- mens öffnete mit einem Dietrich und der herbeigerufene Arzt von Hopfgar- ten Dr. Emil Schneider mußte fest- stellen: „Die Fuchs-Thresl ist ent- schlafen!" Die Nachricht von ihrem plötzlichen stillen Tode verbreitete sich in weiten Kreisen. Kränze, Blumen und Kerzen füllten die Totenkammer und das Haus, ein Meer von Nelken wurde ihr berei- tet, denn die „Nagelen" waren der immer heiteren Fuchswirtin ihre Lieb- lingsblumen und so gestaltete sich auch das Begräbnis zu einer Trauerkund- gebung, wie die Kelchsau noch keine sah. Die Nachbarn spannten Pferde vor die Wägen, um Sarg und Kränze zu führen; für das letzte Wegstück trugen Männer der Freiwilligen Feuerwehr den Sarg, die Musikkapelle spielte Trauer- weisen, der Kirchenchor und der Männergesangverein „Adler" sangen Trauerlieder. Unter den Trauergästen befanden sich Bezirkshauptmann Hof- rat Dr. Hans v. T ren t i na g ii a, Land- tagsabgeordneter Bürgermeister Leon- hard M a n z 1, der Bürgermeister von Wörgl Rupert Hag 1 ei t ne r, Direktor Gerhard der Perlmooser Zement- werke AG und die Hoteliersabordnung der Bezirksstadt Kitzbühel führte Dr. Ekkehard Kofler an. Dem Sarge folgte eine unübersehbare Menschen- menge, die Bevölkerung der Kelchsau und viele Hopfgartner, eine große Verwandtschaft, die Jägerschaft und die Leute vom Forst, die vielen Alm- bauern weitum, Stammgäste aus dem süddeutschen Raum und aus Bozen, Mitglieder vieler Alpenvereinssektionen und viele Freunde und Bekannte aus dem ganzen Tiroler Unterland. Die kirchliche Totenfeier besorgte Pfarrer Josef Hut t er und Schuldirek- tor Johann G r aß hielt der beliebten Verstorbenen am offenen Grabe fol- genden Nachruf: „Liebe Thresl, liebe Fuchswirtin! Ehrlich erschüttert vernahm die Kelchau die traurige Nachricht: Die Fuchswirtin ist tot! Und allen war es sofort klar: Kelchsau ist nun är- mer geworden, denn nicht nur Deine Angehörigen, die Deine sorgende Liebe vermissen werden, nicht nur Photo r!e2 Tochter Annemarie, cufgo.omrner 966; auf den Lippen das Weidmannsheil, denn Anremarie brachte der Mutter einen kapitilen Rehbock as Haus. Deine engsten Mitarbeiter, den -en Du eine vorbildliche Chefin warst, nicht nur Deine Nachbarn und viele not- leidende Mitmenschen, denen Du still und unauffällig, wie es eben Deine Art war, Gutes tat st und izalfest, wo immer Du nur helfen konntest, nicht nur die vielen Menschen aus nah und fern, die in Deinem gast- lichen Hause sich wie daheim fühlen konnten - für Dich gab es ja keine „Fremden", sondern nur „Gäste" - nicht nur sie, alle haben viel durch Deinen Tod verloren, sondern auch die dörflichen Vereine, in deren Na- men ich mich heute van Dir für diese Welt verabschieden darf. Sei es die Freiwillige Feuerwehr, deren Wohl Dir seit Jahrzehnten am Her- zen gelegen war, sei es die Nusik- kapelle, der Kirchenchor und der Männerchor. Jeder dieser Vereine, der sich in finanzieller Notlage be- fand, wußte und fand bei Dir Hilfe und Verständnis. So sind wir alle ärmer geworden! Wenn man irgendwo in Tircl auf die Kelchsau zu sprechen kam, dann sprach man auch vom .‚Fuchswirt", dessen Ruf Du verkörpert hast. Wer die Kelchsau kannte und liebte, kannte und liebte Dich. Und nun bist Du nicht mehr unter uns. Des- halb, liebe Wirtin, sage ich Dir unser letztes aufrichtiges und herzliches Vergelt's Gott für alles Gute. Wir werden Dich nicht vergessen. Ver- nimm unsere letzten Sängergrüße. denn Du hast den Gesang ja so ehr- lich geliebt. Lebe wohl, wir sehen uns wieder bei dem, der gesagt hat: ‚Was ihr dem Geringsten unter mei- nen Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan!" Theresia Sammer wurde am 8. Ok- tober 1901 als Tochter des Sebastian Fuchs, Fuchswirt in der Kelchsau, und der Gattin, Theresia geb. Aufschnaiter, Tochter des Hopfgartner Faßbinders Michael Aufschnaiter und der Gattin, Theresia geb. Braun geboren. Ihr Groß- vater, Michael Fuchs, Gast- und Land- wirt in Itter, verehelicht mit der Anna Maria Pirchmoser aus Eilmau zog vor genau hundert Jahren in die Kelchsau. Der Großvater gab dem Heimathaus den Namen ‚.Fuchswirt". Mit 19 Jahren verehelichte sie sich mit dem Groß- bauernsohn aus Hopfgarten Johann Sammer, der aber schon 1928 infolge eines Magendurchbruches auf dem Transport ins Krankenhaus starb. Der Ehe entsproß ein einziges Kind, die Tochter Annemarie verehelichte Rauch. Mit ihrem Vater, Sebastian Fuchs, leitete und führte sie in guter Kame- radschaft Gasthof und Landwirtschaft. Als dieser 1951 starb, lag die ganze Last der Verantwortung auf ihren Schultern. Als Gastwirtin führte sie das Haus wie die unvergeßliche Stangl- wirtin Anna Hauser-Seibl. Ausgestat- tet mit allen menschlichen Vorzügen, einem Gesicht wie Milch und Blut, einem goldenen Herzen, zog sie die Menschen an und konnte sich deren Freundschaft erhalten. Der Fuchwirt war schon früher der Mittelpunkt der Dorfbauern; er wurde dann auch Mit- telpunkt der gesamten Almbauern im Kurzen und Langen Grund, Mittelpunkt der Försterei und Jägerei und Mittel- punkt im Kelchsauer Fremdenverkehr. Die jungen AV-Leute aus München und anderen bayerischen Städten kamen auch als selbständige Gewerbetreibende wieder zur Fuchswirtin, mit Kind und Kegel, und kaum ein anderes Haus in unserem Land konnte sich so treue Stammgäste schaffen wie unsere Fuchs", Thresi. ihre Schaffenskraft und ihre Liebe zum Beruf waren sprichwörtlich, und so lange noch ein Gast im Hause war, fühlte sie sich zum Zuspruch ver- pflichtet. Auch als Bäuerin stellte sie ihren „Mann". Das große Gut beim „Fuchs- wirt" hatte bis zu 35 Stück Großvieh im Stall. Früher eine traditionelle Pinz- gauer Züchterin, stellte sie später auf Fleckvieh um und konnte beachtliche Zuchterfolge nachweisen. Mit Stolz nahm sie im Vorjahr bei der Fleck- viehausstellung aus der Hand von Lan- deshauptmann Eduard Walinöfer für ihre Siegerkuh eine schöne Speis- glocke in Empfang. Ihre Liebe galt auch den Pferden. Sie war eine geübte Fahrerin und es galt oft, bevor der Autoverkehr einriß, mit dem Gassel einen Extragast vom Bahnhof in Hopf- garten abzuholen. Jetzt steht das Gassei vor der Haustür beim Prüggl. Das Prügglbauernhaus hat ihre Tochteii
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