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Samstag, 2. September 1967 Kltzbüheler Anzeiger S.te 3 Nciflonarat Franz Kranebitter zur Felbertauernstraße Nicht schimpfen, sondern nützen ! (.‚Osttiroler Bote", 24. August 1967) Am 12. August haben die „Salzburger Nachrichtei" aus Klagenfurt eine Be- schwerde über die Auswirkungen der Verkehrsentwicklung auf der Felber- tauernstraße übernommen und veröf- fentlicht. In dieser Klage war die Be- hauptung e hauptung enthalten, daß die Frequenz der Felbertauernstraße die Kärntner Fremdenverkehrswirtschaft wie ein „Tiefschlag" trifft. Den Höhepunkt die- ses negativen Urteils über die Felberr- tauernstraße bildete der Hinweis auf eine Erklärung des Landeshauptmanns Sim a, in der er festgestellt hat: „Mit dem Verkehrsstrom über die Felbertauernstraße wurde die Umfah- rung Kärntens eingeleitet! Diese gefähr- liche Entwicklung zeigt, wie notwendig als Zwischenlösung für die in weiter Ferne liegende Tauernautobahn der Bau des Straßentunnels bei Malinitz gewesen wäre." Diese Beschwerde aus Klagenfurt ist geeignet, den Geist bester Nachbar- schaft abzuschwächen, der zwischen der Bevölkerung des Kärntner Landes und vor allem seines Oberlandes, und den Bewohnern Osttirols lebendig ist und der sich mit den innigen wirtschaft- lichen Verflechtungen stets zum Wohl beider Teile ausgewirkt hat. Ich erach- te es daher als meine Pflicht, durch eine sachliche Aufklärung der Gefahr der Vergiftung der Atmosphäre und der Lockerung der guten Beziehungen entgegenzuwirken: Die Behauptung des Herrn Landes- hauptmannes Sima, daß durch die Fel- bertauernstraße die Umfahrung Kärn- tens eingeleitet wurde, und die nicht minder schwerwiegende Behauptung, daß die Frequenz der Felbertauernstra- ße die Kärntner Fremdenverkehrswirt- schaft wie ein Tiefschlag trifft, wird zunächst durch folgende Tatsache ent- kräftet: Die Zahl der Sommergäste war im heurigen Jahr in den meisten Gemein- den Osttirols trotz des Verkehrsstromes über die Felbertauernstraße bisher im gleichen Ausmaß reduziert wie inKärn- ten und in allen Teilen Oeste:rreichs. Wenn der Herr Landeshauptmann von Kärnten und die mit ihm Verant- wortlichen die Ueberzeugung hegen, daß „diese gefährliche Entwicklung" verhindert worden wäre, wenn statt der Felbertauernstraße die Nord-Süd- Verbindung bei MaUnitz Verwirklichung gefunden hätte, dann würde man heu- te in Kärnten mit einer berechtigten Bestürzung feststellen müssen, daß die meisten Menschen aus dem Norden auch auf dieser Straße durch das Kärntner Land nach dem sonnigen Süden fahren. Dieselbe Entwicklung wird sich auch' auf der Tauernautobahn vollziehen. Denn es hat die Menschen in den Staa- ten des Nordens zu allen Zeiten mit magnetischer Kraft nach den Sonnen- ländern des Südens gezogen. Und je leichter es ihnen gemacht wird, dorthin zu gelangen, desto stärker wird der Strom der sonnenhungrigen Menschen sein, der in die südlichen Länder flutet, Dazu kommt der noch sehr ausgeprägte Drang vieler Menschen, jedes Jahr ein neues Stück Welt sehen zu können. Ich trage aber trotz aller dieser Tat- sachen nach wie vor die Ueberzeugung in mir, die ich beim Fest der Eröffi nung dieser Straße mit folgenden Wor- ten zum Ausdruck gebracht habe: „Die Felbertauernstraße wird alle Ge- biete, die sie durchzieht und die durch abzweigende Straßen mit ihr verbun- den sind, wie eine starke Schlagader durchbluten und befruchten. Sie wird dadurch einem Großteil der jungen Menschen und der bodenständigen Ar- beiter in der Heimat eine Existenz- grundlage zur Begründung und Erhal- dung einer Familie geben und sie von der Bitterkeit der Heimatvertreibung und des Pendlertums bewahren. Die Felbertauernstraße wird aber auch der gesamten österreichischen Volkswirt- schaft ständige Wachstumsimpulse ver- leihen und dadurch der Entfaltung einer