Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 8 lUtzbüheler Anzeiger Samstag, 29. Mai 1971 Gründer der Volksbühne St. Johann Pe- ter T h a 1 er, der vom Landesverband der Tiroler Volksbühnen mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Ver- bandes ausgezeichnet wurde und das ihm unter dem Beifall der Anwesen- den von OSS Dr. Söldner übergeben wurde. Peter Thaler begann seine theatra- lische Laufbahn 1910 bei der Theater- gesellschaft „Anton Feiler" im alten kleinen Saal mit kleiner Bühne im Gasthof Mauth und spielte bei mehre- ren Theaterstücken bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges mit. (Anton Feiler, Schuhmachermeister in St. Jo- hann war vor der Jahrhundertwende Obmann des damaligen Verschöne- rungsvereins und Veranstalter vieler Sportwettkämpfe; gestorben in Kuf- stein.) Im November 1919 kehrte Thaler vom Kriegsdienst nach Hause zurück und gründete schon im Feber 1919 mit 18 theaterbegeisterten Personen den Theaterverein „Volksbühne St. Jo- hann im Leukentale" und erhielt lt. Satzungen vom Landespräsidium die Konzession als Spielleiter und Vereins- gründer. Es war schon damals ein so reges Interesse vorhanden, daß im al- ten Mauthsaal das Publikum nicht mehr untergebracht werden konnte. Es wurde daher in den großen Saal des Gasthofs Post übersiedelt. Ab 1920 entwickelte sich ein bemer- kenswerter Aufstieg. Es wurden neue Spielkräfte gewonnen, darunter auch Sänger sowie eine 8 Mann starke Streichmusik, welche nicht nur die Zwischenpausen ausfüllte, sondern in der Folge zur endgültigen Trennung führte. Nur die späteren Gerichte Kuf- stein, Rattenberg und Kitzbühel blie- ben in bayerischer Hand. Bayerns Be- streben war es immer wieder, jede sich bietende Gelegenheit wahrzunehmen, wiederum in den früher zu Bayern gehörigen Raum vorzustoßen. Die Aus- gangsbasis dafür boten die genannten Gerichte. Vielleicht hatte der zielstrebi- ge Herzog Ludwig II. mit dem Gedan- ken gespielt, über den Paß Thurn in den Pinzgau überzugreifen und von dort aus weiter über die Tauern in das Pustertal vorzustoßen. Durch die- sen Raum führte ja ein wichtiger Handelsweg vom Süden nach Norden. Für solche machtpolitische Erwägun- gen und Vorhaben bedurfte es eines Stützpunktes, von dem aus gehandelt werden hätte können. Und dafür bot sich Kitzbühel am Nordfuß des Turn- tauern, so wurde der Paß Thurn frü- her genannt, an. Aber noch etwas an- deres müssen wir in unsere Vermutun- gen miteinbeziehen. Aehnlich wie Her- zog Ludwig dachte, könnte auch Erz- bischof Philipp von Salzburg gedacht haben. Der Pinzgau und das Brixental salzburglsch, dazwischen bayerisches auch als Begleitmusik bei Singspielen mitwirkte. So wurde es auch möglich, Theaterstücke von Schönherr, More, Anzengruber, Ganghofer, Raucheneg- ger u. a. zur Zufriedenheit der Besu- cher aufzuführen. Die Bühne erntete auch von Saisongästen stürmischen Beifall. Mit besonderem Erfolg wur- den aufgeführt: 's Nulierl, Pater Jakob, Bruder Martin, Volk in Not, Die Räu- ber vom Glockenhof, Der geliebte Bua, Die Buschliesl, Der Dorfbader, Der Paragraphenschuster, Katzensprung ins Glück, Kreuzkaspar geht wallfahrten, Der Gewissenswurm, Das Beschwerde- buch, Die Zwillingsbrüder, Glück vom Riedhof, Auf'n Sunnwendhof, Jäger- blut, Blutprobe, Ehestreik, Der Geigen- macher von Mittenwald, und vier von Peter Thaler selbst verfaßte Stücke und zwar „Gründung von Spital auf der Weitau 1266",,, Speckbachers Haupt- quartier in St. Johann 1809" und „Ein- siedelei Maria Blut am Hinterkaiser" mit historischem Inhalt, und die hu- moristische Begebenheit „Die Geister- alm am Kitzbüheler Horn". Von 1919 bis 1969 wurden insgesamt 98 Theaterstücke aufgeführt und in den 48 Jahren, in welchen Thaler als Spielleiter fungierte, brachte er es ins- gesamt zu tausend Aufführungen in Tirol und Bayern. Die freundschaft- liche Verbundenheit mit dem Theater- verein Reit im Winkl führte schon seit 1920 zur heutigen engen Kame- radschaft. Reit öffnete St. Johann Bayerns Tore und umgekehrt war