Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 24 iztzbüheler Anzeiger Samstag, 8. November 1969 — 1i1 114.1 .1FT1 I [IÄ!ÄT i44 Es soll an dieser Stelle nicht dia Rede sein von der traditionsreichen Ge- schichte unserer Kitzbüheier Kauf- mannschaft, die es wert wäre, ihr einen eigenen Platz einzuräumen. Heute geht es darum, einen Bogen von der Ver- gangenheit über die Gegenwart in die Zukunft zu spannen und daraus einen dynamischen Prozeß zu erklären ver- suchen, der sich uns als Evolutions- prozeß in allen Bereichen des ma- teriellen und geistigen Lebens darstellt. Die kaufmännischen Funktionen haben sich, wie wir wissen, vom einfachen Tauschverkehr mit zunächst selbsther- gestellten oder gar gefundenen Waren allmählich zu einem Handelsverkehr entwickelt. Seinerzeit standen nur we- nige Waren im Blickfeld des Inter- esses; nur die primitivste Form der Warenbeschaffung, des Transports und Verkaufs zu den damaligen Handels- funktionen. Jede dieser Grundfunktio- nen hat eine Verfeinerung und Diffe- renzierung erfahren, so daß sich ihnen sogar viele neue Zweige der Wirtschafts- wissenschaften gewidmet haben. Den- ken wir dabei z. B. an Warenbeschaf- fung, Auswahl, Prüfung, Transport- möglichkeiten, Geld- und Kreditwsen, Handelsstufen mit ihren Verwaltungs- aufgaben und die große Vielfalt der Vertriebsmöglichkeiten und vieler Ideen, die alle für sich ein abgerunde- tes, kaufmännisches Funktionsbild er- geben. Wie wichtig der komplexe Handel in unserer österreichischen Volkswirt- schaft ist, ersieht man aus der Tat- sache, daß der Handel im Jahre 1965 (letzte abgeschlossene Statistik) 33 Mil- liarden Schilling erarbeitet hat und da- mit hinter der Industrie mit 64 Mil- liarden Schilling vor allen anderen Wirtschaftszweigen an zweiter Stelle steht. 450.000 Österreicher arbeiteten 1965 im Handel. Das bedeutet, daß un- gefähr so viele Menschen im Handel tätig sind, wie das Bundesland Kärn- ten Einwohner zählt. Die Aufgliede- rung ergibt folgendes Bild: Unternehmer 80.000 mittätige Familienmitglieder 75.000 Angestellte und Arbeiter 246.000 Lehrlinge 33.000 Es gäbe noch mehr Zahlenmaterial, aus dem der Beweis für die Bedeu- tung des Handels für Oesterreich her- vorgeht. Fachleute wissen dies seit vie- len Jahren, jedoch die Oeffentlichkeit hat sich bisher noch wenig damit be- faßt. Die Leistungen des Handels wer- den einfach als selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Immer mehr aber kommt auch den übrigen Wirtschafts- treibenden und der gesamten Bevölke- rung zum Bewußtsein: Ohne Handel geht es nicht - der Handel ist die Drehscheibe der Wirtschaft. „Der Handel tut was er will", so hört man gelegentlich ungenügend Infor- mierte reden: „Die können machen was sie wollen." Nein, so einfach ist die Sache nicht. Auch der Handel unter- liegt, wie die übrige Wirtschaft, in er- ster Linie den Prinzipien des Wett- bewerbs. Die Gesetzgebung sorgt da- für, daß sich dieser Wettbewerb in geordneten Bahnen bewegt. Jeder Kauf- mann muß sich bemühen, durch Lei- stung in verschiedenster Hinsicht, auch bezüglich der Preise, seine Kunden zu- friedenzustellen und sein Geschäft wirtschaftlich zu führen. In Ländern mit Zwangswirtschaft gibt es keinen Handel, sondern nur ein Verteiler- system und wir dürfen alle froh sein, daß wir in Oesterreich einen freien Handel haben, denn gerade diese Frei- heit ist es, welche die Konkurrenz schafft und damit die Leistung steigert. Die Leistung, die der einzelne Handels- treibende erbringt, beginnt schon bei einer mehrjährigen, auf die jeweilige Sparte abgestimmte Berufsausbildung. Die Kaufmannschaft weiß sehr wohl, daß die Kunden ihr wichtigstes Kapi- tal