Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 14. März 1970 Kitzbüheier Anzeiger Seite 5 Tiefernste Bedenken gegen Rerobichlbergbau Hofrat Dr. Kirchmeyr: „Im Anfang war das Schweigen!" Es ist das Verdienst des Rotary-Clubs Kitzbühel unter Präsident Dipl.-Ing. Es 81, etwas Licht in das Dunkel des beabsichtigten Bergbaues Im Raum Kitz- bühel gebracht zu haben. Ein Forum- gespräch am Donnerstag abend im Gasthof Neuwirt in Oberndorf vereinig- te unter Diskussionsleiter Dozent Dr. S m e k a 1, der Universität Innsbruck, folgende Fachleute: Dr. W i e b 0 1 s, Chefgeologe der Union Corp. Ltd. Jo- hannesburg, Bergdirektor Dipl.- Ing. B i a n g a r d i der Mitterberg Kupfer- bergbaugesellschart, Dipl.-Ing. M er n i k von der Berghauptmannschaft Innsbruck, Hofrat Dr. Kirchme y r vom Amt der Tiroler Landesregierung, Franz H ö c k, Bürgermeister von Oberndorf, und Kur- direktor Dr. Z 1 e p1. Im Plenum saßen Vertreter der verschiedenen Behörden und Ämter, der Kammern der Frem- denverkehrsverbände, der Bergbahnen sowie der Abgeordnete zum Nationalrat Paul Landmann und Landtagsabge- ordneter Christian Huber. Ein großer Kreis interessierter Zuhörer beteiligte sich außerdem noch an der Diskussion, nachdem die Fachleute des Forums je- weils nach kurzen Referaten ihren Standpunkt darlegten. Wie bereits mehrmals berichtet, soll im Raum Kitzbühel der Abbau von Kupfererz wieder aktiviert werden, wenn die Untersuchungen, die zur Zeit im Gange sind, ergeben sollten, daß sich ein Bergwerksbau rentiert. Die Mitterberg Kupferbergbaugesell- schaft, ein verstaatlichter Betrieb, hat durch einen Kooperationsvertrag ihre Schürfrechte an die Union Corporation in Johannesburg abgegeben. Die Vor- untersuchungen werden zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Das Forumsgespräch konnte das um- fangreiche Problem nicht erschöpfend behandeln, dazu war die Zeit zu kurz, doch sind im Verlaufe des Abends sehr wesentliche Punkte zur Sprache gekommen. Dr. Wiebols verwies darauf, daß man; ins Stadium der Untersuchungsbohrun- gen gekommen sei, die den Zweck ha- ben, zu untersuchen, ob sich die Lager- stätten um den Röhrerbichl weiter fort- setzen und oh diese Lagerstätten so groß und ergiebig sind, um abgebaut zu werden. Man ist erst im Anfangsstadium und es kann noch einige Jahre dauern, bis sich die Geselischatt entscheidet, ob ein Bergbau angefcngen wird. Bergdirektor Biangardi ging auf den Vertrag zwischen der Mitterberg Kup- ferbaugesellschaft und der südafrikani- schen Gesellschaft ein, der am 7. Jän- ner 1. 069 unterzeichnet wurde und vor- läufig fünf Jahre gilt. Die Chancen. daß auf Grund der Untersuchungen tatsächlich auch der Bergbau begonnen werden kann. stünden 1:99 und erst in vier bis fünf Jahren könnte der Be- trieb aufgenommen werden. Sollten die Untersuchungen positiv verlaufen, wird erst zwischen der Union und den Mit- terbergern eine Gewinnungsgesellschaft gegründet. Biangardi wandte sich ge- gen Gerüchte, daß das Gebiet des Röh- rerbichis vollkommen abgeholzt werde. Die Aufbereitungssande gehen wieder in die Gruben zurück, so daß der Ein- griff in die Landschaft nicht so groß sei. Die Frage sei nicht Fremdenver- kehr oder Bergbau, sondern Fremden- verkehr und Bergbau. Mühlbach am Hochkönig sei dafür ein Beispiel, wo der Bergbau den Fremdenverkehr nicht störe. Dipl.