Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 4. Mai 1968 waren auch unsere Alten, und sie ha- ben trotz Kampf und Mühe unsere edle Sache erhalten. Zu einer rechten Ausbildung kam die Turnerei wohl nie. Schuld daran mag von jeher die schlechte Unterkunft und auch der Mangel an geeigneter Leitung gewesen sein. Gänzlich fehlte die Heranbildung der Zöglinge und so schwand das Häuf- lein immer mehr und mehr zusammen. Einen Aufschwung nahm der Turn- verein erst, als im Jahre 1888 der nun längst in kühler Erde ruhende Rudolf Reisch nach Kitzbühel kam und dem Turnverein beitrat. Sein früher Tod wurde von den Turnern aufrichtig be- daL€rt. Einen tüchtigen Ersatz erhielt der Turnverein an seinem Bruder Franz Re i s eh, der dann die verweiste Turn- wartstelle übernahm und praktischen Turnunterricht zur höchsten Blüte brachte. Unter Rudolf Reisch war von einer nationalen Regung keine Spur vorhanden, unter der Leitung von Franz Reisch wurde dieselbe noch viel weniger gepflegt. Franz Reisch ging wohl von der Ansicht aus, daß das Turnen nur dann gedeiht, wenn es Gemeingut aller ist und in diesem Sinn hat er auch alle Veranstaltungen ge- troffen. So wurden an den sozialdemo- kratischen Arbeiter-Verein und an den katholischen Gesellenverein Aufforde- rungen gerichtet, ihre Mitglieder zum Turnverein zu schicken. Im Vereins- Protokoll sind diesbezüglich Verzeich- nisse eingetragen. Die turnerische Be- teiligung war dazumal eine ziemlich starke, doch währte die internationale Einigkeit nicht aufs längste. Als Franz Reisch seine Turnwartstelle niederleg- te, wurde ich zum Turnwart gewählt. Ich übernahm den Turnverein mitsamt seinen Fehlern und Schwächen und ohne mich zu beschönigen, gebe ich zu, daß auch ich lange der Überzeu- gung war, die Einführung eines stren- gen Nationalismus kann nur dem Ver- ein und dessen Einigkeit zum Schaden sein. Ich bin heute noch fest über- zeugt und mit mir alle jene Turner, die dazumal dem Verein angehörten, daß eine nationale Reinigung damals unmöglich gewesen wäre. Wenn Sie bedenken, daß der Turn- verein dazumal aus drei Sechstel So- zialisten, zwei Sechstel Mitglieder des kath. Gesellenvereins und vielleicht nur ein Sechstel Deutschgesinnten bestand, so werden Sie begreifen, daß ein An- trag, wie jener auf dem Lienzer Gau- tage, unserem Verein einfach den To- desstoß gegeben hätte, wenn die Ver- treter für dessen Annahme gestimmt hätten. Etwas besser wurde es nach und nach, doch war die nationale Ge- sinnung ein Jahr später, als in Brixen die Abänderung des Grundgesetzes be- antragt wurde, noch lange nicht so stark, daß ein solcher Antrag bei uns in Kitzbühel durchgekommen wäre. Wenn Herr Seifert mir in Kufstein den Vorwurf machte, daß ich in Lienz und in Brixen ganz anders gesprochen habe wie in Kufstein, so hat er wohl recht. Ich hatte eben nur das Wohl des Vereins im Auge. Doch glaube ich, daß ein vernünftig denkender , Tur- ner, ein Mann, der ohne Groll im Her- zen die Verhältnisse der Tiroler Ver- eine in ihrer früheren und jetzigen nationalen Lage beurteilen soll, des- wegen einen Verein oder seinen einzel- nen Vertretern doch keinen Vorwurf machen soll, weil er sich zum natio- nalen Verein aufgeschwungen hat. Es gibt im Tiroler Turngau wohl keinen Verein, der bei seiner Gründung auf rein arischer Grundlage gestanden hat und soviel ich weiß, war der lnn- brucker Turnverein in früheren Jah- ren gewiß kein leuchtendes Beispiel Jahnischer Grundsätze. Ich bin weit da- von entfernt jemanden deswegen ei- nen Vorwurf zu machen, doch weiß ich ganz sicher, daß der Innsbrucker Turnverein Mitglieder in seinen Reihen hat, die die einstige semitische Leitung' mit allen Mitteln halten wollten. Wenn