sind, und diese Erkenntnis zwingt sie, ihre Kunden bestens zu betreuen. Sie muß ihre Geschäfte modernisieren, ein reichhaltiges Angebot bereit halten und ist schon durch die Konkurrenz gezwungen, knapp zu kalkulieren. Die Kosten des Kaufmannes bestehen aber nicht nur aus jenen, die bei der Be- schaffung und Bereitstellung der Wa- ren entstehen, also beispielsweise den an Lieferanten bezahlten Warenrech- nungen und den Kosten durch den Transport, sondern auch aus den wei- teren Aufwendungen für geeignete Räu- me, für die Lagerung in modernen An- lagen, wie z. B. Großkühltruhen. Kosten sind weiters Gehälter, Sozialabgaben, Miete, Strom, Gas, Service, Erneuerung der Einrichtungen und Anlagen auf den jeweils modernsten Stand - also Investitionen - und schließlich, und zwar nicht zu knapp - Steuern und Abgaben aller Art. Der Handel er- bringt seine Leistungen unter der Kon- trolle der Oeffentlichkeit und Selbst- kontrolle durch die Konkurrenz. Er dient also der gesamten Volkswirt- schaft und kann durchaus nicht tun was er will. Die Waren, die ein durchschnittlicher Haushalt im Jahr einkauft, werden in zehntausenden Betrieben der ganzen Welt erzeugt. Es ist unmöglich, daß die Erzeuger dem Konsumenten die gewünschten Waren ins Haus brin- gen. Hier setzt die Aufgabe des Han- dels ein. Seine Verkaufsräume sind der Platz der Begegnung zwischen Er- zeuger und Konsument. Sie sind der eigentliche Mittelpunkt der modernen Wirtschaft. In ihnen wird über den Erfolg der Produktion entschieden. Die reibungslose Verbindung zwischen Produzent und Käufer funktioniert aber nur dann, wenn die Produktion durch die Geschäftsleute für den Konsumen- ten richtig ausgewählt, auf Grund der letzten Entwicklungen immer wieder durch verbesserte Erzeugnisse ergänzt und übersichtlich dargeboten wird. Hier liegt die große, in der Wirtschaft un- serer Zeit entscheidende Aufgabe des modernen Handels. Und wie sieht die Lage des Handels in Kitzbühei aus? 35,6 Prozent Handelsgeschäften ohne nicht der Familie angehörende Mit- arbeiter standen 1965 64,4 Prozent so- genannte Arbeitgeberbetriebe gegen- über. Der Anteil jener Firmen, die mehr als 10 Personen beschäftigten, betrug - gemessen an den Arbeit- geberunternehmen - lediglich 6,5 Pro- zent. Damit zeigt sich deutlich, wie sehr im Bezirk Kitzbühel der Kleinst- betrieb im Handel vorherrscht. Diese Tatsache läßt freilich nicht den Schluß zu, hier handle es sich um einen Struk- turmangel großen Stils. Vielfach er- weist sich nämlich diese Kleinst- betriebsform als äußerst anpassungs- fähig und vor allem der regionalgesteu- erten Fremdenverkehrswirtschaft ge- mäß. In der Tat hat die Kaufmann- schaft Kitzbühels sozusagen alle Hän- de voll zu tun, die Saisonschwankun- gen gerade hinsichtlich der der Mode unterworfenen Artikel aufzufangen, um nicht zuletzt der einheimischen Bevöl- kerung auch in den Zwischensaisonen eine optimale Bedürfnisbefriedigung zu bieten. Dabei kann der Kaufmann nicht immer auf die ihm zustehende Han- delsspanne Rücksicht nehmen, sondern muß seine Ware so kalkulieren, daß er sie beim Käufer absetzen kann. Erträgt das volle Risiko. Wenn er auf seinen Waren ‚sitzen" bleibt, so trifft der Schaden ihn allein. Der Konsument trägt hingegen kein Risiko. Er ist Nutznießer der Tatsache, daß in den vielfältigen Zweigen des Groß-, Außen- und Kleinhandels fä- hige, gut geschulte Menschen mit Fleiß und Initiative wirken, Menschen, die ständig dazulernen müssen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und ihrer Aufgabe als Ver- sorger und Berater der Konsumenten, auch in Kitzbühel, gewachsen zu sein
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