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Seite 16 l<itzbüheler Anzeiger Samstag, 21. August 1971 bescheidene Zahl der Kinder darin Tiroler Vereinigung zugunsten Platz finden; k • in allen Bezirksstädten sollten orpe rbehinderte r Kinder Therapiezentren sich befinden; LAbg. Gemeinderat Dr. Otto Körperbehinderung bei Kindern kann unter anderem als Folge von Unfällen auftreten, in den seltenen Fällen gibt es angeborene Körperbehinderungen. Eine cter verbreitetsten Ursachen für Körperbehinderung (Bewegungsstö- rung) bleibt jedoch die Hirnschädi- gung beim Säugling, die vor, während oder in den ersten Monaten nach der Geburt eintreten kann. Hirnblutung, Sauerstoitrnangel, Vergiftung oder Un- verträglichkeit der Blutgruppen zwi- schen Mutter und Kind können der Grund dafür sein. In der Folge treten dann sogenannte cerebrale Lähmungen ein, die sich besonders in Geh- und ewegungsstörungen bis zur mögli- chen Vollinvalidität auswirken. Diese Gebrechen sind keine Krankheiten, sondern tolgezustände, die keinesfalls erblich ansteckend sind. Körperbehin- derte Kinder müssen keineswegs gleich- zeitig geistig behindert sein, sie haben vielmehr eine so gute IntelLigenz, daß ihnen ohne Behinderung eine normale Schul- und Berufsausbildung möglich wäre. Von der Physiotherapeutisc'nen Ab- teilung der Univ.-Kinderklinia Inns- bruck werden derzeit rund 450 Kin- der, die an Bewegungsstörungen oder Körperbehinderungen leiden, behan- delt, d. h. daß in Tirol auf 1000 Kinder drei bis fünf geschädigte kommen. Bei einer durchschnittlichen Geburten- rate von 12.000 Säuglingen pro Jahr nimmt also die Zahl der leicht bis schwer körperbehinderten Kinder um fast 50 zu. Bis zum Jahre 1980 werden daher in unserem Land fast 1000 Kin- der, die einer intensiven Therapie und Pflege bedürfen, leben. Sicher sind die uns bekannten 450 Kinder nicht alle, die einer Behandlung zugeführt wer- den und so dürfte die wahre Zahl ein- schließlich einer eventuellen Dunkelzif- fer etwas höher liegen. Sind vor Jahren Säuglinge und Kin- der, die schwere Gebrechen hatten, bald verstorben, so bleiben heute dank der modernen Kinderheilkunde die meisten am Leben und erfahren Hei- lung oder Besserung. Es kommt aller- dings dadurch scheinbar zu einer grö- ßeren Häufigkeit an Bewegungsstörun- gen und Körperbehinderungen. Zentren, in denen behinderte Kinder behandelt werden, befinden sich außer der CP - Ambulanz der Kinderklinik Innsbruck im Säuglingsheim Axams, im Elisabethinum in Innsbruck, in Kitzbühel, Matrei i. 0. und Reutte. In Tirol haben sich nun Eltern be- wegungsgestörter und körperbehinder- ter Kinder und interessierte Personen nach internationalen Vorbildern zusam- mengeschlossen, um eine Interessen- gemeinschaft zum Wohle ihrer Schütz- W e n dii n g im Vorstand! linge in der Tiroler Vereinigung zugun- sten körperbehinderter Kinder zu bil- den. Warum haben wir einen Tiroler Verein gegründet? Gibt es nicht schon österreichische Gesellschaften? - Der Grund liegt nahe. Die Eltern der be- hinderten Kinder, mit denen wir an Elternabenden Gespräche führten, hat- ten alle dieselben Sorgen, ihre Kinder nur nicht zu weit vom Elternhaus weg zu wissen. Denn es ist bereits heute für viele Eltern äußerst beschwerlich, von Landgemeinden in die nächste Be- zirksstadt oder nach Innsbruck zur re- gelmäßigen wöchentlichen Behandlung zu kommen. Das gleiche gilt für Hei- me und Internate, wo doch die Kin- der entweder am Wochenende nach Hause geholt oder besucht werden wollen. Eine dauernde Trennung vom Elternhaus würde sich auf das körper- liche und seelische Befinden der Kin- der überhaupt negativ auswirken. Die nötige Konsequenz bleibt daher, Kin- dergärten, Heime, Schulen und Werk- stätten in den unmitteharen Ballungs- räumen in Tirol, nicht zu weit ent- fernt vom Wohnsitz der Eltern, aus- zubauen. Die Initiative der Tiroler Vereinigung zugunsten körperbehinder- ter Kinder muß sich daher über das Land Tirol erstrecken und dehnt sich an Hand der Mitgliederliste über alle Bezirke Tirols aus. Spontan haben sich Persönlichkeiten des kirchlichen und öffentlichen Le- bens wie Propst Monsg. Dr. Heinz Hu- ber, Univ.