Herr Seifert in Kufstein mit vorwurfs- vollem Ton sagte, wir hätten unsere Gesinnung gewechselt, so müßte man wohl fragen, haben diejenigen, die da- zumal den Innsbrucker Turnverein bil- deten und heute noch seine Mitglie- der sind, nicht auch die Gesinnung gewechselt? Wäre das nicht der Fall, so müßte man die nationale Aufrich- tigkeit dieser alten Herren wohl stark in Zweifel setzen. Der Ausspruch des Herrn Seifert in Kufstein, „Der Inns- brucker Turnverein ist sich in seiner Gesinnung immer gleich geblieben", dürfte also nicht ganz richtig sein. Der Turnverein Kitzbühel ist bei der Neugründung des Tiroler Turngaues als einer der ersten dem ansehen Gau beigetreten, obwohl er bei diesem Schritt mehr wie ein Drittel seiner ausübenden Turner verlor. Daß wir in nationaler Beziehung viel getan hat- ten, wird uns kein Mensch, der unsere Verhältnisse kennt, abstreiten. Unsere Pflicht glaubten wir darin zu finden, daß wir den Grundsatz: „durch Rein- heit zur Einheit" in jeder Beziehung hochhalten sollen; deswegen hielten wir auch treu zu den Bündnerischen Tiroler Turn-Vereinen, weil wir fest überzeugt sind, daß eine turnerische Einigkeit aller deutschgesinnten Ver- eine die edle Sache nur fördern kann. Wenn der Innsbrucker Turnverein, be- ziehungsweise einige seiner Mitglieder, uns wegen der Freundschaft zu den Bundesvereinen mit feindlichen Äuße- rungen wie „Ich schäme mich, daß ich jemals in Kitzbühel vorgeturnt habe" oder „A, so seits ihr Kitzbüheler, Geld zum Turnhallenbau nehmts von uns und jetzt haltet Ihr zum Turnerbund" usw. anrempeln, so wird uns das ganz entschieden nicht abhalten, treu und unverzagt für deutschen Sinn und deutsche Art zu streiten. Wir Kitzbü- heler Turner sind zwar ein kleines Häuflein, aber auch wenige können Gutes tun, wenn sie von Pflichteifer erfüllt, die edle Turnsache bei jeder Angelegenheit zu fördern trachten. - Wenn diese Zeilen dazu beitragen, auf- klärend zu wirken, wird niemand mehr erfreut sein, als wir Kitzbüheler Tur- ner. Aber heute sei es nochmals frank und frei herausgesagt: „Ein feindliches Auftreten uns und unseren befreunde- ten Vereinen gegenüber werden wir jederzeit mit aller Entschiedenheit zu- rückweisen." Wir sind freie und unabhängige deut- sche Männer und weil wir eben frei sein wollen, würden wir es als Pflicht- verletzung betrachten, wenn wir sol- che Anwürfe ruhig hinnehmen wür- den. Gut Heil! Kitzbühel, im August 1901, Josef Herold, dzt. Turnwart des Turn- vereins Kitzbühel." Wechselvoll ist die Geschichte des Kitzbüheler Turnvereins. Da die Ori- ginal-Protokolle nicht mehr erhalten sind, müssen wir bei der Rekonstruie- rung der Vereinschronik auf Eintra- gungen im Gemeinderatsprotokoll, auf Zeitungsberichte und sonstige Auf- zeichnungen zurückgreifen. Tatsache ist, daß der Turnverein bereits 1868 gegrün- det wurde und damals bereits ein ge- regelter Turnbetrieb herrschte. Einge- tragen in das Vereinsregister der Be- zirkshauptmannschaft Kitzbühel wurde der Verein am 24. Mai 1869 unter Zl. 7521. Aus dem Turnverein Kitzbühel ent- stand 1872 der Turner-Feuerwehr- Verein, 1877 die Sektion des Deut- schen und Österreichischen Al- penvereins l- penvereins und im gleichen Jahre der Verschönerungsverein. Schon früh wurde in der Turner-Skiriege der Skisport betrieben und es waren auch zum Großteil Mitglieder des Turn- vereines, welche 1902 den Winter - sportverein inter- sportverein gegründet hatten. (Fortsetzung folgt!) Neue Verkaufszeit 5Wm Jahresdurchgdngig 8-13 Uhr. Sonntags geschlossen Pelargonien, solange der Vorrat reicht, knospig und blühend mit oder ohne Tontopf, per Stuck 5 10 Gärtnerei Meyerbeck St.Johenn LT.
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