Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 6 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 17. Februar 1968 in enge Bänke eingezwängt, so lauschten sie ganz hingerissen und schienen vieles nicht zu wissen. Wir konnten lange uns nicht erklären, wozu sie hier versammelt wären. Dann endlich ward es sonnenklar, daß dieses eine Schule war. So wie bei uns vor langer Zeit, so lehrt man auf der Erde heut. Von Lernmaschinen keine Spur, was du hier brauchst ist Grütze nur. Und der Erfolg von der Geschicht: beim einen klappt's, beim andern nicht In einer dieser Zellen steht vor den versammelten seltsamen Wesen das größte der komischen Geschöpfe, an- scheinend der Anführer. Plötzlich sen- det er Schallwellen aus, die den Rest der Wesen in Bewegung umsetzt. Das Prinzip der Energieerhaltung scheint ihnen also bekannt zu sein. über ein PA-System (primitiv ausgedrückt Laut- sprecheranlage) kommt eine Nachricht durch. Das System steckt allerdings noch in den Kinderschuhen, es ver- mittelt weder ein plastisches noch fr- biges Bild, nur Tonwellen. Es scheint hier zumindest einen Boß zu geben, ein gebieterisches Wesen, das geheim- nisvoll über alles schwebt. Man hört ihn nicht, man sieht ihn nicht, nur manchmal seine Stimme spricht geheimnisvoll durchs Mikrophon in majestätisch barschem Ton. Als nächstes erleben wir Heimat- kunde, vorgetragen von einem blonden, blauäugigen Germanen. Zwar nennt sich das Fach Geographie, doch wer- den hier die anderen Welten scheint's vollkommen außer acht gelassen. Trotz aller Ansätze ins All hinauszugreifen, endet alles im Cologna-lismus. Den Missionar, engverbunden mit dem Co- logna-lismus lernen wir auch kennen. Doch Kolonien hin, Kolonien her, er bevorzugt die Gegend, wo die weiße Traube wächst. Des Nachts lag unser Bau im Dunkeln, doch einmal sahn ein Licht wir funkeln. Als wir forschten, wer das ist, erkannten wir den Alchimist. Wir sahn ihn Trank und Tränklein mischen, aus den Kolben drang ein Zischen, zwischendurch erklang das Murmeln geheimnisvoller chem'scher Formeln. Was dieser Mann nur hier gewollt? Dann merkten wir - er wollte Gold. Was jedem Kind bei uns schon klar, auf Erden noch ein Rätsel war. Wir werden ihm die Formel sagen, er kriegt dann einen tollen Wagen und eine Villa mit Dienerschaft und Ski, die fahrn aus eigener Kraft. Nach einer Weile betritt ein anderer den Raum. Wie wir herausbekommen sollten, beginnt der Geschichtsunter- richt über primitive Atomphysik. Nach einigem Zuhören müssen wir den We- sen höchste Bewunderung zollen, wie sie die Erklärungen des Leiters analy- sieren können, wir verstehen beim be- sten Willen nichts, Sogar unsere physik- ausgerichteten Computer versagen den Dienst. Doch es kommt noch schlim- mer; man bedient sich einer Methode, der keine Zukunft beschieden ist. An- stelle eines Computers verwendet man den eigenen Kopf zum Rechnen. Was wir nicht verstanden haben, warum die Mädchen und die Knaben sich plagen mit dem Fach Latein. Wozu denn die vier Stunden Pein? Herr Cato und Herr Cicero sind doch schon längst bei Mephisto. Und während rings das Weltall lodert und alles nach Autoren schreit, haben sie gemächlich Zeit für eine Sprache, längst vermodert. Nomen est omen, bitte sehr, das konnten wir sogleich begreifen, denn während wir nach Sternen greifen, Babyausstattung Kinderwagen bei in &VW«bu FMM St. Johann singen sie: Lang, lang ist's her. Doch schlimmer ist DG, Latein, denn dieser Mann ist ganz aus Stein. Was immer auch ein Schüler spricht, er hört es mit steinernem Gesicht. Sein Argusauge aber wacht, daß keiner hier Geschäfte