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Samstag, 9. September 1967 Kitzbüheler Anzeiger Seite 11 Diese Ausstellung ist viel mehr als nur eine „Zurschausteilung" von ein- ander unabhängiger Bilder. Keines der Werke Hilde Goldschmidts ist ohne die anderen möglich und denkbar, jedes B:att ist sozusagen eine Stunde oder ein Tag im Leben der Malerin, an der oder dem sie uns, die Betrachter, durch diese Tagebuchblätter teilhaben läßt. Sie ge- währt uns gleicherweise einen Blick n ihr Leben und - was in dieser Aus- stellung besonders offenkundig wird, in ihre Werkstatt. Man spürt die Wand- Lng eines Erlebnisses vom ersten „est- uiItenwollen" in einer schnellen Skizze über verschiedene Zwischenstadien bis zur letzten gültigen Form, in der alles Zufällige, Unwesentliche und Ober- flächliche ausgeschieden wurde. Es ist ein weiter Weg von den farbigen Ex- plosionen der Tagebuchblätter bis zu eilem Bild wie dem „Paar", das trotz starker agressiver Farben und einem raschen Pinsel eine beinahe unheim- liche Ruhe und Gelöstheit ausstrahlt. Leib und Seele, kraftvolles Sichausleben und tiefste Verinnerlichung des Gefühls sind hier zu einem untrennbaren Gan- zen zusammengewachsen, dessen Har- monie das Bild zu einem der reifsten und gewichtigsten Bilder im Gesamt- werk Hilde Goldschmidts werden ließ. Die Monotypien, unter denen Blätter wie „Blaue Gestalten", „Menschen" und „Begegnung" als besonders beeindruk- kende Arbeiten zu nennen sind, weisen gegenüber den bisher bekannten Bil- dern der Künstlerin ein deutlich spür- bares Hinwenden zum Malerischen auf. Ein zaubrisches Blau schimmert be- glückend durch das schmutzige Grau des Alltags und schenkt dem Betrach- ter einen Fetzen Hoffnung, der ihn be- gleitet, wenn er aus der Galerie wie- der in die mehr oder weniger trübe Melange seines eigenen Seins hinaus- tritt Das ganze in Schwaz gezeigte Werk Hilde Goldschmidts läßt die sinn- liche Freude der Malerin am schöpfe- rischen Erlebnis sichtbar werden. Eros ist die alles beherrschende Kraft und gemeinsame Urquelle und zieht sich wie der berühmte rote Faden durch alle Bilder, um sich schließlich im raum- beherrschenden „Großen Akt" von al- len inneren Spannungen zu befreien. Eines noch: Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wird Frau Goldschmidt als Kokoschkaschülerin apostrophiert. I:h glaube, es ist hoch an der Zeit, nit diesem Unsinn ein- mal aufzuhören. Abgesehen davon, daß Hilde Goldschmidt sich durch ihre schöpferische Arbeit wohl das Recht auf Anerkennung als selbständige Ei- genpersönlichkeit erworben ha:, ist es längst jedem Laien klar geworden, daß die Kunst Goldschmidts mit der Oskar Kokoschkas nicht das geringste zu tun hat. Hilde Goldschmidt ist erst seit dem Jahr 1960, als es ihr gelang, Jie been- genden Fesseln der Kokoschkasci-iule ab- zustreifen, zu dem geworden, was sie heute ist. Erst seit diesem Zeitpunkt hat sich ihre künstlerische Persönlichke:t zu ei- ner selbständigen und unabhängigen Eigenart entwickeln können. Und sie ist dabei vollkommen andere Wege ge- gangen als Kokoschka. Die Ergebnisse, zu denen sie gelangte, und das Ziel, dem sie auf erstaunlich geradem Pfad entgegenstrebt, kann beim bösestem Willen nicht als eine Weiterführung der Lehren 0. K. angesehen werden. Hilde Goldschmidt ist vielleiciri nicht ganz unschuldig an diesem völlig fal- schen Mythos der „Kokoschkaschülerjn", Die Kraft und die Sinnlichkeit Zur Ausstellung Hilde Goldschmidt in der „Eremitage" in Schwaz.
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