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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 7. September 1968 C%jÄmrl 1. Luther » zum Gedenken Dem Erfinder des S?emmchrktIczna und großen Freund Kitzbühes Am 22. August 1968 starb in Mün- chen nach längerer Krankheit der welt- bekannte Skijournalist und Erfinder vorn Stemmchristiania vulgo Luther- schwung Carl 1. L u t h e r im Alter von 85 Jahren. Seine Wiege stand in Gießen (Oberhessen), wo er am 9. No- vember 1882 als ein Nachkomme von Martin Luther geboren wurde. Er studierte Kunstgeschichte sowie Bau- und Vermessungswesen. Er kam schon als Kind in die Schweiz, erhielt in der Klosterschule Einsiedeln eine humarii- stisehe Bildung und wurde Hauslehrer auf dem Rigi, wo ihm der Hotelier Dahinden jene Skier schenkte, weiche der berühmte Norweger Fritjof Nansen dort zurückgelassen hatte. Wie Frit- jof Nansen auch in Kitzbühel „direkte Schuld" an der Einführung des Ski- laufes hatte, so trug er auch die Schuld, daß Luther zum Skilauf kam. Er wohnte seit 1935 am Fuße der von ihm projektierten Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen, war Besitzer der größten Skibibliothek der Welt und verfaßte an die 50 Bücher. 1906 über- nahm er die Redaktion der Skizeit- schrift „Der Schneeschuh", die in der Folge den Namen „Der Winter" erhielt. Seit 1906 mit der Übernahme der Redaktion des „Schneeschuhs" durch Luther, wurde Kitzbühel durch die deutschen Skiläufer, insbesondere der Münchner, bevorzugt. Sie fanden in Kitzbühel die Schattbergschanze vor (erbaut 1903), die als die beste und gepflegteste w ei t um galt. Das erstemal in Kitzbühel weilte Luther am 5., 6. und 7. Jänner 1907, und zwar „dienstlich" als Berichterstat- ter für die ersten österreichischen Skimeisterschaften, die damals noch international ausgetragen wurden. Hier- über schrieb er selbst in der von un- serer Redaktion 1954 herausgegebenen Festschrift der Skischule Kitzbühel u. a.: „Die ersten österreichischen Ski- meisterschaften 1907 in Kitzbühel hat- ten mich als Reporter angezogen Keineswegs aber dachte ich an eine aktiv e Teilnahme. Doch Franz Reisch stand schon am frühen Morgen in seiner ganzen Größe im Bett und zerrte mich geradezu mit Brachial- gewalt auf die Hinterbräuau. „Sie sind Schweizer", erklärte er, „wir brauchen weitere internationale Besetzung und zum Juniorenspringen den dritten Mann." Gegen Reischs Willen war da- mals „kein Kraut gewachsen". Nach einer Stunde schon stand ich mit Fritz Miller und Otto Rasim am Bakken und „sprang" mich mit 12 Metern vom Junioren zum „Senior" empor. Luther war damals 24 Jahre alt; da er jedoch keine Rennerfahrung hatte, Carl 1. Luthers letztes Bild, aufgenom- men am 9. November 1967 als „85er". stand er nach den damaligen Statuten in den Reihen der Junioren. Als Senior sprang er dann auch noch beim großen Springen mit, bei welchem der Frei- burger Bruno Biehler mit 19 Metern siegte. Vor., diesen Tagen an war Carl I. Luther vulgo CIL für längere Zeit mit Kitzbühel „verheiratet". Jeden Win- ter, ja fast jedes Wochenende, war er in Kitzbühel. Er „sprang" auch :908 die vn Franz Reisch vergrößerte Schatbergschanze ein and hielt bei den ersten britischen Skimeisterschaten auf dieser vergrößerten Schattberg- schanze am 17. Februar 1908 mit 23,5 Me- tern in