Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 6 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 22. März 1969 Ella Grander-Schober in Dreizehnlinden gestorben Nun ist sie in die Ewigkeit gerufen worden, die ehemalige Lehrerin von 0 b e r n d o r f, und erste, durch ein Menschenalter lang verdienstvolle Schulleiterin und Lehrerin der Tiroler Kolonie Dreizehnlinden in Süd-Bra- silien. Als Mitarbeiterin des Kolonisten- vaters Landwirtschaftsministers a. D. Andreas Thaler aus der Wildschönau hat sie neben und gemeinsam mit dem Seelsorger, Pfarrer und Dekan Reit- meier, der sich in diesen Tagen als Priester der Erzdiözese Salzburg in der Heimat hochbetagt und für sein Le-. benswerk bedankt zur Ruhe gesetzt hat, nicht nur die Schuljugend erzogen und geführt, sondern war mit Msgr Reitmeier der geistige Mittelpunkt des Tiroler Kolonistenvolkes im fernen Süd- amerika Der Pflege und Erhaltung der Mut- tersprache und der heimatlichen Mund- art, des Brauchtums, eines unentbehr- lichen Gemeinschaftssinns und Arbeits- geistes bei dem schwierigen Aufbau der Kolonie widmete sie die Kräfte ihrer Persönlichkeit. Längst steht ein neues Schulhaus in Dreizehnlinden; aber auch die übrigen kulturellen und menschlichen Anliegen der Kolonisten waren ihr Herzenssache. Schon als junge Lehrerin in Oberndorf bekun- dete sie verantwortliche Volksverbun- denheit, indem sie im ersten Weltkrieg nach Ausbildung im Krankenpflege- dienst als Rotkreuzschwester freiwillig zu Tiroler Regimentern in den Laza- rettdienst nach Galizien zog und eine Rotkreuzauszeichnung erhielt. Sie zog mit der zweiten, vielfach aus Obenidorfern bestehenden Auswande- rergruppe, nachdem sie den Hummer- bichibauern Grander geheiratet hatte, nach dem fernen Kontinent. So darf diese Tiroler Lehrerin, welche die Schließung der deutschen Schule in Dreizehnhinden schon 1941 erleben mußte, das Verdienst mit in Anspruch nehmen, der Kolonie mit der nahegelegenen Ausbausiedlung B a b e n b e r g das geistige tirolische Antlitz weitgehend erhalten zu haben; sie hat eine Lebensaufgabe gemeistert, die ihr das Schicksal gestellt hat. Schade, daß die Tiroler Landesregierung es trotz mehrfacher Mahnung unterlassen hat, dieser selbstlos-verdienstvollen Frau und Mutter von sieben Kindern, den offiziellen Dank der Heimat aus- zudrücken. Der Volkskundler der Universität Innsbruck Prof. Dr. lig, der 1968 zum zweitenmal die verschiedenen brasilia- nischen Kolonistensie dilungen als For- scher und hilfsbereiter Bote der Hei- mat besucht hat, schreibt: „Waren An- liegen an Dreizehnlinden zu richten, so war Frau Grander stets bereit, diese zu übernehmen, so daß sie für den Wis- senschaftler, für den Diplomaten und die österr. Botschaft eine unentbehr- liche Mittelsperson gewesen ist. Beim letzten Abschied vor etlichen Monaten schien sie, obwohl ganz gesund, den Tod geahnt zu haben. Sie meinte, sie würde uns nie mehr wiedersehen kön- nen, und wir sollten Tirol von ihr deshalb besonders innig grüßen. Frau Ella Grander erlag einem Herzschlag am 6. Feber 1969, fast genau dreißig Jahre nach dem Hinscheiden Minister Thalers. Dreizehnlinden aber und ganz Tirol haben in ihr eine wichtige Stützei für unser Volkstum verloren und ha- ben ihr vieles über den Tod hinaus zu danken." Oberndorf und besonders ihr Heimatbezirk Kitzbühel werden sie nicht vergessen. Franz Kaler, Schulinspektor i. R. In Reith und Oberndorf lebt die Fa- milie Josef Grander heute noch in vie- len Familien im Gedächtnis fort. Dem vor zwei Jahren verstorbenen Bürger- meister Johann Jöchi, Reith, berich- tete Josef Grander in einem ausführ- lichen Brief über die Erlebnisse. (In- zwischen ist auch Josef Grander ver- storben.) Hans Jöchl übergab der Re- daktion den Brief, den wir nun zum Andenken an die beiden veröffentlichen: Josef Grander an