Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Samstag, 24. Oktober 1970 Kitzbüheler Anzeiger Seite 7 In Bergbausachen bei der staatl. Seenverwaltung Herrenchiemsee Wie bereits kurz berichtet, war am 14. Oktober eine kleine Delegation der Gemeinde Reith unter Führung von Bürgermeis:er Alois R 1 t t e r bei der staatlichen Seenverwaltung von Her- renchiemsee, um dort den verantwort- lichen Herren die allgemeinen Sorgen über den drohenden Bergbau zu un- terbreiten. Bürgermeister Ritter wur- de in Prien vom Chef der staatlichen Verwaltung Herrenchiemsee Ob.-Regie- rungsrat Landwirtschaftsrat Albert S o u k o u p, dem Hauptflußmeister Die „Union Corporation Ltd." ist ein Weltkonzern und hat ihren Sitz in Lon- don. Der Rahmenvertrag mit der Mit- terberger Kupferbergbau Ges. m. b. H. berechtigt die „Union" mit der Auf- schließung. Sie hat eine Gesellschaft m. b. H. mit dem Sitz in Wien gegrün- det und ist also nunmehr rechtlich als österreichische Firma anzusehen. Sie betreibt derzeit zwei Ziel-Tiefbohrun- gen und zwar am Abhang des Kitz- büheler Horns im Gemeindegebiet von Oberndorf und beim Hof Oetz am Ast- berg, Gemeindegebiet von Reith. Wer- den abbauwürdige Erze gefunden, ob Kupfer, Silber oder Uran, darin muß vertragsgemäß der Union das Abbau- recht übertragen werden, wobei den Besitzern der vielen hundert Frei- schürfrechte, den „Mitterbergern", ein verstaatlichter Betrieb, eine Beteili- gung freigestellt wird. Nach der. nun von der „Union" dem Landeshauptmann von Tirol vorgeleg- ten, vorerst noch als „hypothetisch" bezeichneten Bergwerksplanungen sol- len zwei Schachtanlagen gegründet werden. Eine Schachtanlage am Ast- berg im Gemeindegebiet von Reith und die zweite bei Wiesenschwang im Ge- meindegebiet von Oberndorf. Der Landeshauptmann von Tirol Eduard Wailnöfer hat beim Handels- ministerium seine Bedenken in bezug auf die Tiroler Raumordnung und die Landesplanung angemeldet und ein Kuratorium unter der Leitung von Hof- rat Dr. Paul Kirchmeyr, Gewerberefe- rent beim Amt der Tiroler Landes- regierung eingesetzt. Er hat weiters zwei Gutachten von der montanisti- schen Hochschule in Leoben angefor- dert, eines von Professor Dr. A u b e 1 e und das zweite, das Wasserrecht be- treffend, von Professor Dr. S t e i n e r. Gerade dieses Gutachten soll dem Lan- deshauptmann als geeignete Waffe in seinem Kampf um den Schutz und die Reinhaltung der Gewässer dienen. Eine Vermehrung der Schachtanla- Paul H ö lii n g, gleichzeitig auch Prä- sident der Oberbayerischen Seenbesit- zer und von Fischereiobmann Josef L ex empfangen. Ritter, der auch Mit- glied des von Landeshptm. Wahn- öfer gebildeten Kuratoriums ist, über- reichte den Herren vorerst ein schrift- liches Expos6 mit folgendem Wortlaut, wobei zu vermerken ist, daß nur jene Motive berücksichtigt wurden, bei de- nen ein gemeinsames Interesse zwi- schen dem Bezirk Kitzbühel und dem bayerischen Raum zu erwarten ist. gen auf drei, fünf oder auch z e h n ist zu befürchten. Die Schurfberechtigun- gen liegen vorläufig im Raum Fieber- brunn, St. Johann, Kitzbühel, Hopf- garten. Da aber auch 75 Schurfrechte „am Fuße des Wilden Kaisers", also in einem an Bayern angrenzenden Ge- biet, e biet, angemeldet wurden, soll das Pro- jekt, unserer Meinung nach, auch die Bayerische Seenschutzverwaltung mit dem Sitz am Chiemsee interessieren. Welche Schäden sind durch einen Bergbau zu erwarten, die den gemein- samen Grenzraum Tirol-Bayern betref- fen? Nach Besichtigung von Bergwerks- anlagen in Bor, Jugoslawien, in Grie- chenland und in Montana, Kanada, weist die Landschaft in einem Um- kreis von 30 km Verwüstungen auf. Ein Bergwerk z. B. im Raum nördlich des Wilden Kaisers berührt daher auch Schleching, Blindau und Reit im Win- kel. Direkte