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Samstag, 2. Oktober 1971 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 Fremdenverkehrsproblem Salzstreuung Aus der Publikumsdiskussion vom 10 September mit Bautenminister Moser Das leidige Problem Salzstreuung Wird in einigen Wochen schon wieder aktuell werden. Ich erlaube mir dazu einen spezifischen Original-Tonband- Auszug aus der Kitzbüheler Publikums- diskussion mit Bautenminister Moser zu veröffentlichen. Damit schließe ich die Berichterstattung ab und danke nochmals herzlichst allen DiskussionS- telnehmern Gebhart Härting, 1. Vizebürgermeister Bgm. Reisch Jch habe heute ein Fernschreiben vorn Bürgermeister Karl Tscholl von St. Anton a. A., auch im N- men der Bürgermeister der Gemeinden Pettneu und Flirsch, weiters der FVV von St. Antön, Kitzbühel, Seefeld, Mayr- hcfön, St. Johann i. T, Ischgl, :Nlauders, Fl:rsch und Pettnu erhalten. her In- halt ist folgender: Anläßlich des Auf- enthaltes des Herrn Bundesministers Moser bitten wir Sie um dringende Vorlage dieses Telegramms an den Herrn Bundesminister. Im Namen der Unterzeichneten ersuchen wir drin' gend, die Salzstreuung nicht wieder aufzunehmen und durch Splitstreuung zu ersetzen. Auf die Schädigung der Fremdenverkehrswirtschaft durch die Salzstreuung, wie enorme Umwelt- und Hausverschmutzung wurde im vergan- genen Herbst bereits nachweislich und ununterbrochen in der Presse und bei den zuständigen Landes- und Bundes- organen hingewiesen. Die Salzstreu- ung stößt nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei der Bevölkerung auf vollkommene Ablehnung, da die Ver- kehrssicherheit auch durch die Split- st:euung erreicht wird, jedoch ohne ne- gative Nebenerscheinungen der Salz- st:euung. Eine Wiederholung der Salz- stceuung in diesem Winter ist einfach untragbar und es sind von der Bevöl- kerung öffentlich Protestkundgebun- gen zu erwarten. Herr Bundesminister, die gleiche An- sicht haben auch wir in Kitzbühel, daß es einfach nicht zu verantworten ist, nicht nur wir Fremdenverkehrsbetrie- be leiden darunter, sondern jeder Haus- halt. Es ist, abgesehen daß die Natur darunter leidet, es wird zwar bestrit- ten, daß auch die am Straßenrand stehenden Sträucher darunter leiden, aber jedenfalls ist die Salzstreuung im Ort undenkbar und leider kann man nicht erst am Ende des Ortes anfan- gen, sondern muß sehr weit draußen anfangen. Es ist von Ihnen ein Erlaß da, daß die Salzstreuung gemacht wer- den muß. Das Baubezirksamt traut sich nicht diesen Erlaß zu umgehen, logischerweise, aber ich bitte Sie, sich noch sehr genau zu erkundigen und es sich zu überlegen, denn die Salzstreu- ung ist für uns Fremdenverkehrsorte und ich glaube auch für die anderen Orte, durch die die Bundesstraßen ge- hen - wirklich nicht tragbar". Bundesminister Moser: „Herr Bür- germeister, mir ist dieses Problem sehr sehr bekannt. Sie können mir glauben, es fehlt In der Reihe der Bür- germeister noch der Bürgermeister von Maria Zell, St. Anna, ich könnte Ihnen noch welche aufzählen, wo das- selbe Problem ist, aber - meine Da- men und Herren - es ist ein sehr sehr ernstes Problem. Schauen Sie, das Problem liegt darin: Ich habe beispiels- weise wieder Telegramme der Deut- schen Kraftfahrer-Organisation erhal- ten: „Herr Bundesminister, sorgen Sie dafür, daß die Bundesstraßen schnee- und eisfrei sind, weil die deutschen Kraftfahrer den Wechsel von einer schneefreien Fahrbahn auf eine Schnee- fahrbahn nicht gewöhnt sind und die davor Angst haben! Es ist aber ein sehr sehr ernstes Problem. Und zwar des- halb: Schauen Sie, in St. Anton ist zum Beispiel folgender Zustand: Wir haben eine Umfahrungsstraße gebaut. Diese wurde gesalzt und freigehalten. Die Ortsstraße geht uns überhaupt nichts an. Aber was hat St. Anton ohne Wissen des Bundes getan? Es hat eine Einbahn-Regelung eingeführt. Man hat auf der Umfahrungsstraße