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Samstag, 6. November 1971 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 Von den St. Johanner Kulturtagen Neben der Ausstellung junger euro- päischer Maler (siehe Beitrag von Pro- fessor H. Tilly in dieser Ausgabe) und neben einer guten und sehr gut be- suchten Aufführung des Tiroler Lan- destheaters von Moliers ‚Hypochonder' Zweifellos, das Konzert war ein sehr anspruchsvolles. Umso mehr darf man erfreut sein, wenn sich verhältnismä- ßig viele junge Leute eingefunden 1a- ben und mit großer Bewunderung da- bei waren. Gerade das Gespräch mit der Jugend hat gezeigt, wie sehr im- mer von Neuem die Musik von J. S. Bach den inneren Menschen anspricht. Sicher kommt dem gegenwärtig stark rhythmisch geprägten Bewußtsein ehe kraftvolle Motorik dieser Musik ert- sprechend entgegen. Aber auch das Spannungsfeld, das sich zwischen Me- lodik und Harmonik durch die fortlau- fende Bewegung ergibt, wirkt „m3- dem". Alles ist Linie, rein melodisch, nicht bloß Figuration. Jede Note hat ihren logischen Platz und dennoch it nichts konstruiert, alles klingt. Bei Bachs Musik muß man denken, erle- ben kann man sie nur mit dem Her- zen. Man versteht Goethes Wort: „Ich sprach mir's aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unter- hielte, wie sich's etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben." Einen solchen geistigen Blick durfte man tun, vermittelt durch die hervor- Auf Einladung des Kulturreferates der Marktgemeinde St. Johann zeigten 12 junge europäische Künstler im Dc- kanatshof vom 18. bis 23. Oktober eine interessante Auswahl ihrer Bil- der und Plastiken. KARL KORAB (Wien), Aquarellie- 1er und Mischtechniker, Pauserschüler und profilierter Objektmaler. Seine Arbeiten im Surreal-Phantastjschen f u- ßend, alle im Privatbesitz, lassen eine neue Kunst der Donauschule wiede:- entstehen und führen Oesterrreichs Malkultur auf internationale Ebene. LUDMIL SISKOV (Bulgarien), Pop- Maler und Spritzentechniker, brilliert mit drei Acril-Bildern, an denen selbst ein Weiermeier seine helle Freude ha- ben könnte. Die ',Poly-Lisa" als Gegen- satz zur Mona-Lisa, eine polygesichtige Dame des 20. Jahrhunderts, erfüllt al- le Bedingungen chlichierter Umweits- vorstellungen mit Ambitionen zu pu- blic-relation-Kult und kommerziellem (dem eingebildeten Kranken) kam es am 20. Oktober auch zu einem außer- gewöhnlichen kammermusikalischen Ereignis, über das hier Prof. Hubert Sprenger berichtet: ragenden Musiker aus Salzburg. Hel- mut Glöckl (Flöte), Bruno Steinscha- den (1. Violine), Adelheid Wünsche (2. Violine), Oskar Hager (Bratsche), Josef Schneider (Violoncello), Alfred Bürgschwendtner (Kontrabaß), Leo- pold Hager (Cembalo). Es sind Mit- glieder des Salzburger Mozarteum- orchesters unter der künstlerischen Leitung von Generalmusikdirektor Leo Hager. Er hat, vom Cembalo aus, die geistige Führungsaufgabe glänzend ge- löst! Das Cembalokonzert war brillant gespielt. Das „concertare" hätte nicht besser gelingen können. Nicht anders im Musikalischen Opfer. Jeder der Mu- siker ist ein Solist und hat mit großem Können und Individualität das musi- kalische Gespräch geführt. J. S. Bach spricht selbst von den Stimmen als „selbständigen Individuen". Nur wer bewußt, aus musikalischer Erkenntnis, sich einordnet in diese Korrespondenz des Stimmengeflechtes, kann sich be- haupten und bestehen. Dieses Weiter- reichen von Gedanken und Zurückge- ben, all das erfordert eine ständige Ueberschau und äußerste Wachheit. So war es