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Samstag, 16. Oktober 1971 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Die bauliche Entwicklung des Stadthauses in Kitzbühel Aus: Dr. Johanna Felmayer „Die Baugeschichte Kitzbühels" Mit ihren behäbigen, großzügig ange- legten Bürgerhäusern, die fast durch- wegs mit Satteldächern gedeckt sind und meist nicht mehr als drei bis vier Geschosse aufweisen, unterscheidet sich die Stadt Kitzbühel grundlegend von den Innstädten. Die frühesten Wohnhäuser werden wohl kaum mehr als zweigeschossig gewesen sein, denn gerade in Kitzbühel zeigt sich so deutlich wie in keiner an- deren Tiroler Stadt in Herkunft des Stadthauses vom Bauernhaustypus. Es ist auch heute noch das ältere Seiten- flurhaus in der Ueberzahl ge- genüber dem jüngeren Mit- telflurhaus, das vorwiegend bei gegen die Vorderstadt gerichteten Häusern anzu- treffen ist. Auch geht das Kitzbüheler Stadthaus noch nicht auf den Einhof zu- rück, sondern auf die Vor- gängerform des Paarhofes bei dem die Wirtschafts- gebäude n e b e n dem Wohn- gebäude stehen. So entwik- kelte sich der breitrecht- eckige Grundriß des Stadt- hauses. Der zum Teil quadrati- sche oder längsrechteckige Grundriß entwickelte sich erst mit dem Hinauswach- sen der Häuser über die Stadtmauer bzw. durch ihre vertikale Teilung im 16. Jh. Die Häuser waren auch in der Reihenverbauung nicht direkt aneinandergebaut sondern es wurden Abstän- de dazwischen eingehalten, die auch heute noch zum Teil als Bauwiche (sie- he Bild) erhalten sind. Die- se ältesten Häuser waren si- cher, wie auch sonst in Tirol, vorwiegend im Blockbau er- richtet und nicht unterkel- lert, lediglich die Küchen und Stallungen waren gemau- ert. Daß dieser aus dem Paarhof hervorgegangene Ty- Der pus vor allem entlang der auf Stadtmauer vorherrscht, er- gibt sich naturgemäß daraus, daß die Stadtmauer die Ausdehnung nach au- ßen zunächst verhinderte, die nach in- nen aber bestimmte. Mit der zuneh- menden Bevölkerung setzt das Wach- sen des Hausbestandes in die Höhe und sein gemauerter Ausbau zu Wohn- zwecken ein, denn obwohl auch schon ab dem Anfang des 15. Jh. die Ent- wicklung der Vorstädte feststellbar ist, wurde doch der in jeder Hinsicht ge- schützte Stadtkern allegmein bevor- zugt. Das älteste, leider nur mündlich Überlieferte Datum auf einem First- balken in der Vorderstadt beim Haus Nr. 9 „Eisenwerner" nennt das Jahr 1449. Der bauliche Aufschwung der Stadt wurde vor allem durch Kardinal Mat- thäus Lang vcn Wellenburg eingeleitet. Wenn sich auch in den letzten Jahr- zehnten des 15. Jh. Hans Sallstein als wahrscheinlich erster Baumeister in Kitzbühel niedergelassen hat, so wird doch die Hauptinitiative am Bauge- schehen von den Meistern Andre Kle- pat und Wilhelm Egarter getragen. Der materielle Anstoß für die Auf- bauten ist im Aufblühen der Stadt durch die Erschließung der Bergwerke zu suchen. In bescheidenem Maße schon im 15. Jh. durch die Silbervorkommen am Jufen, wesentlich großartiger aber dann ab 1539 durch die Entdeckung der Erzvorkommen am Rerobichi konn te der wirtschaftliche Fortschritt die Bauentwicklung bestimmen. So geht also die Ausdehnung der I']äuser auch heute noch vielfach auf die durch den ältesten Baubestand vorgezeichneten Baulinien zurück. Die Feuermauern wurden nicht direkt in- einandergebaut wie in den Inn- und Salzachstädten, sondern sie verbl:eben in einem gewissen Abstand, dem B a u- w i c h, voneinander, der durch die Gliedwand häufig zumindest an der Front abgeschlossen wurde. Die Bau- wiche hatten übrigens auch den Vor- teil, daß abfließendes Regenwasser hier abrinnen konnte, ohne das Nachbar- haus zu beschädigen. Die Kitzbüheler Feuerordnung muß seit jeher zu den besten Ti- rols gehört haben, denn von einem Großbrand innerhalb des Stadtkerns wird Über- haupt nicht berichtet. Ein- mal, 1517, vernichtete ein Brand mehrere Häuser, de- ren Lage aber nicht bekannt ist. Sonst handelte es sich innerhalb des Stadtkerns immer nur um Einzelbrän- de. Die einzige wirkliche Brandkatastrophe brach 1556 in der Hadergasse mit ihren kleinen, meist aus Holz er- bauten Häusern aus. In den meisten Fällen dürf- te die Aufmauerung der Häu- ser gleichzeitig mit dem Uebergreifen über die stadt- mauer erfolgt sein. Die Mau- er lieferte dazu reichlich Baumaterial. Die Häuser rückten über den alten Zwin- ger (Grund zwischen Stadt- mauer und Stadtgraben) bis zum Rand des Grabens vor und gewannen dadurch an der Westflanke von einem Drittel bis zum Doppelten an Haustiefe, in der Vorder- stadt, vor allem in ihrem mittleren Bereich, wesent- lich weniger, da hier zum Teil schon die Mauer dem Steilabfall des Bühels folgte und kein Zwinger vorhan- den war. An der Westseite wurde im Zuge damit der Graben bis auf einen schma- len Runs (Teil des Graben- bettes) zugeschüttet und darauf Gärten angelegt. Im Jahre 1606 berichtet Ray- mund von Lamberg, daß sich beim „Thermischen Haus" (seit 1928 im Be- sitz der Sparkasse der Stadt Kitzbü- hel, zgl. Kinogebäude) die Stadtmauer „an dem hindteren Thail gegen dem Graben hinaus" gesetzt und eine ‚star- khe khlufft gewunnen,, hatte. Der Gra- ben entlang der Südflanke wurde erst 1718 zugeschüttet, in welchem Jahre auch der Südwestturm (Heimatmuse- um) verkürzt wurde. Bauwich zwischen den Häusern Harisch-Hinterbräu in der Hinterstadt, der der Straßenfront durch eine Tür bzw. die Gliedwand abgeschlossen ist. Photo Utto Eichhorn, Kitzbühel
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