-Ing. Mernik erklärte die berg- rechtlichen Bestimmungen und betonte, daß die Bewilligung der Bergbehörde zum Bergbau erst eingeholt werden müsse. Hofrat Dr. Kirchmeyr wies jeden Vergleich zwischen Mühlbach und Kitz- bühel zurück und skizzierte kurz die jüngste Entwicklung in Oberndorf. „Im Anfang war das Schweigen", sagte Hof- rat Kirchmeyr, „weder im Land noch im Bezirk wußte man etwas von Ab- sprachen. Man mußte den Eindruck ha- ben, daß hinter dem Rücken des Lan- des und Bezirks etwas geschieht." Der Vertrag vom Jänner 1969 be- grenzte das Aufschließungsgebiet nicht auf den Röhrerbichl, sondern erstreckte sich bis hinüber nach Hopfgarten und nach seiner Auffassung beinhalte die Verleihung von drei Tagmassen am Röhrerbichl, um aus alten Halden Erz zurückzugewinnen, bereits Bergwerks- berechtigung. Erst am 20. Mai 1969, als die erste Verhandlung mit den Inter- essenten in Oberndorf stattfand, konn- te sich auch das Land über die beab- sichtigten Arbeiten informieren. Hof- rat Kirchmeyr meldete damals Beden- ken an, und zwar vorn Standpunkt des Fremdenverkehrs, des Naturschutzes. des Gewässerschutzes und der Ansied- lung von Fremdarbeitern. Er hatte da- mals angeregt, nichts zu entscheiden und erst alle Vorhaben vom Standpunkt der Raumordnung her zu untersuchen. Trotzdem sei der Bescheid von der Berghauptmannschaft ergangen. Bürgermeister Franz Höck begründe- te seine heutige Einstellung, wenn das Vertrauen nunmehr etwas erschüttert sei und man heute skeptischer dem Projekt gegenüberstehe. Bürgermeister Höck hatte bei der ersten Verhandlung wegen der zu erwartenden Schäden Be- dingungen gestellt, doch sind diese im Bescheid nicht berücksichtigt worden. Kurdirektor Dr. Ziepi, gleichzeitig Ge- schäftsführer des Fremdenverkehrsver- bandes der Kitzbüheler Alpen, in dem die Fremdenverkehrsverbände von 18 Gemeinden zusammengeschlossen sind, sprach sich eindeutig gegen den Berg- bau aus, und zwar mit einer Konse- quenz, die einen Kompromiß kaum er- warten läßt. Ziepi meinte, die Situation sei nicht angeheizt worden, sondern sie sei tiefernst und die 60jährige Auf- bauarbeit des Fremdenverkehrs sei ernstlich gefährdet. Der Kitzbüheler Raum ist ein klassisches Fremdenver- kehrsgebiet, das an der Spitze Öster- reichs steht und führend in Europa ist. 34.000 Gästebetten stehen zur Verfü- gung und von den 84 mechanischen Aufstiegshilfen sind allein 50 in der un- mittelbaren Umgebung des Röhrerbichis. Allein die Liftanlagen stellen einen Wert von rund 350 Millionen Schilling dar. Die Zahl der Fremdennächtigun- gen in Kitzbühel stieg beispielsweise in den letzten neun Jahren um 100 Pro- zent und 80 Prozent der Gäste kom- men aus dem Ausland, die wertvolle Devisen ins Land bringen. An der Schwelle einer touristischen Zeit, die Prosperität sichert, ist der Fremden- verkehr nicht gewillt, durch Schwer- industrie sich den Raum zerstören zu lassen. Es würde zu weit führen, die vielen Diskussionsbeiträge im einzelnen zu behandeln, doch kamen die Bedenken erneut sehr deutlich zum Ausdruck und sie konnten an diesem Abend nicht zerstreut werden. Kritisiert wurde, daß man die interessierten Kreise gar nicht oder zu wenig informierte. Die Schä- digung des Fremdenverkehrs ist nicht wegzudiskutieren, doch kann freilich niemand sagen, wie groß der Schaden für den Fremdenverkehr und wie groß umgekehrt der Nutzen aus dem Berg- bau für die gesamte Volkswirtschaft sein wird. Den Gesprächspartnern ist auch klar geworden, daß kaum eine Möglichkeit besteht, sich gegen den Bergbau zu stellen. Eine sogenannte Parteistellung im Verfahren um die Bergwerksberechtigung gibt wenig Mög- lichkeiten des Widerstandes. Das Land selbst hat keine Parteistellung, die der Gemeinde ist gering und die Grund- eigentümer müssen gegen angemessene Entschädigung ihre Grundstücke her- geben oder sie werden enteignet. Die Berghauptmannschaft hat nur die volks- wirtschaftlichen Interessen des Berg- baues zu vertreten. Wer die öffentli- chen Interessen, etwa die des Fremden- verkehrs, berücksichtigen soll, ist offen geblieben. Die Information aus erster Hand war trotzdem aufschlußreich und es wird noch sehr viel und eingehend über den Bergbau im Raum Kitzbühel gespro- chen werden müssen.
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