Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 20 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 22. August 1970 Beim Bärenwirt in St. Johann wurde Tirols berühmteste Wirtin Emma Hellenstainer geboren Frau Josephine Hellenstainer, Meran, verdanken wir folgende Mitteilungen: Am 12. April 1817 wurde dem Johann Hausbacher, Kaufmann und Marschkommissär in St. Johann, ein Mädchen geboren, das den Namen Em- ma erhielt. Ihre Mutter, eine geborene Panzl, bewirtschaftete den Gasthof „Zum Grauen Bären", in dessen Wirts- stube sich die vorn Maler Defregger so meisterhaft dargestellte Szene zwi- schen Speckbacher und seinem Sohn Anderl abspielte. Mutter Hausbacher stammte aus Mittersill. Die Großmut- ter, ebenfalls eine Panzl, erfror in den Tauern gelegentlich einer Wallfahrt nach Luggau in Kärnten. Der Marschkommissär Johann Haus- bacher war eine bekannte Persönlich- keit, dem St. Johann einst die Rettung vor der Zerstörung verdankte. Als nämlich die Franzosen im Jahre 1809 sengend und brennend auf St. Jo- hann zogen, traten ihnen der damalige Dekan Matthias Wieshofer und unser Hausbacher beherzt entgegen. Die wak- keren Männer baten um Schonung für das Dorf, sich für die Sicherheit und für eine reichliche Verpflegung verbür- gend. Sie erreichten bekanntlich ihr Ziel. Der Schwager von Johann Hausba- eher war der bekannte und gefürchte- te Schützenhauptmann und Unterkom- mandant Hans Panzl, einst Bräuknecht beim Daimer in Kitzbühel, von dem sich ein Porträt im Kitzbüheler Hei- matmuseum befindet. In der Familie Hausbacher war es Tradition, daß die Töchter schon recht früh die Kinderschuhe ausziehen und sich in der Wirtschaft beschäftigen mußten. Klein-Emma wurde Kellnerin. Diese Würde hätte ihr ganz zugesagt, wäre sie mit der Sorge um - ihre Pup- pe - vereinbar gewesen. Doch es ließ sich machen. In der alten Gaststube gab es ja viele Nischen und verborgene Wandkästchen und die Puppe samt Trousseau fand Asyl und die Gäste ihr Verzehr. Alles ging tadellos. Aber eines Tages war Erzherzog Johann im „Grau- en Bären" eingekehrt. Die kleine Hebe, welche in dem schlichten Herrn nur einen Jägersmann vermutete, servierte dem Prinzen seinen bestellten Käse auf einem Holztellerchen; mithin hat sich die bei Frau Emma später bewiesene Menschenkenntnis in jungen Jahren noch nicht verraten. Zur Vollendung der Erziehung kam Emma vier Jahre zu den Ursulinen nach Innsbruck und dann zu den „Drei Alliierten" nach Salzburg, um die Koch- kunst zu erlernen. 1841 starb Vater Hausbacher. Emma erzählte, daß ihr Vater sich schon mor- gens um 4 Uhr früh in die Kirche be- gab und manchmal schon an der Tür wartete, bis der Mesner aufsperrte. Mittlerweile traf es sich, daß der Wit- we Hausbacher für eine uneinbring- liche Schuld das Bräuhaus an der Rienz bei Toblach zufiel. Emma wurde da- zu ausersehen, einem Hauswesen mit Knechten und Mägden und einem be- trächlichen Viehstand vorzustehen und eine Brauerei mit ausgedehnter Kund- schaft zu führen. Die bildhübsche St.- Johannerin verdrehte bald der männ- lichen Jugend von Toblach den Kopf. Es war aber nur einer, dem sie zu- lächelte, der Postmeisterssohn von Nie- derdorf Josef Hellenstainer. Nach kur- zem Brautstand wurde in St. Johann Hochzeit gemacht und Emma Hellen- stainer kehrte voll des jungen Glückes „in die Rienz" zurück. Josef Hellen- stainer erbte das große Wirtshaus am Hauptplatz in Niederdorf und nannte es „Schwarzadler". Die jungen Eheleu- te beschlossen, das Bräuhaus in Tob- lach zu verkaufen und nach Nieder- dorf zu ziehen. So kam Emma in jenes Haus, in dem sich der größte Teil ih- res Lebens abspielte. Nun war die Emma eine Niederdorfe- rin; aber im Grunde ihres Herzens leb- te die Sehnsucht nach St. Johann. Bei- nahe hätte sie eine Schwägerin aus