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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 3. Jänner 1,970 Bergbau bleibt immer ein Wagnis. Nur unter Einsatz modernster Mittel kann hier die Erzgewinnung für relativkur- ze Zeit nochmals zur Blüte kommen, denn auch einem solchen Großunter- nehmen hat die Natur Grenzen ge- setzt. In den Zeiten der Arbeitslosigkeit um die Mitte der 30 er Jahre und selbst noch nach dem zweiten Weltkrieg hät- te man ein solches Bergbauunterneh- men mit seiner damit verbundenen Wirtschaftsbelebung allseits freudig begrüßt. Auch heute noch könnte man- ehe Gemeinde eine zusätzliche Einnah- mequelle aus dem Bergbau gut gebrau- chen und so mancher Grundbesitzer könnte profitieren. Auffallend groß ist das Interesse an gesicherten Arbeits- plätzen. Diesen positiven Seiten mit erfreu- lichen Aussichten stehen bei gerechter Beurteilung des umfangreichen Fra- genkomplexes aber auch ernstliche Bedenken entgegen. Die Verhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten gründlich geändert. Kitzbühel und der ganze Bezirk erfreuen sich im Som- mer wie im Winter eines ausgezeichne- ten Fremdenverkehrs. Die für diese Sparte verantwortlichen Männer und Organisationen werden begreiflicher, weise für einen Großbetrieb in der Nähe von Kitzbühel wenig Verständ- nis aufbringen und dagegen Sturm laufen. Sie wollen die Früchte viel- jähriger, zäher und kostspieliger Auf- bauarbeit nicht für einen Industrie- betrieb opfern. Kitzbühel ist eben ein ganzjähriges Erholungs- und Sport- zentrum ersten Ranges. Auch die an- deren Orte des Bezirkes sind in ra- schem Aufschwung begriffen. Darauf muß Rücksicht genommen werden, denen es steht zuviel auf dem Spiel. Daß ein in der Nähe der Stadt lie- gender Betrieb sich diesbezüglich nach- teilig auswirken muß, wird wohl nie- mand bestreiten. Es beginnt am Rero- bichi mit dem Abholzen des Waldes samt dem wertvollen Jungbestand. Ge- rade hier wurden seit Jahren die Vor- bereitungen für sogenannte Lehrpfade getroffen, um den Spaziergängern auf leicht faßliche Weise forst- und natur- wissenschaftliche Kenntnisse zu ver- mitteln und bergbauliche Hinweise zu geben. Quer durch den waldigen Rük- ken zwischen den beiden Achen wird bei der Rerobichler Knappenkapelle in der Verlaufsrichtung des Erzganges das Gelände aufgewühlt. Die über den ehemaligen Schächten ausgebreiteten riesigen, heute bewaldeten Halden- bestände, die übrigens schon mehr- mals viele Jahre lang systematisch durchsucht und dabei umgelagert wur- den, werden abgetragen. Dazu sind bessere Zufahrtsmöglichkeiten erfor- derlich. Jedenfalls entsteht nicht nur ein Kahlschlag, sondern bald eine Steinwüste und schließlich eine breite und tiefe Rinne durch das ganze Ge- lände. Das geltende Naturschutzgesetz ist in diesem Fall nicht anwendbar. Es gehört längst durch ein neues, wir- kungsvolleres ersetzt. Das Haldenmaterial, der in dem vielstöckigen und reich verzweigten Grubengebäude auf den Strecken, in den Abbauräumen und vielleicht auch in den Schächten deponierte Versatz sowie die aus der Tiefe heraufgeför- derten Erze und erzhältigen Gesteine gehen zusammen in die Millionen Ton- nen. Sie werden gequetscht, gemahlen und gewaschen. Dem mehlfeinen Erz- und Gesteinspulver wird durch ein sinnreiches Verfahren mit verschiede- nen Chemikalien auch das letzte Erz- körnchen entzogen. Ein Großbetrieb kann auf diese Weise täglich hundert und mehr Tonnen Gestein verarbeiten. Das ergibt im Laufe der Jahre Berge von erzfrei gewordenem Gesteins- mehl, die untergebracht werden müs- sen. Man kann damit nahe gelegenes sumpfiges Gelände auffüllen oder Bo- denvertiefungen ausgleichen. Ein Transport in abgelegene Gebiete ist unrentabel. Durch das Abtragen und Beschütten des Geländes wird die Landschaft verändert. Das von der Na- tur geschaffene, auf- und abwogende Bichlach wird in diesem Abschnitt eingeebnet. Die dem Landschaftsbild zugefügten Wunden werden noch lan- ge bestehen bleiben, wenn man sie nicht entsprechend behandelt. Mit