macht, und aus des Nachbars Heft erfragt, was ihm der eigne Geist versagt. In dieser Stätte scheint jedoch alles von unsichtbaren, automatischen Bos- sen bis zu Lehrern primitivster Höhlen- malerei vertreten zu sein. Ein anderes Wesen müht sich mit großem Eifer und hellem Mut für eine verlorene Sache. Wie wir nach einer Unterredung mit dem seligen Mark Twain infor- miert sind, genügen nicht einmal drei- ßig Jahre, um die deutsche Sprache zu erlernen. Voll Staunen konnten wir es schaun, es gibt auch Frauen, die sich trauen, vor diese Meute hinzutreten. Wir glaubten ja, daß dieses mehr ein Job für harte Männer wär, so wie auf anderen Planeten. Doch hält es hier die Frauen jung, haben sie nur Zungenfertigkeit und Schwung. Und nun, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen die Sensation des heu- tigen Abends vorstellen, etwas Ein- maliges und Unergründetes. Theologen und Philosophen stehen noch vor ei- nem Rätsel, wir konnten es einwand- frei nachweisen - einen Fall der Seelenwanderung. Vom Himmel her war uns bekannt, es fehlte dort Immanuel Kant. Erst war er im Elysium, um von der Erde auszuruh'n. doch plötzlich war er dort verschwun- den, und wir, wir haben ihn gefunden. Er tarnte sich zwar sehr geschickt, hat ein -er sich angeflickt, hat sich mit Weib und Kind umgeben und führt ein bürgerliches Leben. Und heißt auch nicht Immanuel, man kennt ihn sonst gar zu schnell, doch hat er sich auch hier erkoren, die Wissenschaft, der er verschworen. Und so erscheint es uns wohl klar, die Seele wandert offenbar. Nach einer Weile dünkt uns nun dieses Erdenleben so unterhaltsam, daß wir beschlossen, für eine Weile hier- zubleiben. Vor allem wollen wir Ma- terial sammeln für eine Sensations- reportage: Reise in die Steinzeit. Dar- um möchten wir den Boß dieser An- stalt bitten, uns einige Zeit aufzuneh- men und überreichen hiermit unsere Aufnahmegesuche. Als dann die erste Schul-Band auf das Podium stieg, um ihr erstes ein- studiertes Ballstück zu bringen, trieb die Stimmung langsam ihrem Höhe- punkt zu. Schließlich trat Professor Ladislaus Lang ans Mikrophon und gab ein lateinisches Lied zum besten (die tJbersetzung dessen hätte wohl manchem Maturanten den Schweiß aus den Poren getrieben). Nicht mehr zu halten waren die Ballgäste, nachdem der Klassenvorstand der Maturaklasse Professor Adolf C ol o g na die ‚.Donna Cäcilia" sang. Die Zeit verflog viel zu rasch und zu bald hörte die Hauskapelle, die jugoslawische Sieben-Mann-Band unter Wesely Benzo, die durch ihre schmis- sigen und modernen Weisen die Ball- gäste höchst vergnügte, auf zu spielen. Da „sprang" die Schulband mit Hel- mut 0 b e r m o s e r, Kitzbühel, Alexan- FEDERBETTEN,, HEIMTEXTIL KUSTER KITZBU H EL der und Miguel S p i t z y aus Saalbach und Wilfried T jr a 1 a, Kitzbühel, in die Bresche und spielte weiter zum Tanz. Die Polizeistunde mahnte jedoch unwiderruflich zum Schluß und schwe- ren Herzens mußte dieser akzeptiert werden. Der Maturantenball 1968, der, wie Herr Direktor Professor Walter Veihs in seiner Begrüßung feststellte, immer mehr ein alljährlicher Treff- punkt aller ehemaligen Maturanten zu werden verspricht, um die Verbindung untereinander nicht abreißen zu Jassen, klang harmonisch und unvergeßlich aus. A. W. Herausgeber: KftzbOheler AnzelgerGes.m.b.H, KitzbOhel, Vorderstadt 10; Verwaltung: Kitzbühel, Sohwarzseetraße 2, Tel. 2576; verantwortlicher Schriftleiter Martin Wörg8tter1 Kitzbühel, Hinterstadt 17, Tel. 2230; Druok: auohdruoker& R,b.tmmLHsInln9sr,KltzbUh&,WehrgUse8,TOJ,2515
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