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Seite 12 K1tzbthe1er Anzeiger Samstag, 16. November 1968 spielgebend in der Pflichtauffassung und brachte ärztliche Hilfe bis hinauf auf die höchsten Bauernhöfe. Die bei- den Nachbarbürgermeister von Hopf- garten und von Brixen LA Leonhard Manzl und Franz Podesser schlos- sen sich dem Dank und den Wünschen an und überreichten ihm sinnvolle Prä- sente. Dr. Holinsteiner hat bei den Sonn- und Feiertagsdiensten auch diese beiden Gemeinden ärztlich versorgt. Obermedizinairat Doktor Hermann Holinsteiner wurde am 7. November 1904 in Innsbruck geboren. Im Jahre 1932 wurde er an der Innsbrucker Universität zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert und praktizierte sodann in Wien bei den berühmten Ärzten Wagner und Eiselsberg. 1938 er- öffnete er in der Bundeshauptstadt eine eigene Ordination und wurde da- bei auch zum Werksarzt der Groß- druckerei „Vorwärts" bestellt. Im 2. Weltkrieg wurde er zu einer Polizei- einheit einberufen, wurde später Luft- schutzarzt und Sanitätsausbilder. Im Jahre 1938 verehelichte er sich mit der Ärztin Christine Swoboda, welche ihr Doktordiplom 1936 erhalten hatte. Die Wohnung in Wien wurde zerbombt, die Familie flüchtete bei Kriegsende ins Zillertal, wohin auch er sich durch- schlagen konnte. Die ärztliche Lauf- bahn schilderte bereits Bürgermeister Schenacher. Es ist bezeichnend für die Persönlichkeit des jungen Ehrenbür- gers, daß er schon in jungen Jahren zinn Delegierten und Sprecher der Ärzteschaft unseres Bezirks und seit 1960 des Landes Tirol gewählt wurde. Er vertritt ja auch die Ärzte Tirols als Das Kulturreferat der Marktgemeinde St. Johann veranstaltete am 12. Novem- ber eine Diskussion über die jüngste Vergangenheit Oesterreichs. Vor der vollbesetzten Aula des Bundesgymna- siums stellten sich dem Diskussions- leiter Professor Walter K an t n e r die Vertreter der drei im Parlament ver- tretenen Parteien, nämlich Landesrat Dr. Karl Erl a eher (OeVP), Landtags- abgeordneter Dr. Alfred K i e n e s b e r - g e r (SPOe) und Landesparteiobmann Klaus Mahner t (FPOe), Direktor Wal- ter W e i h s sprach als Historiker und Kanonikus Franz We s e n a u e r als Ver- treter der Kirche. Nach einer kurzen Begrüßung durch Bürgermeister Andreas M a r i a c h e r wies Prof. Kantner darauf hin, daß der 50. Geburtstag unserer Republik kein Jubeltag sei und daß wir daher statt pompöser Feiern die Auswirkungen un- serer jüngsten Vergangenheit auf die Gegenwart in einem Gespräch von mög- lichst verschiedenen Seiten beleuchten sollten. Die Vergangenheit bewältigen Kammerrat und wurde vom Herrn Bundespräsidenten 1959 mit dem Titel Medizinalrat und 1967 mit dem Titel Obermedizinalrat ausgezeichnet. Im Namen der Altersheiminsassen sprach die ehrw. Oberschwester Rade- gundis die Dankworte, im Namen der Frauen die „Pfeifferin" und im Namen der Familien der Stöckibauer Anton Fuchs. Obermedizinairat Dr. Holinsteiner dankte in seiner Ansprache, mit wel- cher diese schöne Feier auch ab- geschlossen wurde, dem Bürgermeister mit dem Gemeinderat, dem Bezirks- hauptmann, der Musikkapelle, den ehr- würdigen Schwestern und den Kin- 'PAM Koks u. Kohlen Telephon 2992 dem, den Bürgermeistern der Gemein- den von Hopf garten und Brixen, allen erschienenen Gästen und der Bevöl- kerung sowie Präsident Kommerzial- rat 0 b e r m o s e r für die schriftlichen Glückwünsche. „Liebe Westendorfer! Ich habe Westendorf lieben gelernt und der heutige Tag, die Ehrung durch die Gemeinde, krönt mein bisheriges Lebenswerk, meine Laufbahn als Arzt und Mensch. Ich kann nur den Herr- gott bitten, Westendorf und die Bewoh- ner zu schützen und zu segnen. Dem Dorf und den Bewohnern: „vivat, escrat, floriat!" Ich danke auch dem Herrn Präsidenten der Tiroler Ärzte- kammer und den anderen Ehrengästen für ihre Anwesenheit sowie