ih- rer früheren Heimat bekommen. Da- mit verhielt es sich folgendermaßen. Zur Vermählung in St. Johann hatte Josef seinen Bruder Johann als Bei- stand mitgenommen. Dieser verliebte sich in die Hinterbräutochter aus Kitz- bühel Anna Falkensteiner. Johann war ein stiller, schüchterner und frommer Mann, der schönste unter den Brüdern und Anna Falkensteiner, die beste Freundin Emmas, eine schwarzhaarige mutwillige und lebhafte Tochter ihrer Stadt. Aber er fand nicht den Mut zur Erklärung und als er endlich seine Schwägerin inständig bat: „Trag doch du ihr meine Hand an", war es zu spät. Anna war schon mit dem Auracher- bräu Sieberer in Kufstein versprochen. Zwei Brüder von Frau Emma wur- den zu Priestern geweiht und der Zieh- bruder Rudolf, ein Sohn des Bezirks- richters Egger von Ried, der mit einer Tante von Frau Emma verheiratet war, studierte auch im Borromäum, zog aber dann als Leibgardist mit Kaiser Maxi- milian nach Mexiko, trat dann in das österreichische Heer ein und brachte es bis zum General. 1866 starb Josef Hellenstainer und ließ die Witwe mit sechs Kindern, der jüngste Sohn Hermann erst 2 Jahre alt, zurück. Im Stall standen 20 Pferde und die Wirtschaft war riesengroß. Die Frau Emma wußte viel und ger- ne zu erzählen. Sie war damals mit ih- rem Neffen, dem jungen Bärenwirt von St. Johann, in Innsbruck bei der 500-Jahr-Feier. Am besten gefielen ihr wie die Bnixentaler Schützen daherzo- gen, die schöne Zenzi Friedrich (Hopf- garten) als Marketenderin zwischen ih- ren beiden Brüdern marschierend. Sie kredenzte dem Kaiser beim Vorbei- marsch in einem kunstvollen Glas- pokal einen feurigen Etschländer. Der Trunk wurde angenommen, aber, o Mißgeschick! Als sie nach dem Trunke die Hand ausstreckte, um den Becher zurückzunehmen, stach sie eine Wespe, und das durch die Lippen des teuren Landesvaters zur kostbaren Reliquie geweihte Glas lag in tausend Scherben am Boden. 1886 wurde Fau Emma durch die Verleihung des Goldenen Verdienst- kreuzes eine seltene Freude zuteil. Als Kaiser Franz Joseph dann 1899 zur Einweihung der Andreas-Hofer-Kapelle nach Tirol kam, wurde ihm Frau Em- ma in Welsberg vorgestellt. Er nahm ihren Dank für die verliehene Auszeich- nung entgegen und ehrte sie mit fol- genden huldvollen Worten: „Also Sie sind die weltbekannte Frau Emma? Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen in Ihrem hohen Alter bei der Ihnen noch gegönnten Rüstig- keit zur Arbeit. Mit der wohlverdien- ten Auszeichnung wünsche ich Ihnen noch viele Jahre des Wohlergehens"! Schon 1856 kaufte die Familie Emma Hellenstainer von der fürstbischöfli- ehen Mensa in Brixen den Pragser Wild- see, den Schacherhof im Pragser Tal und viel Wald. Zuerst entstand ein kleines Blockhaus. 1893 wurde eine Jausenstation errichtet und von 1897 bis 1899 das Hotel, das seither zweimal vergrößert wurde. Am 9. März 1904 ging Frau Emma, im 87. Lebensjahre, in die himmlische Herberge ein. Einige Jahre vorher noch besuchte sie der Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger in ihrer Pension in Meran. Das Stammhaus in Niederdorf wur- de verkauft. Kinder und Enkel erbau- ten in Meran ein Hotel, dem sie den Namen „Hotel Emma" gaben. Einer der Enkel, Michael Mayr, zog 1919 nach Kitzbühel und erwarb dort von Frau Klossner das Pacherwirts- anwesen, dem er aber den Namen „Schwarzadlerwirt" gab. Seine älteste Tochter Johanna heiratete den Bären- wirt in St. Johann Josef Grander. Die Kinder des am 11. August 1970 verstor- benen Sepp Grander sind unmittelbare Nachkommen der Frau Emma Hellen- stainer, die als Wirtin weltberühmt ge- wesen sein soll. Ein Amerikaner mel- dete seine Quartierwünsche an die Ad- resse: „Frau Emma in Europa, Autri- che". Der Brief kam an.
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