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Samstag, 28. März 1970 KitzbüheLer Anzeiger Seite 21 bergmännisch reibungslos geleiteten Abbau durch die Nutzungsberechtig- ten. All diese Tätigkeiten nahmen die Geschworenen derart in Anspruch, daß sie zu eigenem Bergbau oder sonsti- gem Erwerb wenig Zeit fanden. Da es sich zuerst um ein reines Ehrenamt handelte, so bedeutete diese Verwen- dung eine große wirtschaftliche Schä- digung für die betroffenen Personen. Kein Wunder also, daß die Geschwore- nen bei Ablauf ihrer zweijährigen Funktionsperiode dringend um Ablö- sung baten. Da dieser Zustand unhalt- bar war, wurde schließlich den Ge- schworenen für ihre der Rechtsfin- dung gewidmete Arbeit eine angemes- sene Entschädigung ausbezahlt. Viele Zwistigkeiten gab es wegen der Bezahlung der sogenannten Feier- schichten und Feiertage. Die Bergleu- te hielten nämlich öfters ihre Schicht- zahl an Wochentagen nicht ein, kamen am Montag häufig nicht zur Früh- schicht - der sogenannte blaue Mon- tag ist also ein sehr altes Uebel - und versahen trotz aller Not und zum Är- ger der Gewerken auch an den Sams- tagen nicht immer ihren Dienst. In einer Erfindung von 1449 wurde erst- mals in Schwaz und dann in den übri- gen Bergrevieren verfügt, daß die Fei- erschichten den Arbeitern von den Löhnen abzuziehen seien und sie le- diglich am Samstag mittags und am Frauentag abends um die gleiche Zeit ohne Lohnabzug nach Hause gehen gehen dürften. Anläßlich von Unruhen in Schwaz (dieses Bergrevier war meist in allen Bergbaufragen richtung- gebend) um 1485 wurde den Knappen allgemein und für die ganze Folgezeit bewilligt, am Neujahrsabend, Himmel- fahrts-, Allerheiligen-, Fronleichnams- und Johannisabend um 11 Uhr die Ar- beit einzustellen und vor dem Weih- nachts-, Oster- und Pfingstabend am Vortag vorauszuarbeiten. Die Feierta- ge waren nach der gleichen Erfindung auch ohne Arbeit zu entlohnen, nur wurde in einer Abänderung später be- stimmt, daß, wenn zwei Feiertage in der Woche seien, der eine bezahlt wer- den solle, der andere, wenn nicht ge- arbeitet wurde, vom Wochenlohne ab- zuziehen sei. Diese Maßnahme er- scheint auf den ersten Blick als Här- te, man muß aber bedenken, daß in diesen Jahrhunderten dergestalt viele Feiertage gehalten wurden, daß ein Arbeiter der heutigen Zeit samt Ur- laub kaum so viele freie Tage hat, wie die spätmittelalterlichen Bergknappen durch diese Menge von Feiertagen ge- nossen und auch bezahlt bekamen. Ueber die Zeit der Lohnzahlung ist nicht viel zu sagen. Zuerst galt grund- sätzlich als Lohnperiode die Woche, später wurde empfohlen, man solle tunlichst alle vier Wochen „raiten", schließlich bürgerte sich dies aber so ein, daß man im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts in clr Regel nur mehr die vierwöchentliche Raitung üb- te. Häufig bekamen die Knappen durch die Nachlässigkeit oder durch bewuß- te Verzögerungstaktik der Hutleute, denen ja die Bezahlung oblag, nicht immer ihre Löhnung zum vertragli- chen Termin, mußten also oft wochen- lang auf ihr Geld warten. In einer ei- genen Bergordnung wurde daher be- stimmt, daß jeder Hutmann, der den Lohn nicht binnen 8 Tagen nach der Raitung ausbezahle oder ohne Wissen der Arbeiter Abzüge vornehme, streng zu bestrafen sei. Als Ort der Lohnzah- lung galt das Gericht, in dem das Berg- werk lag. Die Lohnsicherung für die Arbeiter wurde in energischer Weise geregelt und gehandhabt. Nach der Lohnzahlungsperiode, also nach 14 Ta- gen oder 4 Wochen, konnte der Arbei- ter sein Geld beanspruchen. Bekam er seinen Lohn nicht, so konnte er auf den Bergwerksanteil des Unterneh- mers klagen. Daraufhin erhielt der Ge- werke durch das Berggericht den Be- fehl, innerhalb von 14 Tagen zu zah- len. Unterließ er dies und wollte sei- nen Anteil nicht verlieren, so konnte der Unternehmer ein Pfand in Erz oder anderen Werten bestellen, die von den Geschworenen geschätzt wur- den. Es sollten aber als Pfand nicht Dinge gegeben werden, für wel- che schwer Bargeld erhältlich