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Seite 6 Kitzbüheler Anzeiger. Samstag, 22. März 1969 schichte. In ihr ist es Gestalt gewor- den, hart und klar, ein sichtbares Zei- chen der Gemeinschaft aller Oester- reicher. Dieses Gesetz haben unsere Vorfahren gelebt. Sie haben es un- abänderlich geprägt nach den höchsten Gütern, denen es dient: Glaube, Hei- mat, Vaterland. Es trägt die Züge un- seres Vaterlandes und der Ereignisse, die sich in ihm gespiegelt haben. Da war einmal ein Reich gewesen, das drittgrößte in Europa, in dem öster- reichischer Geist wirkte bis an die Tore des Orients. In den Herzlanden, welche das heutige, kleingewordene Österreich bilden, kreuzten von Anbeginn die Stra- ßen von Westen nach Osten, vom Nor- den zum Süden. Der Schritt der römi- schen Legionen dröhnte auf ihnen und hallte der Schlachtgesang der Germa- nen, Hunnen, Awaren und Türken flu- teten ins Land und pochten an den Toren des Abendlandes. Die Romzüge' deutscher Kaiser strebten auf diesen Straßen dem Süden zu und kehrten, heim einmal siegesfroh, einmal traurig; Der Dreißigjährige Krieg überzog die österreichischen Lande mit zusammen- gewürfelten Haufen und der Korse Napoleon pflanzte lang genug in ihnen seine Siegeszeichen auf. Immer wieder geschah es, daß in diesen österreichi- sehen Landen nicht nur um das eigene Schicksal gerungen wurde, sondern daß hier auch die Würfel fielen über Euro- pa. Und dies bis in unsere Tage. Auch das untergegangene Oesterreich stand als Mahnmal für Europa inmit- ten des Grauens. Und als aus den Trümmern dies Land wiedererstand, besann es sich wiederum auf seine Aufgabe für Europa. So bewahrte Oesterreich das Antlitz der Ahnen, mehr, ihr Herz, ihr Erbe: unsere und die Zukunft jener, die nach uns kommen. So ist der Oesterreicher gewöhnt, nicht nur für sich selbst zi sorgen, sondern auch sich für Europa zu mühen. Wir haben nichts Größeres, Heiligeres zu bewahren und zu hinter- lassen, als die Erfüllung dieses Geset- zes, Oesterreicher und zugleich Euro- päer zu sein. Gerade ihr, liebe, junge Freunde, die' ihr mit freieren und offeneren Augen in die Welt schaut, als wir Aelteren es zuweilen vermochten, fühlt dieses Ge- setz in eurem Herzen brennen. Wir Aelteren waren nicht immer gerade die besten Befolger dieses Gesetzes. Wir mühten uns zwar, doch setzten wir uns selbst Grenzen, Grenzen, die oft gezogen wurden durch Engstirnigkeit, Engherzigkeit, Hader und List. Ihr seid darob kritischer und skeptischer geworden. Bewahrt euch diese abwägende Kritik und diese vor Voreiligkeit bewahrende Skepsis. Be- denkt, daß auch Ihr erst die Probe zu bestehen habt. Denkt auch daran, daß immer die blutige Rechnung bezahlt werden mußte, wenn dieses Gesetzver- letzt wurde. Darum wollen wir uns stets auf un-, sere Pflicht besinnen, damit wir nicht, diese blutige Rechnung zu bezahlen haben. Worin besteht diese Pflicht? Darin: Gute Tiroler, aufrechte Oesterreicher. wahrhafte Europäer zu sein. Diese Dreiheit, die gleichsam in den drei Streifen der Fahne Oesterreichs ver- sinnbildlicht ist, macht das Wesen des echten Oesterreichers aus. Er liebt di Heimat, er ist treu dem Vaterlande, er ist aufgeschlossen für Europa. Gerade ihr, liebe junge Freunde, ver- langt diese Synthese zwischen tiroli- scher Heimatliebe, österreichischer Treue und europäischer Gesinnung am mei- sten, denn Ihr braucht sie Eurer gan- zen Haltung nach. Euer Herz ist groß geworden, Euer Sinn hat sich gewei- tet, Euer Denken hat die engen Gren- zen gesprengt, Euer Handeln hat die