den Arlberg nur hinauffahren dürfen. Wenn man heruntergefahren ist, hat man die alte Durchzugsstraße durch den Ort benüt- zen müssen. Was ist dabei passiert? Die Kraftfahrzeuge, die auf der schnee- freien nassen Bundesstraße kamen und in den Ort hineingefahren sind, haben auf den Rädern natürlich kon- zentrierte Salzlösungen in den Ort hin- eingbracht. Dadurch wurde der Schnee unansehnlich. Und war die Bundesstra- ßenverwaltung schuld, daß die Orts- durchfahrt, optisch gesehen, so schlecht ausgesehen hat. Aber das ist so am Rand nur ein kleines Detail. Die Orts- durchfahrt ginge uns überhaupt nichts an. Nur durch diese Einbahnregelung war sie dann in Mitleidenschaft gezo- gen, weil dann auch der ganze Durch- zugsverkehr vom Arlberg herunter, wie mir gesagt wurde, durch die Ortschaft geleitet worden ist. Aber sehen Sie: Wir sind auch für die Verkehrssicher- heit verantwortlich! So viele Versuche schon gemacht wurden, etwas anderes als Salz zu finden, etwas wirtschaftlich Tragbares, Gleichwertiges, es ist noch nicht erfunden worden. Vielleicht ha- ben Sie gelesen, weil ich vom Salz weg- kommen will, wenn Salz das Kriteri- um im wesentlichen sein sollte, wegen der Rostgefahr und alles was damit zusammenhängt, daß die Linzer Stick- stoffwerke aus Harnstoff das soge- nannte „Urea" produziert haben. Be- vor man das in Tonnen produziert, muß man natürlich Versuche machen und wie wirkt es? Es ist an sich, mei- ner Meinung nach ein gutes Mittel und ich habe wiederholt mit dem General- direktor der Stickstoffwerke über den Preis verhandelt, denn wir brauchen es tonnenweise. Das heißt, um Ihnen nur einen Begriff zu geben, was insge- samt die Salzstreuung zur Verkehrs- sicherheit der Bundesstraßen in Öster- reich ausmacht: im vorigen Jahr 23 Millionen Schilling! Nur Salzeinkauf für die Eisfrei- und Schneefreihaltung der Bundesstraßen. Dazu werden wir vom Ausland gebeten und ersucht, die- se Durchzugsstraßen eis- und schnee- frei zu halten. Ich habe also mit dem Generaldirektor der Stickstoffwerke wiederholt verhandelt, wenn ich so und so viele Tonnen abnehme, weil dieses „Urea" diese unangenehmen Begleit- erscheinungen des Salzes nicht hat, zu welchem Preis können Sie es mir liefern? Wenn ich das umrechne - seinen billigsten Preis - der auch noch nicht genau kalkuliert war, dann wären statt der 23 Mill. rund 75 Mill. aufzu- wenden gewesen. 75 Millionen, die mir beim Straßenbau wieder abgehen, bei der Instandhaltung, beim weiteren Ausbau. Ich sehe augenblicklich in dieser Frage noch keine allgemein gültige Lö- sung, Herr Bürgermeister. Aber es fin- det jetzt im Herbst ein internationaler Kongreß in Turin statt, der sich spe- ziell mit der Frage des Winterdienstes auf den Straßen beschäftigen wird und daran wird auch der auf diesem Ge- biet sachkundige Beamte meines Mini- steriums teilnehmen und speziell die Frage der Salzstreuung international zur Sprache bringen. Weil wir glauben, das muß auch international abgeklärt sein. Denn eines leuchtet mir irgend- wie ein, nämlich dieses Telegramm des Deutschen Automobilklubs, daß aus- ländische Fahrer einen Wechsel zwi- schen trockener oder schneefreier Fahr- bahn auf Schneefahrbahnen, auch wenn sie dann mit Split bestreut sind, nicht gewöhnt sind. Daß sie Angst haben und dadurch nicht bereit sind, diesen unentwegten Wechsel: Einmal Split- streuung und wieder einmal trocken, in Kauf zu nehmen. Wie gesagt, ich habe solche Telegramme auch erhalten. Nun war das im vorigen Winter natür- lich nicht auf einmal zu lösen, daher auch der Erlaß, im Interesse der Si- cherheit: Es ist zu streuen! Denn wenn uns ein Kraftfahrer nachweisen würde, daß wir die notwendige Obsorge ver- nachlässigt hätten, würde auch die Bundesstraßenverwaltung haftbar zu machen sein für den Schaden, der ent- steht, Und eine Sicherheit gibt es jetzt
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