St. Johann der Wegbereiter für Auffüh- rungen der Reit im Winkler in Tirol. Im Rahmen der volkstümlichen Spie- le wurden auch seit 1920 das Brauchtum Gebiet. Der Weg vom Pinzgau in das Brixental führte also durch fremdes Territorium. Gewiß keine allzu ange- nehme Tatsache. Wenn wir uns noch einmal vergegenwärtigen, daß die salz- burgischen Velber in diesem Raum beachtlich Fuß gefaßt haben, so könn- te man sich denken, daß Bestrebun- gen im Bereich des möglichen lagen, die auf eine Einverleibung des Raums, der zwischen dem Pinzgau und dem Brixental lag, abzielten. Dieser Gefahr oder Möglichkeit konnte Bayern nur durch die Festigung ihrer Macht in die- sem Raum begegnen. Und zur damali- gen Zeit bedeutete eine Festigung der Stellung entweder eine Burg oder eine Stadt. Auch dies kann als Begründung für die Entscheidung Herzog Ludwigs, in Kitzbühel eine Stadt zu gründen, herangezogen werden. Schließlich soll noch eine andere Vermutung geäußert werden. Das von Kaiser Heinrich II. gegründete Stift Bamberg besaß im Raum Kitzbühel eine große Grundherrschaft, die geeig- net gewesen wäre, ein eigenes Nieder- gericht zu werden, wie es dem Stift Rott im Pillerseegebiet gelang. Eine solche Entwicklung hätte eine Beschnei- und die Trachtenkunde gefördert und gepflegt. Thaler schuf als Kunstmaler viele ländliche Bühnenbilder und wur- de auch nach auswärts berufen, wo er 38 Bühnen erneuern konnte. Während des 2. Weltkrieges gab Thaler mit sei- ner Gruppe 12 Gastspiele für KDF. Der große Idealismus, der von den Volksschauspielern, Sängern und Mu- sikern entwickelt wurde, ermöglichte es auch, in vielen Wohltätigkeitsveran- staltungen zugunsten der Kriegsopfer und der Caritas aufzutreten. Die Volks- bühne St. Johann spielte auch zugun- sten des Annensteges, zur Abdeckung der Schulden für die Renovierung der Einsiedelei (die gänzlich abgezahlt wer- den konnten) und für die Kirche und bei Festlichkeiten stellten sie Festwä- gen zur Verfügung. Die Tätigkeit der Volksbühne St. Jo- hann vollzog sich durch 24 Jahre im Gasthof Post, 16 Jahre in der Mauth, 8 Jahre beim Bären und in den letzten 3 Jahren beim Bacherwirt. Infolge der Saalumbauten mangelt es in St. Johann in letzter Zeit an einem entsprechend großen Saal, um den einheimischen Vereinen ihre volkstümlichen Veran- staltungen gestatten zu können und den Saisongästen im geistigen Sinne eine unverfälschte Tiroler Art zu bie- ten. ie ten. Peter Thaler gedachte an diesem Ta- ge auch den 47 verstorbenen Mitglie- dern der Volksbühne St. Johann seit ihrer Gründung. Eigentümer. Herausgeber und Verleger: Kitzbüheler Anzeiger Gesellschaft mbH, Kitzbühel, Vorderstadt 16; Verwaltung: Kitzbühel, Schwarzseestral3e 2, Tel. 2576; 'erantwortl icher Schriftleiter: Martin Wörgötter, Kitz- bühel, Hlnterstadt 17, Tel. 2236: Druck: Druckerei Au- lolf Grobstimm & Leo Heininger, Kitzbühel, Wehrgasse 8, Tel. 2515. dung der Macht und der Rechte der bayerischen Herzoge bedeutet, die sie gerade im äußersten Süden ihres Her- zogtums nicht dulden konnten. Diese Entwicklung konnte nur durch eine starke landesfürstliche Präsenz ge- steuert werden. Und dies war wieder- um eine Stadt, über die der Landes- fürst frei verfügen konnte. All das, was zur Begründung für die Stadtgründung Kitzbühels geäußert wurde, sind reine Vermutungen, die in keiner Weise quellenmäßig belegt werden können. Sie sind aber Versu- che zu erklären, warum im Leuken- tal ein neuer Mittelpunkt geschaffen wurde, nachdem ja schon einer von altersher vorhanden war, nämlich in und bei St. Johann. Gerade diese Tat- sache zwingt zu Erklärungsversuchen, da es nach der Lage der Dinge ohne weiteres möglich gewesen wäre, die- sen ie sen alten Mittelpunkt zu belassen. Daß dem nicht so war, muß einen machtpolitischen Hintergrund, den wir nicht kennen und der daher für uns rätselhaft bleibt, gehabt haben. Wie immer es gewesen sein mag, Kitzbühel wurde vor 700 Jahren Stadt und das wollen wir gebührend feiern.
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