trennenden Pfähle übersprungen. Und trotzdem benötigt Ihr einen Wegweiser, damit Ihr nicht in die Irre geht, wie so manche von uns Aelteren, die sich in den Irrungen und Wirrungen der) Vergangenheit verloren haben. Dieser Wegweiser ist die Fahne rot- weiß-rot im Verein mit den Fahnen der österreichischen Bundesländer. Sie ist der Pfeil, der die Richtung Heimat- Vaterland-Europa angibt. Laßt daher den alten Tiroler Geist nicht untergehen in dem Wust der neu- zeitlichen Ueberzivilisation, in der Sucht nach den lockenden und allzu vergäng- lichen materiellen Gütern. Laßt Euer Inneres erfüllen von den hehren Ge- danken, die aus der Glaubenstreue, aus der Heimatliebe, aus dem Streben nach dem Edlen und Schönen fließen. Laßt Euer Herz von der Heimatsonne stets erwärmen, damit es fest und stark für Tirol schlage und niemals aufhöre, Eu- rem Wollen und Handeln das rechte, echte Tirolerblut zuzuführen, Dann wer- det inr auen aufrechte Oesterreicher sein. Die Geschichte hat den Oesterreicher leben und werden lassen in einem Staatswesen, in dem die Deutschen der Zahl nach zwar immer Minorität, ihrer politischen und kulturellen Rolle nach aber das Führer- und Staatsvolk wa- ren. So lernte der Oesterrecher zw&er- lei: Die Einfühlungsgabe und das Die- nen an eine höhere Idee: Er mußte sich hineindenken in fremde, nationale Ge- fühiswelten, in andere Volksseelen. So wurde er Völkerkenner, Menschenken- ner. Dieses Erkennen und Begreifen des anderen ist die historische Natur des österreichischen Menschen. Und auf diesem Boden hat der Öster- reicher aus seiner Geschichte noch et- was gelernt: Das Dienen an einer Idee. Ihr kennt doch die herrlichen Worte. die Grillparzer im Juni 1848 dem Mar- schall Radetzky zugerufen hat: „In Deinem Lager ist Oesterreich!" Diese Idee brach nach der harten Be- währungsprobe des ersten Weltkrieges, die sie wohl in diesen Zeiten von Not und Tod gut bestanden hat, zusammen, weil sie politisch verspielt wurde. So kann ich Euch, meine lieben, jungen Freunde, in Anlehnung an die Worte Griliparzers zurufen: In Eurem Lager ist Oesterreich! Ihr seid frei von den Wenn und Aber, das uns Aelteren im-' mer noch allzu oft plagt. Dafür habt Ihr aber umso mehr die Pflicht, den drei- geteilten Schild zu Oesterreichs Ehre blank zu halten und mit starker Hand zu schirmen. Wenn ich Eure jungen. strahlenden Gesichter so vor mir sehe, dann fühle ich es, nein, dann weiß ich es, daß Ihr Österreichs Hoffnung, Österreichs Zukunft seid. In Eure Hände ist das Erbe der großen österrei- chischen Vergangenheit gelegt, Euren Händen der Ruhm und die Größe Öster- reichs anvertraut, Euren Händen die Freiheit und Unabhängigkeit Oester- reichs überantwortet. Legt diese Ver- antwortung niemals aus Euren Händen, damit Ihr schuldloser als wir Aelteren sie Euren Nachkommen übergeben könnt. In dieser Haltung und Gesinnung als aufrechte und bewußte Österreicher werdet Ihr mit reichen Gaben in den Händen in das große Vaterhaus Europa heimkehren, an dem wir schon so lan- ge bauen und das Ihr, Gott gebe es, vollenden werdet. Liebe junge Freunde! Unser Gebet soll daher lauten: „Herr, segne unsere alte, ewig junge Heimatstadt Kitzbühel! Herr, schirme unser Tirol in Nord und Süd! Herr, erhalte unser freies Oesterreich! Herr, schenk uns ein einiges Europa!' Die festliche und eindrucksvolle Stim- mung, die nach dieser Festansprache im Saale herrschie, wurde noch bei der Aufführung des Werkes von Sepp Modernste Bettfedernreinigung j
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