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seite 4 ktzbüheLer Anzei ger Samstag, 20. Dezember 1989 Das Werden der Kulturlandschaft von Kitzbu ""hel Vortrag von Univ.-Dozent Dr. Dieter Assmann, gehalten hei einer Veran- staltung des Kath. Bildungswerkes Die Kulturlandschaft ist der unter dem Einfluß der Kulturkräfte aus der Naturlandschaft geschaffene, in Wohn-, Wirtschafts- und Verkehrs- raum gegliederte Lebensraum des Menschen. Im mannigfaltigen Reigen der Land- schaften Tirols nimmt der Kitzbühe- ler Raum eine Sonderstellung ein. In den gebräuchlichen Namen Steinber- ge, Grasberge und Keesberge wird der wesentliche Unterschied der ein- zelnen Gebirgszonen treffend gekenn- zeichnet. Allgemein ist im Kitzbüheler Raum zu beobachten, daß fast alle Kare und Steilabfälle auf der Schatt- seite, dagegen die sanfteren Hänge auf der Sonnseite liegen. Die Lage zur möglichst günstigen Sonneneinstrah- lung spielt in der Siedlungsgeschichte des Alpenraumes eine immer wieder festzustellende große Rolle. Neben dem Klima ist auch die Hö- henlage e henlage zu beachten, umso mehr, als auf den Talboden, einschließlich der Höhenrücken des Bichlach und des Lebenberges, nur 17,4 Prozent der un- ter 800 Meter liegenden Areale ent- fallen. Besonders auffällig ist der star ke Anteil an der Höhenstufe von 1400 bis 1600 Meter, vor allem im östlichen Gemeindegebiet (Trattalmen und Säm- merbühelalmen). Dieser Anteil be- trägt 17,9 Prozent. Die höchste Erhe- bung im Gemeindegebiet ist das Kitz- büheler Horn mit 1996 Meter. Es ragt isoliert empor. Das Gegenstück bildet im Südwesten der Jufenkamm, der im Steinbergkogel eine Höhe von 1971 Me ter erreicht. Obwohl die Talungen im Vergleich zur Wasserführung der Flüsse und Bä- che verhältnismäßig breit sind, war die eigentliche Talsohle siedlungs- feindlich. Vor der Regulierung der Großache und ihrer Nebenbäche in den Jahren 1902 bis 1910 waren die Talböden weithin von feuchten und stellenweise auch sehr sumpfigen Au- wiesen und Auwäldern bedeckt. Die Veränderungen im Waldbestand durch den Menschen waren groß. Die Rodungen gingen nicht nur vom Tale aus in die Höhe, sondern drückten die Waldgrenze auch von oben durch die bereits in vorgeschichtlicher Zeit betriebene Almwirtschaft herunter. Die ersten Spuren menschlicher Be- siedlung sind uns in den urnenfelder- zeitlichen Brandgräbern am Leben- berg überliefert. Diese wurden erst 1964 entdeckt und in die Zeit zwischen 1300 bis 1100 vor Christus datiert. Noch bedeutender und weithin be- kannt sind die Funde vom prähistori- schen Bergbau im Bereich der Kelch- alm. Die Frage, um weiches Volk es sich handelte, das vor mehr als 3000 Jahren in die Alpen zog, vornehmlich von der Land- und Viehwirtschaft lebte und bereits einen starken Kupferbergbau betrieb, ist durch neuere Forschungen wieder etwas umstrittener geworden. Bisher nahm man als sicher an, daß es 111 y r i e r waren, die zwischen 2000 und 1500 v. Chr. aus dem Gebiet der Lausitz in die tirolischen Alpen ka- men. Im Jahre 15 v. Chr. gelangte der ge- samte Ostalpenraum durch den Feld- zug von Drusus und Tiberius unter die Herrschaft der Römer. Für den Kitzbüheler Raum sind uns keinerlei Spuren dieser Römerherrschaft über- liefert. Entscheidend für die Siedlungs- geschichte war die Einwanderung der Bajuwaren ab dem 6. Jahrhundert. Der Talname Leukental hat seinen Namen von der heute verschollenen Burg Luichenstein, die Gerichtssitz war und nahe dem ebenfalls abgekomme- nen Ort Luichingen lag. Dieser Ort ist aus verschiedenen Hinweisen in Urbaren zwischen dem heutigen Bärn- stetten und Schwendtling am Südrand des Niederkaisers bei St. Johann zu lokalisieren. Gegen Ende des 13. Jahr- hnderts wurde dieses Ge-richts-zen-- trum nach Kitzbühel verlegt, wo be- reits 1297 ein Richter genannt wird. Das