Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Seite 8 Kltzbüheler Anzeiger Samstag, 16. November 1968 Seit vielen Jahren ist dieses Schlag- wort ein fester Bestandteil aller Dis- kussionen, die über die Probleme der Höheren Schule abgehalten werden. Reformbeflissene Politiker, besorgte El- ternvereine, bedrängte Schülerkongre- gationen haben es zum Sammel- begriff aller Klagetöne gewählt, die sie gegen vermeintliche oder echte Miß- stände des Gymnasiums erschallen lie- ßen. Die Berechtigung dieser kritischen Stellungnahmen soll nicht rundweg ge- leugnet werden. Man wird sie sogar begrüßen, sofern sie aufrichtiger Sorge und begründeter Einsicht entspringen. Die Schule ist ja eine Institution der Gesellschaft, hat mit ihr und aus ihr zu leben, und es wäre verhängnisvoll, würde sie zu einem fortschritts- und gesellschaftsfeindlichen Reservat über- holter Bildungsideen erstarren. Die Lehrer an den Höheren Schulen sind von der Gesellschaft mit der Aufgabe betraut worden, die studie- rende Jugend zur Bildung (die in ih- rem eigensten Wesen nur Selbst-Bil- dung sein kann) anzuregen; sie - wie es heißt - zu wertvollen Mitgliedern dieser Gesellschaft und pflichtbewuß- ten Staatsbürgern zu erziehen. um jedoch diese Erziehungs- und Bildungsaufgabe erfolgreich bewältigen zu können, müssen sich beide Partner - Schule und Gesellschaft - auf ihre Pflichten besinnen. Die Gesellschaft prägt das verpflich- tende Modell: „Wie hat ein Lehrer zu sein" - und erwartet, daß jeder, der sich dem Lehrer verschreibt, die- sem Modell nacheifere. Wie wir ein- leitend betont haben, bekennen wir uns selbstverständlich zu diesem ih- rem Recht. Nur darf sie dabei nicht darauf vergessen, daß man Anforde- rungen erst dann stellen kann (und dies wird dem Lehrer immer wie- der vorgehalten), wenn man den eige- nen Beitrag bereits geleistet hat. Zu diesem Beitrag gehört der Schutz, die Abschirmung des schulischen Bereichs vor ungerechtfertigten, verleumderi- schen Angriffen, von welcher Seite sie auch immer kommen mögen. Wie könnte denn in einer aufgewühl- ten, erregten Atmosphäre die erwar- tete gedeihliche Erziehungsarbeit vor sich gehen? Wie könnte ein Schüler in seinem Lehrer, der zur Zielscheibe des öffentlichen Spottes, zum Opfer primitivsten Hohnes wird, ein rich- tungsweisendes Vorbild sehen? (Auch wenn dieser dessen noch so würdig wäre!) An dieser elementaren Pflicht des Schutzes läßt sie es jedoch sehr oft fehlen. Dies beweist ein konkreter Fall, der Anlaß unserer Ausführungen: Zwei Tage lang gab das Lichtspiel- theater St. Johann den Film zum be- sten: „Der Lümmel, von der Letzten Bank". Der sinnreiche Untertitel die- ses Machwerks weckte aber schon deutlichere Vorstellungen: „Zur Hölle mit den Paukern!" Diese Zelluloidrolle setzt sich mit schulischen Problemen auf eine ganz eigene, wenn auch nicht sehr origi- nelle Art auseinander. Die Bildfolge, die dem schaulustig herbeiströmenden Publikum vorgeführt wurde, war ver- letzender und billig-strohdummer Kla- mauk. Da gibt es einen Lehrkörper, der zu 99 0,lo aus weitfremden, erzkonser- vativen, sadistischen und last not least recht einfältigen Mitgliedern besteht. Die Lehrer sind hilflose Spielbälle einer äußerst lernfeindlichen, dafür aber ziemlich bösartigen Schüler- gemeinschaft, die es sogar soweit bringt, daß einer der Professoren ins Nervensanatorium überführt werden muß. Der Direktor ist eitel und eifer- süchtig; ein bedingungsloser Liebedie- ner einer ungebildeten, aufgeblasenen Geldaristokratie. Der Lateinlehrer ist ein sadistischer, hinterhältiger Dumm- kopf, der auf nichts anderes sinnt, außer seinen Schülern tückische Fallen zu stellen. Geschichte