-Prof. Dr. Heribert Berger (Vorstand der Kinderklinik Innsbruck) Oberarzt Dr. Margit Hochleitner (Lei- terin der Physiotherapeutischen Abtei- lung), Dekan Pfr. Holaus (Matrei i. 0.), Hofrat Dr. Josef Kasseroler (Land- haus), Direktor Arthur Praxmarer (Leiter des Elisabethinums), LAbg. Jo- sef Thoman, Walter Turek (Verwal- tungsdirektor des Landeskrankenhau- ses Innsbruck) und LAbg. RA Dr. Otto Wendung (Kitzbühel) zur aktiven Hil- fe für die behinderten Kinder bekannt. Diese Vereinigung will bereits beste- hende Institutionen in der Oeffentlich- keitsarbeit unterstützen, denn bewe- gungsgestörte oder körperbehinderte Kinder bringen viel Probleme; nicht nur den unmittelbar Betroffenen, auch der Gesellschaft, in der sie leben. Zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten sind sie auf die Allgemeinheit ange- wiesen. Denn, trotz eines beispielhaf- ten Behinderungsgesetzes in Tirol kann nicht nur die öffentliche Hand allein alle Lasten übernehmen. Viel- leicht könnten Sie mithelfen, einen Ausweg aus den materiellen Schwierig- keiten zu finden? da die bestehenden Internate und Heime zu klein sind, kann nur eine Tageskindergärten, hauptsächlich in den Bezirksstädten, fehlen teil- weise; in den Therapiezentren fehlen Therapeutinnen, denn, wie so in vielen Berufen, erhalten die wohlausgebilde- ten Mädchen im umliegenden Ausland höhere Bezüge und wandern ab; diese Kinder brauchten mehr Spe- zialfachärzte, für deren Ausbildung weder finanziele Mittel noch Dienst- posten zur Verfügung stehen; das Elisabethinum wird in Axams u. a. mit Landeshilfe neu errichtet, doch fehlen diesem Heim noch viele Einrichtungen, die erst am Spenden- weg aufgebracht werden müssen; dankenswerterweise spendete ei- ne Aktion von „Rettet das Kind" der Innsbrucker Kinderklinik einen Am- bulanzbehandlungswagen zur Betreu- ung der Kinder in weitentlegenen Ge- meinden. Die Finanzierung für das kommende Jahr ist bereits gesichert, doch steht diese für die Zukunft noch aus. Die Tiroler Vereinigung will nun ver- suchen, mit den Eitern der betroffenen Kinder Erfahrungen und Heilmittel- behelfe auszutauschen und ihnen die Bewältigung ihrer schweren Lebens- aufgabe zu erleichtern. Sie wird sich um die Beschaffung und Unterhaltung von Schulungsmöglichkeiten sorgen und sich für jede Hilfe bewegungs- gestörter und körperbehinderter Kin- der einzusetzen. Sie wird Familien- tagungen, Mütterabende und Fachvor- träge organisieren. Die Arbeit der Vereinsmitglieder er- folgt natürlich ehrenamtlich. - In Deutschland und in der Schweiz beste- hen seit Jahren Parallelvereinigungen und die Schweizerische Vereinigung zugunsten cerebral gelähmter Kinder steht uns auf Grund ihrer mehrjähri- gen Erfahrung zur Seite. Eltern und Personen, die diesen Kin- dern helfen wollen, sind herzlich ein- geladen, der Vereinigung beizutreten und diese Bestrebungen zu unterstüt- zen, um für ihre Schützlinge eine bes- sere und chancenreichere Zukunft auf- zubauen. Helfen Sie mit, das körper- behinderte Kind so zu fördern, daß es später seinen Lebensweg weitgehend selbständig findet. Der am 25. Mai 1971 von den Eltern gewählte Vorstand der Vereinigung setzt sich wie folgt zusammen: OA Dr. Margit Hochleitner (Univ.- Kinderklinik Innsbruck), Hw. Dekan Pfarrer Holaus (Matrei i. Osttirol), Hofrat Dr. Josef Kasseroler (Land- haus Innsbruck), Georg Kosta (Inns- bruck), Dr. med. Erich Kuster (Fach- arzt für Anästhesie), Eckhard Volgger (Innsbruck), LAbg. RA Dr. Otto Wend- ling (Kitzbühel).
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