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Der Pfleghof mit seinem Turm; rechts das Haus der Bundes- forste, links das Kaufhaus Jörg. - Photo U Eichhorn, Kitzbühel Samstag, 27. November 1971 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Der Baubestand vor der Stadterhebung„K'ibtzbu **heis 1271 _Z Aus: „Die profane Baugeschichte der Stadt Kitzbühel" im 3. Band des Stadtbuches von Doktor Johanna Felmayer Die Außenflanken der Stadt sind vom Norden her (Goldene Garns) durch die Anlage der Paß-Thurn-Straße von 1836- 37, an der Nord-, West- und Ostseite auch durch das oftmals sogar stufen- weise Hinausrücken über die alte Bau- linie verunklärt. Einen verhältnismä- ßig geschlossenen Eindruck weist noch die südliche Flanke mit dem dominie- renden Pfleghofturm auf. Dieser Stadtkern (Pfleghof - Bundesforste - Bezirks- hauptmannschaft) verdient sowohl wegen seines Bau- bestandes, vor allem aber von einer Anlage her, beson- deres Interesse, denn auf ihn bezieht sich die Stadt- erhebungsurkunde vom 6. Juni 1271. Diese Urkunde (Text in La- tein und Deutsch bei Dr. E. Widmoser „Blick in das Le- ben der Stadt" im 4. Band, Seite 244) spricht von einer „nova plantatio nostra aput Chizzingensbühel", also von „unserer neuen Pflanzung bei Kitzbühel". Diese „nova plantatio" lag also bei Kitzbühel und soll- te dem Plan und Wunsch des Herzogs Ludwig II. ge- mäß mit Rat und Hilfe der dort ansässigen Bürger zur Vollendung gebracht wer- den. Aus diesen Wendungen geht zweierlei hervor: Er- stens hatte Herzog Ludwig 11. selbst eine solche Pflan- zung vorgenommen, denn sonst wäre der Gründer mit Namen genannt, und zwei- tens war zum Zeitpunkt der Stadterhebung zumindest ein Markt vorhanden, denn als Bürger werden nur Be- wohner eines Marktes oder einer Stadt angesprochen. Der in der Urkunde vom 6. Juni 1271 gebrauchte Aus- druck „opidum" (Stadt) weist wahrscheinlich nicht nur auf die geplante Befestigung hin, sondern könnte bereits mit einer zumindest teilweise vorhandenen Be- festigung in Zusammenhang stehen, die durchaus keine Stadtmauer gewe- sen sein muß. Es kann sich ebensogut um eine Palisadenbefestigung, wie et- wa um eine eng geschlossene Verbau- ung, die den Charakter einer „Wagen- burg" gehabt hätte, gehandelt haben oder um eine Burganlage, die so viel Schutz geboten hätte, daß die Bezeich- nung „opidum" gerechtfertigt wäre. Da nun all diese Wendungen nicht auf eine Neugründung von der Wur- zel aus, also eine völlig neue Verbau- ung eines bisher unverbauten Areals hindeuten, erhebt sich die Frage nach dem Ursprung der Ansiedlung. Der Name Kitzbühel, und zwar schon in der Form als „Chizbuhel", scheint urkundlich erstmals in einer Tradi- tionsurkunde für Chiemsee schon 1165 auf, in der ein Marquardus de Chiz- buhel als Zeuge auftritt. 1203 wird „Kizzinspuhel" genannt. Eine weitere Nennung erfolgt 1252, als Bischof Hein- rich von Bamberg die Lehen des baye- rischen Pfalzgrafen Rapoto mit Aus- nahme der „advocatia" (Propstei, Ob- lei) in „Chicemgespuhel" an Herzog Otto II. von Bayern überträgt. Zwischen 1255 und 1271 also dürfte die „nova plantatio" sehr wahrschein- lich in Form eines Marktes erfolgt sein. Einen äußeren Anlaß dafür, ei- nen festen lebensfähigen Stützpunkt im südlichen bayerischen Landesteil (Oberbayern reichte damals vom süd- lichen Oberpfälzer Wald und der mitt- leren Naab bis zu den Kitzbüheler Al- pen) zu gründen, mag nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die poli- tische Notwendigkeit als Gegengewicht zu den Besitzungen der Grafen von Tirol geboten haben, da diese seit dem Aussterben der Andechser ihren Lan- desbereich beträchtlich gegen Norden hatten vorschieben können. Was fand nun Ludwig in Kitzbühel vor? Der Name wird bereits vorher dreimal erwähnt und mit diesem Na- men auch eine Ansiedlung zu verbinden, kann wohl kaum in den Bereich der reinen Phantasie verwiesen werden. Wenn also Mar- quard 1165 aus Kitzbühel kam, wird er wohl hier sei- nen Wohnsitz gehabt haben. J. Staffler „Tirol und Vor- arlberg, 1835" berichtet, daß dieser Marquard in einer Burg gehaust habe. Wenn Staffier auch keine histori- schen Beweise für diese An- nahme zu bieten vermag, so sprechen doch, vom Bau- bestand her gesehen, mehr Gründe für die Annahme einer Burg im 12. Jhdt. als dagegen. Der südwestliche Eckturm (jener Teil des Hauses der Bundesforste, in dem heute das Heimatmuseum unter- gebracht ist) von Kitzbü- hel, der 1718 verkürzt wur- de, weist an seiner Nord- wand (gegen Bezirkshaupt- mannschaft) die Bauweise des „opus spicatum", näm- lich einer im Aerenmuster angordneten Steinmauer auf, die mindestens in das 12. Jhdt., also lange vor die Errichtung einer Stadtmau- er, zu datieren ist. Ein ähn- liches Mauerwerk zeigt in seinem unteren Teil der Bergfrit Schloß Freunds- berg bei Schwaz, dessen Datierung vor der dortigen Kapellenweihe 1177 anzuset- zen ist. Wenn auch von einem Baubestand des 12. Jhdt. nur dieser Turm nach- gewiesen werden kann, so ist es doch unwahrscheinlich, daß er allein gestan- den haben soll. Es wird also die Frage aufgeworfen, ob sich außerdem in so früher Zeit dort noch andere Bau- lichkeiten befunden haben und in wel- cher Beziehung der Turm dazu stand. Der Turm, ein ursprünglich die Hö- he von fünf Geschossen messender Bau über einem quadratischen Grund- riß mit einer Seitenlänge von 8 m und einer Mauerstärke von 1,60 bis 1,85 m, würde sehr wohl der Anlage eines be- scheidenen Bergfrits entsprechen. -
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