auch möglich, daß sich das Thema in immer neuer Form und Management. Eine Verwandtschaft zu Phillips ist unverkennbar, mag aber doch nur im Stilistischen der Pop- Malerei und nicht in einem etwaigen Epigonentum ihren Ursprung haben. CORNELIUS COLIG (Kärnten), ist im selben Atemzug zu nennen, der mit seinen popigen Siebdrucken amerika- nische Vorarbeit reif werden läßt und dem man ebenfalls internationales Ni- veau zuerkennen muß. Seine unbetitel- ter. Druckgraphiken sind, perfekte tech- nologische Kreationen in der Thema- tik der technischen Welt entnommen mit Lichtensteinscher Formensprache erfüllt. Zwei. Tonplastiken von HANS MUHR (Graz), dem statisch-kubischen verhaf- tet, bezeugten, daß Wotruba auch bei Nichtschülern einflußreich genug war, jene Gesetzmäßigkeit zu schaffen, die für eine ganze österreichische Bild- hauergeneration Ausgangsbasis war. Versetzt übereinandergetürmte Schei- Wandlung, in Spiegelung und Krebs, in Vergrößerung und Kanon usw. gefun- den hat, weil die Salzburger Künstler mit solch eminenter Technik und gei- stiger Einstellung die Musik von J. S. Bach dargestellt haben. Mag sein, daß nicht alle Hörer die Spannung durchgehend aufrecht erhal- ten konnten, zu kompliziert ist das musikalische Gebilde der kontrapunk- tischen Künste. Dennoch, soviel einem auch entgangen sein mag, in den un- bewußten Gründen des Erlebens spürt man die befreiende Lust, die kosmi- sche Ordnung, diese gedankliche Klar- heit, die sich in ihrem sinnlichen Glanz für das Ohr offenbart. Wir bedanken uns sehr herzlich, daß wohl die besten Kräfte aus Salzburg zu uns gekommen sind und uns mit einem unvergessenen Erlebnis berei- chert haben, namentlich bei GM Leo- pold Hager, und hoffen wieder einmal auf eine musikalische Begegnung! Prof. Hubert Sprenger US-Sektion in østerreich Aehnlich den österreichischen erfolg- reichen Bestrebungen, die Auslands- österreicher im „10. Bundesstaat" zu erfassen, bemühen sich nun auch die im Ausland lebenden US-Bürger, eine österreichische Zweigstelle zu schaffen. In Wien leben 4156, in ganz Österreich wahrscheinlich mehr als 6000 Amerika- ner. Die österreichische Sektion des österreichischen republikanischen Ko- Komitees, Neulingg. 20-18, 1030 Wien, lädt alle in Oesterreich lebenden US- Bürger ein, an der Organisation der österreichischen Sektion mitzuarbeiten. ben wirken stark rhythmisch, verraten viel Einfallsreichtum und tektonisches Gefühl und lassen eine weitgehende Verarbeitung ererbten Gedankengutes erkennen. HORST ANTES (Deutschland), viel- fach prämiierter Grafiker, war mit ei- ner Lythographie vertreten. Es ist er- freulich, diesem Künstler einmal in Tirol in einem seiner Originale zu be- gegnen. Die „Hände mit Scheibe" kön- nen hier nur sein Image bestätigen. Jürgen MESSENSEE (Wien) zeigte „Siesta" und „Schimmerin", großfor- matige Oelbilder mit vitalen Farbstri- chen auf eher monochronem Grund, die dem Zeichnerischen den Vorrang geben und an Frescomalerei erinnern. Er gehört jener Generation an, die von Picasso das „schöpferische Zer- stören" gelernt haben. Man kann ihm nachfühlen, daß ihm quadratkilometer- große Flächen zur Gestaltung will- kommen wären, auf denen er nach der Urkraft menschlicher Lebensbedingun- gen. graben könnte. GÜNTHER TAIRYCH (Wien) malt auf Aluminium mit Kunstharz, läßt die Farben durch Brand ihre Buntbeit ver- Salzburger Künstler spielen Bach - Cembalokonzert E-Dur und das Musikalische Opfer Die Tournee „Bildende Kunst 71"*' in St. Johann
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