krisenfesten und guten soziale Ordnung in unsrem Vaterland dienen." Es war mir stets klar, daß dieses ideal' in erster Linie durch die Entfaltung vieler Gewerbebetriebe zu höchster Leistungskraft und durch die Schaffung geeigneter Industriebetriebe zur Ver- edlung der heimischen Rohstoffe ver- wirklicht werden muß, deren Produk- te vor allem über die transportkosten- sparende Felbertauernstraße auf die europäischen Märkte gebracht werden können. Der Fremdenverkehr wird auch in der Zukunft nur einem Teil der Arbeiterschaft und der Jugend eine ge- sicherte e sicherte Existenz zu bieten vermögen. Er wird aber in der Zukunft einern noch weit größeren Teil der Familien die notwendige zusätzliche Einnahme bringen. Es muß daher die Fremden- verkehrswirtschaft als bedeutsamer Faktor unserer Volkswirtschaft und als eine starke Säule unserer sozialen Ord- nung intensiver denn je gefördert wer- den. In dieser Ueberzeugung habe ich' in den Jahren des Kampfes um di Felbertauernstraße und in der Zeit ih- rer Verwirklichung auch schon oft mei- ner Ueberzeugung Ausdruck verliehen, daß Oesterreich neben der Brenner- Autobahn und • der Felbertauernstraße auch noch eine moderne Nord-Süd- Verbindung durch den Radstädter Tau- ern und in der weiteren Folge auch noch durch den Resc'nen.paß am An- berg und über den Schoberpaß in der Steiermark braucht. Erst nach der Voll- endung dieser fünf europäischen Ver- kehrsadern, die in gleichmäßigen Ab- ständen von rund 80 Kilometern den Kamm der österreichischen Zentral- alpen durchqueren, und nach dem Bau der südlichen Reichsautobahn ist die Feststellung berechtigt: Nun ist die Ge- fahr der Umfahrung Oesterreichs end- gültig gebannt! Jetzt ist 'unser Vater- land allen Anforderungen des moder- nen europäischen Verkehrs gewachsen! Nun hat Oesterreich die verkehrstech- nische Europareife erreicht! Je mehr , unser Oesterreich jedoch durch moderne europäische Verkehrs- adern erschlossen wird, desto mehr wird sich unsere Fremdenverkehrs- wirtschaft anstrengen müssen, die Gä- ste aus aller Welt durch Werbung und günstige Preisgestaltung zu bewegen, den Urlaub in unserem Vaterland zu erleben oder wenigstens einige Tage in Oesterreich zu bleiben. Die führen- den Persönlichkeiten in Politik und Fremdenverkehrswirtschaft dürfen nicht übersehen, daß Oesterreich heute nicht mehr das billigste und daher auch nicht mehr das begehrteste Erholungsland ist. Sie werden sich daher intensiv um die rasche Erreichung der internationa- len Konkurrenzfähigkeit unserer Frem- denverkehrswirtschaft bemühen müssen. Diesem Bemühen wird der Erfolg nicht versagt bleiben. Denn es ist die Hoffnung berechtigt, daß die erholungs- bedürftigen Menschen in der Zukunft in einer immer größeren Zahl doch wieder einen schönen und ruhigen Er- holungsplatz suchen werden, wo sie im Geiste einer echten Gastfreundschaft umsorgt sind und wo sie wirklich aus- rasten können. Diese Hoffnung ist um so begründeter, weil kein Land der Welt so reich an idealen Erholun- plätzen ist, wie unser Vaterland Oester- reich! Kärnten nimmt unter den österreichi- schen Bundesländern wegen seiner günstigen klimatischen Verhältnisse und reichen Erholungsmöglichkeiten einen hervorragenden Platz ein. Es kann sich daher für dieses Land die Nähe der- europäischen Verkehrsader durch den Felbertauern niemals schädigend, son- dern nur günstig auswirken. Kärnten wird vor allem in seiner westlichen Hälfte von dieser Straße die gleiche wirtschaftliche Befruchtung erfahren wie Osttirol. Die Führung des Kärnt- ner Landes und seiner Fremdenver- kehrswirtschaft wird daher Kärnten einen guten Dienst erweisen, wenn sie statt zu schimpfen die Befruchtungs- möglichkeiten nützt, die die Europa- straße durch den Felbertauern auch dem Kärntner Land bietet.
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