Anwesenheit der besten mitzel- europäischen Springer den Schanzen- rekord. Luther wirkte in diesem Jahr auch als „Apostel" des ersten Städte- kampfes München-Inrbruck in K:tz- bühel, das als das interessanteste Springertreffen der Frühzeit des Ski- laufes eingegangen ist. „Ihr Jungen von heute könnt euch die Skibegeisterung und Kamerad- schaft :1er Jungzeit des Skisperts nicht vorstellen. (Luther in der oben genannten Festschrift.) Ein geradezu heiliger Eifer verband uns. Mit Reisch saß ich manchen Abend, um seinen ersten Skiführer von Kitz (1908) in die Wege zu leiten, dessen Druck ich dann in M1nchen 'zu über- wachen hatte. Mit Bilgeri, demda- mals dienstlich noch die ‚Lanze' ver- ordnet war, debattierten wir draulien im Schnee und drinnen im CaM über Skilehrerwesen und Skitechnik. Aus vielen meist flüchtig hingekritzelten Skizzen entstand nach und nach ein Zettelmanuskript Kitzbühel ist also auch als Geburts- stätte des 1909 von dem damaligen Oberleutnant Georg Bilgeri heraus- gegebenen Skilehrbuches ‚Der alpine Skilauf" zu bezeichnen. Von Kitzbühel aus, mit Carl Luther und Georg Bilgeri an der Spitze, wurde damals der alpine Skilauf diesseits und jenseits der Grenzen bis in ferne Län- der, z. B. in den Transsiivanischen Kar- pathen, verbreitet. Dort wurde gelehrt, „was sie im Schnee von Kitz selbst erlernt hatten!" DER LUTHERSCHWrJNG ALIAS STEMMCIIRJSTIANIA Luther war in dieser Zeit des Kamp- fes: „hie Norwegen. hie Lilienfeld, ein Anhänger des Zweistockfahrens und gründete eine neue Fahrtechnik. Im Februar 1910 begrüßte ihn einmal Bürgermeister Franz Reisch mit den Worten: „Meine Buben machten einen Lutherschwung!" Luther hatte den Buben zuvor einmal gezeigt, daß der Christianiaschwung gewissermaßen ein verkehrter Telemark und somit eben- falls in Ausfalistellung möglich sei. Er selbst gab diesem Schwung nicht seinen Namen, sondern die da- malige Kitzbüheler Skijugend tat dies. Der Lutherschwung wurde am 10. Jänner 1910 um 15 Uhr auf der Hinter- bräuleit von Luther selbst entdeckt. Hierüber sind Zeugen bzw. Belege 'vor- handen u. a. von Dr. Lothar E b e r s- berg d. Ä. Carl Luther hat diesen wirksamen Schwung auf seinen Ski- kursen in Deutschland und Österreich gelehrt und ihn 1911 in seinem Buch „der moderne Wintersport" genau und einwandfrei lehrhaft beschrieben und ihm aber den Namen Stemmchristi- ania gegeben. Nie vor dem 10. Jänner 1910 wurde diese Hilfe nachweisbar anderswo beobachtet. Der Norweger Jakob Schappel-Jacobsen, seit dem Winter 1909/10 in Kitzbühel als Ski- lehrer tätig, hat ihn dann 1910/11 als sogenannten „Bauernchristl" gezeigt und gelehrt. Von Baron Bees wird be- richtet, er habe ihn als „Beesschwung" an den Arlberg gebracht. Die Schwei- zer nannten diese Hilfe später eine Zeitlang „Christiania auf dem untern Fuß", doch durchgesetzt hat sich der von Luther festgelegte Begriff ‚Stemm- christiania", auch in der englischen Skiliteratur. Luther: „Tatsache ist - und in die- sem Punkte muß ich gleiche Feststel- Lungen bestätigen -‚ daß Kitzbüheler skipädagogische und skitechnische Er- rungenschaften der Entwicklung am Arlberg vorausgegangen sind. Selbst- verständlich trifft dies auch auf den später ganz der Arlbergschule zu- geschriebenen Stemmchristaania zu
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