Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Samstag, 4. Dezember 1971 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Der Hochaltar der Andreaskirche in Kitzbühel Zum Dank- und Bittgottesdienst der Bewohner Kitzbühels am Marienfest. Der Ruf der Frauen: „Auf zum Ge- bet!" hat ein breites Echo gefunden. Wir wenden uns daher heute dem Hochaltar der Andreaskirche zu, vor dem am 8. Dezember 1971 der Gottes- dienst gefeiert wird. Wie kaum ein- mal bei einem Kunstwerk sind wir über sein Wachsen und Werden so genau unterrichtet wie bei diesem Prunkstück des Sankt-Andreas- Gotteshauses. Das Wahrzeichen Kitzbühels, sei- ne imposante Stadtpfarrkirche, wurde in ihrer heutigen Gestalt 1435-1506 erbaut und hatte ur- sprünglich gewiß, dem gotischen Stil des Go;teshauses entspre- chende Flügelaltäre. Einzig der Mutter-Anna-Altar, der heute die Katharinenkirche ziert, ist von all dieser Herrlichkeit noch auf uns gekommen. Den Kitzbüheler Bürgern des 17. Jahrhunderts entsprach die gotische Einrichtung ihrer Pfarr- kirche ganz und gar nicht mehr. Das neue Stilempfinden der Re- naissance und des frühen Ba- rocks, das jenem der Gotik ent- gegengesetzt war, hatte den Ge- schmack dieser Generation ge- prägt. So bestellten sie 1660 bei ihrem Mitbürger und Bildhauer Benedikt Fa:stenberger (1621 - 1693) einen Altar „in der neuen Manier", womit ohne Zweifel ge- meint ist, er dürfe nicht die Form eines zusammenklappba- ren FlügelaLars haben, sondern er müsse aus einem feststehen- den Aufbau, den tragenden Säu- len und dem Gebälk bestehen, die wie ein mächtiges Portal das Mittelbild umgreifen. Nachdem der Bischof von Chiem- see Franz Virgil Graf Spaur, zu dessen Kirchensprengel Kitzbü- hel ja damals gehörte, seine Zu- stimmung gegeben hatte, konnte man an die Arbeit gehen. Der Bildhauer aber stand vor einer doppelt schwierigen Aufgabe. - Denn einmal war durch den un- seligen Bruderkampf des dreißig- jährigen Krieges, währenddessen jede Kunst nördlich der Alpen darniederlag, die gewachsene Tra- dition heimischen Handwerks abgeris- sen. So mußte sich Faistenberger an jenen Bauten orientieren, die Fremde Meister aus dem Süden „in der neuen Manier" hierzulande errichtet hatten. Was aber lag da näher, als daß man seine Blicke in die Haupt- und Resi- denzstadt Salzburg wandte, deren herr- licher Dom als einziger Neubau in deut- schen Landen 1628 - also mitten in den Kriegswirren - eingeweiht wer- den konnte. Und tatsächlich zeigt der Hochaltar des Salzburger Domes auf den ersten Blick eine überraschende Ähnlichkeit mit seinem Bruder in Kitz- bühel. Die andere Schwierigkeit aber lag in dem schmalen, sehr begrenzten Raum, der ihm zur Verfügung stand. Es galt nämlich, in den hohen gotischen Chor, Amateurphoto Dr. Othmar Krüpl der damals natürlich noch sein schö- nes Netzrippengewölbe hatte, einen breiten, ausladenden Barockaltar hin- einzusetzen. Es blieb darum nichts üb- rig, als das Mittelfenster des Chores zu vermauern und den neuen Altar genau zwischen die beiden Seitenfenster ein- zupassen - wahrlich eine nicht leichte Aufgabe, die Faistenberger aber vor- züglich gelöst hat. Er verzichtete näm- lich auf die sonst zumeist üblichen Sei- tenfiguren, die sogenannten „Schrein- wächter", die im Gegenlicht der Fen- ster gar nicht zur Wirkung gekommen wären, und stellt die beiden seitlichen Säulenpaare als den einzigen Schmuck des Aufbaues in schräger Abfolge mög- lichst eng aneinander. Nur so konnte der Meister bei der bestmöglichen Platzausnützung diese schönen Propor- tionen erzielen. Deutlich gliedert sich der Hochaltar in drei Teile: da ist einmal die Sockelzone mit dem Altartisch und den seitlichen Postamenten, die mit Schnitze- reien im sogenannten „Knorpel- stil" verziert sind. Darauf ruhen dann die vier mächtigen Säulen mit ihrem schweren Gebälk, die ihren besonderen Reiz durch die originale Oberflächenbehand- lung erhalten; ihre Riefelung in Schwarz-Gold verleiht dem gan- zen Altar ein vornehmes Gepräge. Das alles ist aber nur der Rah- men für das Altarblatt, welches 1661 Johann Spillenberger, Maler aus Kaschau in Ungarn, geliefert hat. Es zeigt Maria, unsere himm- lische Mutter, auf den Wolken thronend mit dem göttlichen Kind, das segnend seine Linke dem Beter entgegenhält. Zu Fü- ßen der Himmelskönigin sitzen zwei Apostel: Der Kirchenpatron St. Andreas, der sein Marterholz, das x-förmige, nach ihm benann- te „Andreaskreuz" liebevoll um- fangen hält. Neben ihm St. Ja- kobus d. Ä., den sein Stab als den viel verehrten Patron aller Kaufleute und Reisenden, den heutigen Gästen, ausweist. Es ist durchaus nicht zufällig, daß der Maler gerade diese beiden für Kitzbühel so aktuellen Schutzhei- ligen aus dem Kollegium der Apo- stel herausgegriffen hat. Seiner ganzen Malweise entspricht die- ses Bild, wie auch das kleine ovale Aufsatzbild Gott Vaters ganz der damals noch üblichen Hell-Dunkel-Malerei, die ihren stärksten Einfluß von dem be- rühmten Venezianer Tintoretto erhalten hat. Wie Spillenberger, der Hofmaler in Wien war und 1679 gestorben ist, zu diesem Auftrag kam, ist leider nicht mehr zu eruieren. Noch aber steht in unserer Beschrei- bung der Aufsatz des Altars aus: Ueber dem geprengten Giebel wiederholt Fai- stenberger die große Säulenarchitektur von unten: Zwei Säulen tragen einen Segmentbogen, auf dem ruhende Engel das Namens-Jesu-Schild im Strahlen- kranz halten. Auch das beliebte Motiv der Aufsatzfiguren treffen wir an: Es
< Page 2 | Page 4 >
< Page 2 | Page 4 >