der Be- völkerung für das gezeigte Interesse. hieße, ihre positiven und negativen Sei- ten zu erkennen, um einen Weiter- weg für die Zukunft zu finden. Als erster Diskussionsredner sprach Landesrat Dr. Karl Erlacher davon, daß Oesterreich eine weltweite Mission hat- te, die 1918 ein jähes Ende fand. Danach herrschten in der ersten Republik Haß und Vorurteil. Der Anschluß der Oester- reicher an Oesterreich, so führte Erla- eher weiter aus, sei damals nicht ge- lungen. Die Fehler der ersten Republik seien dann nach 1945 bewältigt wor- den. Vor allem der Haß dem politi- schen Gegner gegenüber habe auf- gehört. Heute bestehe nur mehr die Wahl zwischen Weltimperium, d. h. Un- terdrückung durch eine Supermacht, und Weltvernunft, d .h. einer Welt- ordnung mit möglichst großer Freiheit. Abschließend stellte er fest, daß wir heute nichts mehr zu bewältigen hät- ten, sondern es besser machen müßten. Nach ihm gab der Landtagsabgeord- nete Dr. Alfred Kienesberger zu beden- ken, daß eine Bewältigung der Ver- gangenheit nur nach einem Verständ- nis der Zeitumstände möglich sei. Da- her dürften wir, um nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, auch nicht mehr die Zeitumstände schaffen, die zu diesen Fehlern führten, sondern wir müßten die Vergangenheit in be- zug auf die Zukunft auswerten. Landesparteiobmann Klaus Mahnert wies darauf hin, daß mit Bewältigung der Vergangenheit oft eine Vergewalti- gung der Vergangenheit vorgenommen werde. Er stellte ein Verständnis für die Vergangenheit als Voraussetzung jeder ehrlichen Bewältigung hin, wor- unter er vor allem die Lösung von Auf- gaben verstand, die aus früheren Zei- ten stammen, wie z. B. die Südtirol- frage. Als positiv bewertete er, daß Oesterreich das nach dem ersten Welt- krieg verlorene Selbstbewußtsein in der letzten Zeit wiedergefunden hat. Oester- reich solle zum Motor einer Einigung Europas werden und als Brücke zwi- schen den verschiedenen Völkern dienen. Direktor Walter Weihs konnte als er- ster parteiungebundener Diskussions- teilnehmer frei von jeder Parteiideolo- gie sprechen und ging daher konkret auf bewältigte und nicht bewältigte Probleme der Vergangenheit ein. Als bewältigt betrachtete er die Frage der Unabhängigkeit Oesterreichs, die heute von niemandem mehr in Frage gestellt wird. Auch die Staatsform, nämlich ei- ne parlamentarische Demokratie, wird heute allgemein anerkannt, ebenso un- sere Neutralität und eine teilweise To- leranz dem politischen Gegner gegen- über. Als nicht bewältigt sei aber das Untertansdenken der Staatsbürger dem Verwaltungsapparat gegenüber, das noch aus den Zeiten der Monarchie stamme, als ein gewöhnlicher Bürger noch vor dem Amt zittern mußte. Vor allem bemängelte Direktor Walter Weihs aber den großen Mißbrauch der Protektion. Es komme sogar soweit, daß in Oesterreich alles erlaubt sei, wenn man nur die nötigen Beziehungen habe. Um diese Mißstände auszumerzen, sei vor allem eine direkte Demokratie und eine bessere Kenntnis der Verfassung durch den Staatsbürger notwendig. - Nicht Ruhe, Unruhe sei die erste Bür- gerpflicht. Die Bewältigung der Vergangenheit ist auch ein Generationsproblern, denn wer einen Zeitabschnitt nicht erlebte, wird freier über ihn denken. Daher sei mit abnehmenden Alter eine zuneh- mende Objektivität zu erwarten. Als fünfter Diskussions -Teilnehmer sprach Kanonikus Franz Wesenauer, Stadtpfarrer von Salzburg. Er erzählte aus seinen persönlichen Erlebnissen, wie nach 1918 bewußt ein Klassen- kampf gezüchtet wurde und wie poli- tische Feinde konstruiert und mit allen schlechten Eigenschaften dieser Welt bedacht wurden. Die Ernüchterung kam 1945. Alle machten einen Wandel durch, Haben wir unsere Vergangenheit bewältigt? Forumdiskussion zum 50. Jahrestag der Gründung der Republik Österreich
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