Schäden sind Mindererträ- ge oder gar ein Versiegen der Einnah- men aus der Waldwirtschaft. Daß gera- de die Forstwirtschaft durch die Erz- aufbereitung besonders gefährdet ist, wurde durch ein Gutachten der Be- zirkslandwirtschaftskammer Kitzbühel festgestellt. Bei großflächigen Abholzen von Wäldern ist auch eine vermehrte Windwurfgefahr zu befürchten. Auch in der Futterwirtschaft er- geben sich durch schwefelige Nieder- schläge, die auch den bayerischen Grenzraum bedrohen können, große Nachteile. Dies gilt besonders für die Grünfutternutzung, für den Weidehe- betrieb und nicht zuletzt für die Jagd- wirtschaft. Die fließenden Gewässer des Be- zirkes Kitzbühel sind bisher noch sehr rein und somit für die Fischereiwirt- schaft besonders günstig. Durch den geplanten Erzbergbau würde sich dies grundlegend ändern. Man müßte da- mit rechnen, daß z. B. der Fischbestand der G r o ß a c h e bis über die Landes- grenzen hinaus dezimiert bzw. vernich- tet wäre. Damit entstünde der Fische- reiwirtschaft „hüben und drüben" ein großer Schaden. In dem vom Bergbau und seinen Auswirkungen betroffenen Gebiet gibt es zahlreiche Bienenzüchter. Allein im Bezirk Kitzbühel sind an die 400 Bie- nenzüchter mit über 4000 Völkern tä- tig. Wie sich auch in anderen Orten mit Erzaufbereitungsanlagen gezeigt hat, nimmt die Bienenhaltung größten Schaden. Mit der Schädigung der Bie- nenzucht gehen aber zwangsläufig gro- ße Ertragseinbußen im Obstbau einher. Im Bezirk Kitzbühel befinden sich sieben Emmentaler-Käsereien und ein weiterer Betrieb mit Bergkäseerzeu- gung. Die Hauptmilchanhieferung an diese Verarbeitungsbetriebe liegt in jenem Teil, wo Erzvorkommen sind. Da durch die bei der Erzaufbereitung entstehenden Schwefelrückstände auf das Grünfutter und auf das Weidegras, wie die Erfahrung zeigt, Darmerkran- kungen und Verdauungsstörungen aus- lösen, wäre in den betreffenden Ge- bieten die Erzeugung von Qualitäts- käse ernstlich gefährdet. Der bayeri- sche Grenzraum dürfte auch davon nicht ausgenommen sein. Die Verseuchung der Bäche und Gerinne in den betroffenen Gebieten und darüber hinaus läßt auch eine all- gemeine Verschlechterung des Wasser- haushalts befürchten. Die Erzstufen, die aus den Schacht- anlagen gefördert werden, müssen bis zur Sandgröße vermahlen werden. Die- ses Material kommt dann in sogenann- te Flotationsteiche. Zur weiteren Auf- bereitung werden Chemikalien ver- wendet, durch welche das Wasser ex- trem verunreinigt wird. Hunderttau- sende von Tonnen Schlamm und tau- bes Gestein müssen wieder abgelagert werden. Der Hauptvorfluter für alle diese Gewässer ist und bleibt schließ- lich die Großache, die als „Tiroler Ache" bei Grabenstätt in den Chiemsee fließt. Die Kitzbüheler Ache, die im Leukental den Namen „Großache" und im bayerischen Raum den Namen „Tiroler Ache" führt, wur- de als grenzüberschreitendes Gewäs- ser in das Schwerpunktprogramm des Gewässerschutzes einbezogen, nicht zu- letzt deshalb, weil von den bayerischen Unterhiegern bis hinaus zum Chiem- see bereits Klagen über die Ver- schmutzung der Ache vorgebracht wur- den. Im Bezirk Kitzbühel werden gi- gantische Kläranlagen errichtet, in der Stadt Kitzbühel allein um den Betrag von 20 Millionen Schilling. Diese Schutzmaßnahmen wären alle „für die Katz", wenn die mit Chemikalien ver- seuchten Abwässer eines Bergwerk- betriebes ungestört in die Ache als Vorfluter fließen könnten. Die Freischürfrechte werden un- ter der Ortsbezeichnung „Röhrerbichl, Vortrag von Bürgermeister Alois Ritter beim Chef der staatlichen Seen- verwaltung ORLwR Albert Soukup auf Herrenchiemsee am 14. Oktober 1970 Der drohende Bergbau im Raum Kitzbühel und seine Auswirkungen auf den bayerischen Grenzraum
< Page 6 | Page 8 >
< Page 6 | Page 8 >