Johann Jöchl: Dreizehnlinden, Pfingsten 1960. Sehr geehrter Herr Bürgermeister und lieber Freund! Im November wer- den es 26 Jahre! Wie die Zeit ver- geht. So manche schöne Stunden haben wir erlebt; leider aber auch schlimme Zeiten. Der Anfang war keineswegs leicht, jedoch der feste Wille, allen Kindern ein Heim und eine Existenz zu schaffen half über vieles hinweg und Gottseidank durch gutes Zusam- menhalten ist es uns auch gelungen. Mein letzter und auch sehnlichster Wunsch, die Heimat wiederzusehen, wird leider nicht in Erfüllung gehen. Von Bruder Hans (Veitenbauer in Reith) und auch sonst erhalten wir hin und wieder Nachricht oder eine Zeitung, jedoch mit einer Verspätung von sechs bis acht Wochen. Meine Ge- danken sind aber immer in der alten Heimat. Die schlimmsten Jahre für uns waren 1941 und 1942, denn im Mai 1941 starb unser Sohn Franz. Er war das dritte Jahr in einem Colleg und wollte Priester werden. Er hatte ein außergewöhnliches Talent. Der Herr- gott wollte es anders. Im September 1942 wurden Ella, meine Frau, ich und noch vier Kolonisten vom Felde weg verhaftet und acht Wochen in Joa- caba eingesperrt, angeblich wegen Na- zismus. Wir wohnten in Babenberg, 6 km von Dreizehnlinden entfernt. Es war eine Angeberei eines Deutschen. der als Hilfsgeistlicher eine zeitlang in Babenberg die Messe las. Etliche Wochen haben wir dieses Scheusal umsonst verköstigt und als Ella es nicht mehr wollte, wollte er uns auf diese Weise schaden, was ihm auch gelang. Ella war die einzige Frau, die, glaube ich, in ganz Südbrasilien ver- haftet und eingesperrt wurde. Ich bin in diesen acht Wochen schneeweiß geworden vor Kummer und Sorge um die Kinder und die Wirtschaft. Nach dem Krieg kamen etliche schöne Jahre, denn die Buben und Mädchen wuchsen heran, waren alle beisammen und halfen im Haus und in der Wirtschaft. Die Produkte hat- ten gute Preise und so erholten wir uns. Leider waren wir von Anfang an von Thaler viel zu klein bemessen und so mußten die Buben und ich vielfach auswärts Arbeit suchen. Ende der vierziger Jahre hieß es dann aus- einandergehen. 1949 heiratete Rosi nach Dreizehnlinden. Ihr Mann ist ein Siedler und betreibt jetzt hier die Radiotechnik. Habe ihnen ein Holz- haus gebaut und es geht ihnen gut. Er ist tüchtig, sie haben zwei Kinder und wollen nun ein Steinhaus bauen. Der älteste Sohn ging auf die Zim- merei, er hat hier in Dreizehnlinden ein Fleckl Grund gekauft und ein Steinhaus gebaut. Auch er ist ver- heiratet und besitzt Kinder. Der zweite Sohn kam auch 1949 weg. Er wurde Mechaniker und ist heute einer der besten Schweißer weitum und verdient gut. Er hat in der Nähe ein nettes Holzhaus und hat 1950 ge- heiratet. Im Laufe der Jahre kaufte ich noch zwei weitere Kolonien, denn die drei jüngeren Söhne bleiben bei uns und so wollte ich einem jeden ein Heim schaffen. Der zweitjüngste heiratete 1952 nach Babenberg, ebenfalls die jüngste Tochter; diese einen geborenen Kitzbüheler, weicher ein guter Mau- rer ist. Siegfried, der drittjüngste Sohn, haffte ich immer, daß er Bauer wird, denn er war der umsichtigste. Habe ihm auch eine nette Kolonie verschreiben lassen. Leider hatte er sich in eine Brasiliane- rin verliebt und aus war's. Beide zogen nach Toledo und haben dort eine Offi- cina und es geht ihnen gut. Ich habe aber sein Fortgehen schwer überwun- den. Unsere Kräfte ließen dann bedenk- lich nach. Von den Kindern hatte je- des sein eigenes Heim, und so verkauf- ten wir unsere Kolonie und zogen zu unserem ältesten Sohn und haben es hier sehr schön. Ella hat nebenbei viel Arbeit mit Schreiberei und mit dem Kinderchor. Sie korrespondiert mit allen hier ver- tretenen in- und ausländischen Zeitun- gen und Zeitschriften. Ich selbst bin die meiste Zeit auf den Kolonien der
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