Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 11. September 1971 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Die Stadtkirche, ein Wahrzeichen Kitzbühels Das religiöse Leben vor Jahrhunderten — Ein Jahr mit 108 Heiligenfesttagen Stadtgemeinde Eigentümer von 60 Bauernhöfen in Kitzbühel wirkten in der Regel vier Patres: der Stadtvikar, der „Ordi- nary-Prediger" (er hatte die gewöhnli- chen Sonn- und Festtagspredigten zu halten), der „Rosary-Prediger" (ihm ob..ag die Verkündigung bei den Bru- derschaftsanlässen) und der Stadt- kaDlan (er war für die Christenlehren und die Jugend zuständig). Die ge- wöhnliche Amtszeit des Stadtvikars be- trug drei Jahre, die übrigen Priester wurden nach Bedarf durch den Pro- vinzial versetzt. Das Hospiz in Kitz- bühel hing stets eng von dem näch- sten Dominikanerkloster, nämlich dem in Bozen, ab. Sie gehörten beide von ihrer Gründung an zur deutschen Pro- vinz; nach der Teilung (1702) bildeten sie einen Bestandteil der ungarischen Ordensprovinz, die ihren Sitz in Wien hatte. Auch dieser Umstand erweckte in der Stadtverwaltung anfänglich Miß- trauen: Die Dominikaner werden als landfremde Priester nie ein Interesse an dieser Stadt bekommen. Die Erfah- rung strafte die Lügen: Zahlreiche Pre- diger wirkten zehn Jahre und länger hier; wiederholt bemühten sich Bür- germeister und Rat mit Erfolg, einen liebgewcnnenen Priester, der abberu- fen werden sollte, noch länger hierbe- halten zu können. Hatte bei der Amts- einführung des Stadtvikars P. Ludwig Lieb 0. ?. am 9. Juni 1723 der Dechant von St. Johann, Jodok Adrian Helman, ncch Grund, leicht ironisch nach Salz- burg zu berichten, er hätte „der Ge- main, so doch bloß in Bauersieuthen bestandten, maßen auß der Pürger- schaft niemandts zu erscheinen pfle- get", den neuen Seelsorger vorgestellt, so bietet sich 1762 ein ganz anderes Bild: D:e Gemeinde bittet, den zum Prior des Klosters in Bozen erwählten Stadtvikar P. Antonin Thuille 0. P. noch hierbehalten zu dürfen, „indem er eine guete Disciplin mit seinen Co- operatoren halte, alle Haut Gottes- dienste selber verrichte, by ihnen der- mahlen der beste Prediger sey, villes zur Zier deß Gotteshauses beytrage, denen Armen vill Guetes erweise und eine gute Manier habe, sowoll die Bur- ger- als Paurschafft der Creuztracht mit seinen geistlichen Verrichtungen fridlich zu vergnügen". Es gelang, al- lerdings nur für drei Jahre, dann wur- de dieser hochqualifizierte Priester zum Provinzial erwählt. Zu den Festen: Es finden sich sechs Herrenfeste, acht Feste der Gottes- mutter und 94 sonstige Heiligenfeste (im Kalendarium von 1619) verzeich- net. Analysiert man den HeiLigenkalen- der auf die soziologische Seite ihrer Patronanzen, so ergibt sich ein interes- santes Bild. Selbstverständiich finden sich die 14 Nothelfer in der für Tirol typischen Fassung. Die Wetterherren Johannes und Paulus (26. Juni), Georg (23. April) sowie die Patrone gegen Engerlinge und Ungeziefer, Heinrich und Margaretha, werden speziell dem ländlichen Einflußbereich zuzurechnen sein. Auf das Konto der Bergleute ge- hen die Festtage des Erzvaters Abra- ham (22. Dezember), der 111. Barbara (4. Dezember), des hl. Vitus (15. Juni), und der hl. Mutter Anna (26. Juli). Nikolaus (6. Dezember) galt vorwie- gend als Patron der Fuhrleute, Vin- zenz (22. Jänner) als solcher der Holz- fäller; der Tag St. Urbans (25. Mal) als Schutzherr der Weinbauern unter dem Altbestand kirchlicher Feste in Kitzbü- hel muß wohl besonders vermerkt werden. Rochus (16. August) erfreute sich als Pestpatron allerorten größter Verehrung. Nur zwei Heiligenfeste er- scheinen doppelt: Margaretha (12. bzw. 20. Juli) und Heinrich (13. bzw. 15. Juli). Bei letzterem ist der Einfluß Bambergs unverkennbar. Da sowohl die „Bamberger Stifft" mit einem Amt an dem Kaiser Heinrich geweihten Al- tar auf der Empore der St. Andreas- Kirche gehalten wurde, als auch am 13. Juli dort ein Gottesdienst verzeich- net steht, muß dieses erste Fest auf die Urgenz der Bamberger Herren zu- rückzuführen sein. Das Domkapitel von Bamberg besaß im Raum von Kitzbühel rund 60 Höfe; es unterhielt hier stets einen eigenen Pfleger, der im Hause neben der Ka- tharinenkirche amtierte. 1594 verkauf- te der Bamberger Dompropst Martic von Schaumburg diesen Besitz an den Pfandinhaber der Herrschaft Kitzbü- hel Hörand von Wolkenstein. Doch schon im folgenden Jahr brachte der Kitzbüheler Bürger Hans Päzagl die Bam-bergischen Oblaygüter käuflich an sich. Dieser stiftete sie am 28. März 1613 dem Heiigengeistspital seiner Va- terstadt, damit „die darin wohnende Dürftigkeit besser gespeist werde und froheren Mutes leben könne", lieber 80 Jahre besaß nun die Gemeinde (als Eigentümer des Stadtspitals) die ehe- malig Bambergischen Güter. Vermöge einer Anordnung des Stifts wurde mehr als 100 Personen eine Mahlzeit jährlich am Montag nach Dreikönig an und ein Maßel Wein verbabreicht. Am
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