war, also keine unbeweglichen Sachen, kein alter Hausrat usw. Hatte ein Ge- werke aber nichts anderes als Liegen- schaften zu geben, so sollte der Kläger solange die Nutzung an ihnen haben, bis die Schuld samt erlittenem Scha- den und Unkosten als aufgehoben an- zusehen war. Nach der angeführten Schätzung hatte der Gewerke noch 3 Tage Zeit, das Pfand einzulösen. Ge- schah dies nicht, so durfte das leicht versilberbare Pfand hintangegeben wer- den und der Arbeiter erhielt vom Berg- gericht den rückständigen Lohn ausge- händigt. Bei nicht leicht versilberbaren Sachen, also Liegenschaften, wurde wie oben geschildert verfahren. Interessant war auch die Rangordnung, die nach der Ferdinandeischen Bergordnung für Forderungen aufgestellt wurde: War ein Unternehmer so sehr verschuldet, daß die Pfandwerte nicht mehr zur Befriedigung der Gläubiger ausreichten, so sollten die Lohnforderungen nach den Steuerforderungen gegenüber allen anderen Ansprüchen bevorrechtet sein. Es heißt in der „Ferdinandea" folgen- dermaßen: „Wenn aus des Schuldners Gut völlige Zahlung nicht zu erlangen ist, so sollen aus der Masse vorerst Frohn und Wechsel als Kammergut entrichtet werden, darnach der Lid- lohn, dann was einer zur Erhaltung der Silber- oder Erzbergwerke an ba- rem Geld vorgestreckt hat, dann Un- schlitt. Eisen, Schmiedkost und Kost- geld." Bestellte der Gewerke hingegen kein Pfand, so wurde ihm ebenfalls eine Frist von 14 Tagen gegeben. Erfolgte die Bezahlung nicht, so wurde dem Arbeiter der Anteil seines Arbeitgebers überantwortet. Ein ganz besonderes Kapitel bildete die in Tirol allgemein üblich gewesene Belieferung der Arbeiter mit Lebens- mitteln durch die Gewerken. Diese Naturalien (Pfannwerte) wurden als Teil des Lohnes gegeben, ihr Wert kam vom Bargeld in Abzug. Ich möchte betonen, daß die Gewerken kein Recht hatten, den Arbeitern die Pfennwerte aufzunötigen, es wurde sogar mehr- mals ein Verbot, wenn auch kein ab- solutes, in bezug auf das „Trucksystem", das ist die Naturalentlohnung, erlassen. Ein solches Verbot heißt folgender- maßen: „Es soll auch kein Gewerkh die arbeiter mit pfennwerten netten, sondern allain es wölle sie ein arbeiter gern nehmen, so soll man hm die ge- ben und einen zimlicheni Pfenig und soll ihm nit darmit überschätzen.". Obwohl also kein Zwang für die Ar- beiter bestand, diese Pfennwerte anzu- nehmen, wurde in allen Nordtiroler Bergrevieren dieses System wohl aus- nahmslos gehandhabt. Von seiten der Knappen wurde es als unentbehrliche Notwendigkeit angesehen, weil es ihnen bei der damaligen Knappheit an Le- bensmitteln fast unmöglich gewesen wäre, das Getreide, Schmalz, Fleisch, den Käse usw. vom Einzelhändler zu beziehen, einmal weil es teuer gewesen wäre, zum anderen, weil der Kleinhan- del und die Bauernschaft der Umgehung gar nicht in der Lage waren, die Er- nährung der durch den Bergbau in Kitzbühel und Schwaz ungeheuer an- gewachsenen Menschenmassen zu be- wältigen. Die großen Montangewerken besonders die Nichttiroler, waren aber infolge ihrer weit verbreiteten Han- delsbeziehungen und ihrer Kapitalkraft in der Lage, diese großen Mengen an Lebensmitteln durch Einfuhr aus Bay- ern, Ober- und Niederösterreich, ja sogar trotz eines nicht geringen Gewin- nes zu bedeutend billigeren Preisen an die Arbeiter abzugeben, wie dies den Kleinhändlern möglich war. Im Gebiet von Kitzbühel lag die Versor- gung der Bergleute in den Händen der Kessent alerischen Gewerkschaft" und der Fugger, in Schwaz ausschließlich in jenen des „Berg-Schmelz- und Pf enn- werthandels", später ganz in denen der „Jenbacher Gesellschaft". Diese letztere Gesellschaft, ursprüglich von 3 Unter- nehmergruppen gebildet, war später in alleinigem Besitz der Fugger. Wie gesagt, die Notwendigkeit des Pfenn- werthandels wurde von allen Bergver- wandten niemals bestritten, es gab aber Begleitumstände, die, immer wieder hochgespielt, die Gemüter von Zeit zu Zeit heftigst erhitzten. Fortsetzung folgt
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