kirchliche Zentrum des Leukentals war und ist bis heute St. Johann. Eine besondere Form des Siedlungs- ausbaues sind die sogenannten Schwai- gen. Die Anlage derartiger Höfe wer- den wir vor allem in jenen Gebieten vorfinden, in denen der Ackerbau nicht mehr möglich war. Die Unterstützung durch den Grundherrn erfolgte haupt- sächlich in Form der Beistellung von Vieh. Dieses Vieh - in der Regel fünf bis sechs Kühe - nannte man die „Eisenkühe", die sozusagen den eisernen Bestand der Schwaighöfe bil- deten und weiterhin im Besitz des Grundherrn verblieben. Die Zinslast der, Schwaighöfe betrug im allgemeinen 300 Laib Käse. Die Größe der Laibe schwankte zwischen 1 /2 bis anderthalb kg. Allmählich wur- den die Käsezinse in Geldzinse um- gewandelt. Während für Tirol früher allgemein hauptsächlich die Mager-, käserei nachzuweisen ist, wurde im Gericht Kitzbühel schon früh auch die Fettkäserei betrieben. Bei J. J. Staffier lesen wir, daß nur in den Gebieten um Tannheim, Hopfgarten und Kitz- bühel fette Käse erzeugt wurden; „der vorzüglichste darunter dürfte wohl, nebst dem Jochberger, der Auracher Käse sein." im ältesten bayrischen Herzogsurbar um 1240 werden im Leukental (bis Jochberg) folgende Schwaighöfe ge- nannt: Swent Holernawe, Grizzenowe. Staudach, Swaickhof, Smalnechte, Rau- genmos, Pflvchsperch, Wurtzren, Puch- swent, Mittereusten, Hennental. Lug- egg, Oherkegelawe, Iochnerch, Grub. Nortzen. Reut, Walde, Nidernwalde, Dehsach, Aeigelsawe. Elfecheinstatt, Winthagen, Ehesnhinperch. De ursprüngliche Form der Drei- felderwirtschaft. die darin bestand, daß abwechselnd ein Teil der Flur brach gelässen wurde und nis Weide diente, wurde im Gebirgsland schon bald durch das System der Egartwirtschaft abgelöst. Dabei wird nur mehr ein mehrjähriger Wechsel zwischen Acker und Wiese eingehalten. Die für eine intensivere Viehwirt- schaft notwendige Stallfütterung, wel- che wieder die Heuwirtschaft bedingt, war jedoch erst möglich, als das wich- tige Gerät der Sense einen zügigen Schnitt in aufrechter Haltung des Mä- hers ermöglichte. Dr. -Karl lig nimmt an, daß die entsprechende Umgestal- tung der Sense zu ihrer heutigen noch gebräuchlichen Form bei uns im 12/13. Jahrhundert erfolgte. Ein weiterer wichtiger Umstand war, daß durch den Schnitt mit der Sense die Wiesen von Giftpflanzen weitgehend befreit wurden, da diese ein weitaus geringe- res Regenerationsvermögen besitzen. Die Wiesendüngung können wir bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Ueber die Art der Viehrasse in frühester, Zeit hat man fast keine Hinweise. Der Ackerbau war früher viel be- deutender als heute. Nach der Getreide- beschreibung von H. Telbis von 1615 dienten im Landgericht immerhin 2540 Hektar dem Getreideanbau. 1836 wa- ren es nur mehr 1846 ha. An erster Stelle steht der Roggen, gefolgt vom Weizen, der aber im „Kössener Vier- tel" mehr als die Hälfte tier gesamten Getreidemenge ausmacht, während im Jochberger Viertel der Roggen 54 Ofl einnimmt. Fast keine Bedeutung hatte im 'Ge- gensatz zum mittleren und oberen Inn- tal der Gerstenanbau. Die Kartoffel scheint in Tirol erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf. Neben den Käsezinsen bei den Schwaighöfen, den Kornabgaben USW. finden wir in älteren Urbaren auch sehr viele Weinzinse, vor allem aus dem nordöstlichen Tirol. Sie betru- gen je Hof ein bis zwei „Potigen", was einer Menge von 70 bis 1401 ent- spricht. Dies führte zur Annahme, daß im Mittelalter im ganzen Leukental bis nach Jochberg hinauf auch Weinbau: betrieben wurde. Dr. Matthias Mayer, der sich mit dieser Frage eingehend befaßte, führt u. a. auch Flurnamen an, die auf ehemaligen Weinbau hinweisen: so ein Weinberg am Sonnberg ober Aurach und bei Zimmerau in Reith.
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