den heutigen Mitteln der Begrünungstech- ni.k kann man rasch Abhilfe schaffen. Wer garantiert aber, daß es auch ge- schieht? Daß sich das Bohren, Sprengen und Quetschen des Gesteins nichtgeräusch- los vollziehen läßt, sei nur nebenbei erwähnt. Die anfallenden Erze und Erzkon- zentrate müssen auch verhüttet wer- den. Der nächstgelegene Betrieb sind die Montanwerke Brixlegg. Der Bahn- transport dorthin verteuert die Ware. Deshalb wird ein zentraler Verhüt- tungsbetrieb für alle Kitzbüheler und eventueller Brixentaler Vorkommen notwendig. Er soll aus betriebswirt- schaftlichen Gründen in der Nähe der Hauptvererzung, mithin beim Rero- hiehl, errichtet werden. Das Rösten des sulfidischen Erzes erzeugt Rauch und giftige Schwaden. Durch geeigne- te, aber teure Einrichtungen kann ein Teil abgefangen werden. Trotzdem wird in der Nähe Staub fallen. Der Nadelwald wird in der näheren und weiteren Umgebung der Verhüttungs- anlage zu kränkeln beginnen. Der Wind trägt den Rauch und die Schwa- den zeitweilig in bestimmte Richtun- gen. Auch darauf wäre bei der Wahl des Standortes Rücksicht zu nehmen, denn der Großstädter erwartet hier im Gebirge klare Sicht und reine Luft. Zum Aufsuchen des Erzes treibt man heute zunächst nicht mehr Suchstollen ein, sondern man bringt Bohrungen nieder und analysiert den Bohrkern. Durch Bohrungen, aber auch durch Tagbau, Stollen und Schächte kann der Wasserhaushalt des betreffenden Gebietes mitunter empfindlich gestört werden. Das in den Klüften des Ge- steins stehende Wasser gerät dann in Bewegung und sinkt ab. In der Folge versiegen die höher gelegenen Aus- tritte. Der dadurch angerichtete Scha- den läßt sich schwer gutmachen. Je- denfalls sollte man in Gebieten, aus denen Orte, Weiler oder Einzelhöfe ihr Wasser beziehen, Bohrungen nicht ohne weiteres gestatten, zumindest aber die Bohrlöcher ordentlich ver füllen lassen. Wer bietet Gewähr, daß das mit der notwendigen Sorgfalt ge- schieht? Das Wasser ist unser wert- vollster Bodenschatz. Ihm muß beson- dere Aufmerksamkeit gewidmet wer- den. Dem in der Talniederung fließenden Achenwasser und dem unter der Schuttsohle sich ganz langsam bewe- genden Grundwasserstrom, aus dem bereits jetzt örtlich der Wasserbedarf gedeckt werden muß, drohen eben- falls Gefahren. Die bei der Erzauf- bereitung verwendeten Chemikalien, aber auch Auslaugungswässer von Erz, Metallrückständen und Schlacken kön- nen in das Oberflächenwasser gelan- gen, wo sie die Fische und deren Nah- rung vergüten; desgleichen in das Grundwasser, dessen Chemismus ver- ändert und dadurch unter Umständen weniger zuträglich werden kann. Das muß nicht immer der Fall sein, aber es ist nicht auszuschließen. Jedenfalls muß man sich auch darüber Gedanken machen und vorbeugende Maßnahmen treffen. Das ist die Kehrseite eines Bergbau- und Hüttenbetriebes in einem besie- delten Gebiet, das in hohem Maß vom Fremdenverkehr lebt. Der Einwand, daß man ein derartiges Vorhaben am besten einfach verbieten muß, ist nicht stichhältig. Die rechtliche Seite ist durch das geltende Berggesetz eindeu tig klargestellt. Selbst der jeweilige Grundbesitzer muß einen Bergbau auf seinem Grund und Boden dulden! Selbstverständlich hat er Anspruch auf angemessene Entschädigung. Den Gegnern des Projekts sei gesagt: Tirol ist im Laufe der letzten Jahr hunderte durch erfahrene Bergleute und später auch durch Geologen schon mehrmals so gründlich nach Boden- schätzen durchsucht worden, daß grö- ßere Entdeckungen nicht mehr zu er- warten sind. Nur die längst bekann- ten und bereits früher in Angriff ge- nommenen Lagerstätten versprechen noch eine Erzausbeute. Das nach We- sten bis zur Hohen Salve reichende und gegen unerwünschte Konkurrenz mit Freischurfrechten eingedeckte Ge- biet enthält eine Reihe unbedeuten- der Erzlagerstätten, die größtenteils beschürft und nach wenigen Jahren wieder aufgegeben wurden. Die Kitzbüheler Erzvorkommen sind vie fast alle unsere alpinen Lagerstät
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