lehrt ein un- verbesserlicher Bismarckanhängr, für den die Welt seit 1870 stillsteht. Der Mathematiker erblickt seine Unter- richtsaufgabe im Aufspüren von Schwindelzetteln, falls er nicht gerade Gelegenheit hat, seine Kenntnisse über Luftschutzmaßnahmen an den Mann zu bringen. Naturgeschichte wird von einer hysterischen alternden Jungfer vorgetragen, die ihre sexuellen Kom- plexe auf den Unterricht überträgt. Der einzige Pädagoge, der die Spra- che der Schüler versteht, ist ein leuch- tender junger Gott der Leinwand, der 11241 B ri ketts Telephon 2992 sich auf alles versteht - auf Sport, auf Liebe, auf feuchtfröhliche Schü- lerabende - nur gerade auf den Un- terricht nicht, wie dies der Film, zwar unfreiwillig, dokumentiert. Er würde auch unweigerlich der verzopften Uebermacht erliegen, wäre er nicht zufällig Neffe des Kultusministers, der seine Hände schützend über ihn hält. Da aber der Unterricht nicht aus- schließlich mit Ministerneffen bestrit- ten werden kann, bringt uns der Film die betrübliche Gewißheit, daß an allen Schulen unbewegt und unerschüttert die oben geschilderte Clique regiert. Nun, es wird wohl niemand behaup- ten wollen, daß dieses Zerrbild der Wirklichkeit abgelauscht sein könnte. Wer würde denn unter solchen Um- ständen wagen, sein Kind an diesen Tummelplatz verkrachter Existenzen zu schicken? Da die Macht der Massenmedien, ihre meinungsbildende Kraft (der Film war jugendfrei über 12 Jahre) be- kannt ist, dürfen wir an diesem be- dauerlichen Machwerk nicht wortlos vorbeigehen. Wir verwahren uns auf das entschiedenste gegen dieses Zerr- bild, das in der offenkundigen Ab- sicht zusammengekleistert wurde, die Lehrerschaft der Höheren Schulen zu verunglimpfen. Ist das vielleicht der Weg, dem viel- zitierten schulischen Unbehagen abzu- helfen? Ist das einsichtsvolle sachli- che Kritik, der wir einleitend Rechte einräumten? Nein, diese Art von Kritik hilft uns in keiner Weise weiter. Sie dient nur dazu, die ohnehin schwere Position unserer Schulen noch mehr zu be- lasten, die Fronten zu versteifen, Ge- hässigkeit an die Stelle gegenseitigen Verständnisses zu setzen. Sie wirft aber zugleich die Gegen- frage auf: „Wird die Atmosphäre des schulischen Unbehagens nicht außer- halb der Schule geschaffen?" Prof. L. Lang Sozialpolitischer Arbeitskreis der FPØ Zum fünftenmal fand am vergange- nen Wochenende, 9. und 10. November, im Schulungsheim der Tiroler Arbeiter- kammer auf der Hungerburg in Inns- bruck die Schulung der sozialpoliti- schen Mitarbeiter des Landessozialaus- schusses der FPOe-Landesgruppe Tirol statt. Dieselbe wurde vom Vorsitzen- den des Landessozialausschusses, dem Ortsobmann der FPOe St. Johann Sepp G r u b au e r, einberufen und geleitet. Die Bedeutung dieser Veranstaltung für die Arbeit im Rahmen der gesamt- parteilichen Aufgaben wurde durch die Anwesenheit der Spitzenfunktionäre der FPOe-Landesgruppe Tirol, geführt von Landesparteiobmann GR Klaus M ah- n e r t und dem Abgeordneten zum Ti- roler Landtag Dr. Heinz M a d e r, un- terstrichen. Hervorragende, durch be- stes Fachwissen untermauerte Refera- te des Landesobmannes M ah n e r t, des Mitglieds des Bundessozialausschusses Toni B a c h o f n e r aus Wien sowie des Privatangestellten Kollegen Herbert E g g boten die Grundlage für eine breit angelegte Diskussion, an der sich auch die ständigen Mitarbeiter des Be- zirkssozialausschusses unter Zugrunde- legung der klaren sozialpolitischen Aus- sage im neuen auf dem Bad Ischler Bundesparteitag 1968 beschlossenen Par- teiprogrammes beteiligten. Das große schulische Unbehagen „Zur Hölle mit den Paukern"
< Page 7 | Page 9 >
< Page 7 | Page 9 >