Kitzbüheler Anzeiger

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Photo Lutz Korn, Kitzbühel Samstag, 29. November 1969 KitzbJiteler Anzeiger Seite 3 Vom Almererfahr'n in Kitzbühel Wie bereits berichtet, wurde am heu- rigen Mariinivorabend in Kitzbühel wieder nach altem Brauch das. „Alme- rerfahr'ri" durchgeführt. Im Bild der Vorgeher Josef F e 11 e r vom Alpenhof, dem an die 30 Männer folgten, und am Schluß der Nachgeher Hans. Rechen- berger von Sonnbergerb. Es war ein gewaltiger Glockenklang, der an diesem Abend durch Stadt und Land erschallte. Trotzdem der Brauch uralt ist, oder vor allem deswegen, hört man immer wie- der die Frage: Was ist das Alrnerer- fahr'n? Was berichten hierüber unsere Volks- kundler? Kartonikus La h ii s t e i n e r in sei- nem Buch Oberpirtzgau: „Am 10. No- vember, dem Martinivorabend, ist im oberen Pinzgau das Alpererfahren üb- lich. Da ziehen die Burschen mit Giok- ken und Lärminstrumenten unter Ge- schrei durch das Dorf, bleiben bei ver- schiedenen Häusern stehen und halten Gericht. Ihre Fehler und Abseitigkei- ten werden in starker Uebertreibung durchgehechelt und verspottet. Sie füh- ren öfter auch einen Stier mit, der von zwei Burschen mit übergeworfenen Pferdedeken dargestellt wird. Dieser Brauch reicht von Krimml bis Utten- dorf, wird aber nicht alle Jahre aus- geführt." Maria Hauser, KirciLbichi (Tiroler Hei- rnatblätter 1931): „Vom Almerafahren. In der Martini- nacht ist im Unterland das sogenannte ‚Alma'- oder ‚Almerafahren' Brauch; auch in Kirchbiehl findet es alljährlich statt. Da heißt's dann in der Martininacht, wenn Peitschenknall und Glockengeläu- te ertönt: ‚Lost's, jetzt kommen die Al- mera!' Voran der Führer mit der Goaßl und die Schnalzen dran. Dann die an- deren Burschen mit großen und kleine- ren Glocken. Da sieht man ‚Speisglok- ken', wo das Kreuz und verschiedene Heiligenbilder eingegossen sind. Dann kleine ‚Grasglocken' mit silbernen Klang. ‚Schalpern' (Schellen) und die großen, bauchigen Tuschglocken oder ‚Hafen', welche einen unheimlichen Klang ha- ben. Diese Glocken haben alle wunder- schöne gestickte Riemen. Die Burschen, welche dieselben umgehängt haben, iU- ten damit, was nur in ihren Kräften steht. Nebenbei jauchzen, ja sogar brül- len die Buama, damit das Almerafahren ja niemand überhört. Bei den Bauern machen sie Halt, wo sie dann einen selbstgebrannten ‚Kasteler' bekommen. Die übermütigsten stecken die Glocken in den Brunnentrog, wo sie im Wasser weiterläuten. Dies heißt man ‚abwas- sern'. Dann geht es unter Jauchzen, Läuten und Peitschenknall weiter. Bei dem Platz, wo sie zusammengekom- men, lösen sich alle wieder auf. Dann gehen sie heim, mancher davon, der zuviel ‚Kasteler' zugesprochen hatte, ziemlich unsicheren Ganges. An diesen alten Brauch knüpft sich folgende Sage: In Winkelheim bei Kirch- bichi, nahe am Inn, steht abseits von den Bauernhäusern ein Heustadl. Es hieß immer, daß es. dort ‚geistern' soll. Dennoch hatten zwölf Burschen aus- gemacht, bei dem StacH in einer Mar- tininacht wegen dem ‚Almarafahren' zusammenzukommen. Alle zwölf Bur- schen kamen mit Glocken, keiner aber hatte eine Goaßl mit. Mehr oder weni- ger waren sie schon angeheitert. Als sie sahen, daß kein ‚Goaßler' dabei sei, fingen sie an zu schimpfen und zu flu- chen. Unheimliche Verwünschungen stießen sie aus und einer schrie: ‚Jetzt wäre es mir ganz am liebsten, wenn der Teufel unser ‚Knaller' wäre!' Plötzlich erklang Peitschenknall und feuerrote Schlangen tanzten durch die Luft. Die Burschen erschraken furcht- bar, denn vor ihnen stand plötzlich ein großer hagerer Mann mit einer glü- henden Peftsche. Die Buama wollten fliehen, doch sie konnten nicht vom Fleck, denn sie waren wie ‚angefroren'. Da schrie der Mann, es war derTeufel: ‚Die ersten vier bind' ich, die zweiten vier schind' ich, die dritten vier wirf ich übers Hüttendach aus!' Die entsetzten Burschen wollten schreien, doch kein Laut kam von ih- rer Lippen. In der größten Verzweif- lung griff ein Bursche in seine Tasche und riß einen geweihten Rosenkranz heraus und zeigte ihn dem Manne mit der glühenden Peitsche. Da verschwand der Teufel. Die erlösten Burschen gin- gen nun heim, denn vom Almerafahren war nun keine Rede mehr." Dr. Viktor Geramb im „Deutsches Brauchtum in Oesterreich", Graz 1926: „Der Martinitag wird noch vielfach mit alten Bräuchen gefeiert. Am Vor- abend zieht in Götzens, in Wörgl und anderen Orten das ‚Martinigestämpfe', eine wilde Jagd aus vermummten Ge- stalten mit Schellen und Peitschen- knallen, herum, die den Vorübergehen- den mit Ruß beschmieren. Dieser Zug soll denn ‚Alberer', den ‚wilden Ochs- ner' oder den ‚Alber' verscheuchen, un- holde Gestalten, die als zottige Riesen, eisgraue Männlein (‚Kasermandl' oder als ‚Martinsvogel in Gestalt eines ‚fuiri- gen, höllischen Drachen') in die von den Sennern verlassenen Almen und Hütten einziehen und in der Martins.- nacht mit Höllenlärm und alle Wiesen- flächen sengend, zu Tale brausen. In Südtirol geht in derselben Nacht die ‚verwunschene Pfarrersköchin' um, die auf einem feurigen Pferd auf die Fel- sengipfel reitet und nicht selten bei Schmieden zukehrt, die ihr das Pferd beschlagen müssen. Bisweilen findet man verlorene Hufeisen im Gestein. Auf der Höttingeraim bei Innsbruck fand früher am St.-Martins-Vorabend der Jäger- und Vogelfänger-Dinseltag' statt, wobei ein großes Martinsfeuer angezündet und Wildbret gebraten und verschmaust wurde. Vielfach hat sich noch das Essen der Martinsgans erhal- ten. Das abgenagte Brustbein der Gams schimmert entweder rot oder weiß. Weiß bedeutet einen strengen, rot einen milden Winter. Im oberen Pinzgau neh- men am ‚Alperer-Fahren' die vier Ge- meinden Krimml, Wald, Bramberg und Neukirchen, insgesamt siebzig bis acht- zig Burschen, teil. Mit Bülihäfen, Peit- sehen und Glocken machen sie einen Höllenlärm und ziehen dann auf die Waldwiese ‚Wirtsschied', wo ein Wett- ranggln stattfindet, das der siegenden
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