Kitzbüheler Anzeiger

Archiv Viewer

Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Seite 6 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 18. Dezember 1971 Wie sich die Kitzbüheler ihre Stadt einrichteten Vortrag von Dr. Eduard Widmoser in der Doppelhauptschule Im Rahmen der Vortragsreihe der Stadtbuchautoren sprach am 7. Dezem- ber 1971 in der neuen Doppelhaupt- schule der Schriftleiter der Kitzbüheler Stadtbücher Landesoberarchivar Dr. Eduard Widmoser. Dem Vortrag wohn- te auch Bgm. Hermann Reisch bei; der Vorsitzende der Volkshochschule Kitz- bühel Dir. Viktor Krones und der Vor- sitzende des kathol. Bildungswerkes Reg.-Rat Franz Kaler waren die Orga- nisatoren des Vortrages. Nun zu Dok- tor Widmoser: Alles, was uns heute an Kitzbühel so lieb und teuer ist, das trauliche Stadt- bild, die herrlichen Kirchen, die schö- nen Höfe und vieles mehr, kommt uns selbstverständlich vor. Wir nehmen es hin, daß dem einfach so ist. Und doch dürfen wir nicht vergessen, wieviel harte Arbeit zu leisten war, wieviele Hindernisse zu überwinden waren. - Nichts, aber schon gar nichts, als eine schöne Landschaft fiel den Bürgern von Kitzbühel in den Schoß. Bedenken wir, wie es in Kitzbühel ausgesehen hat, als Herzog Ludwig von Bayern vor 700 Jahren den Bürgern von Kitzbühel die kleine, aber doch so gewichtige Pergamenturkunde aushän- digte. Nur die Erhebung zur Stadt war die einzige Wirklichkeit, alles andere stand auf dem Papier. - Eine kleine Wohnburg, einige bescheidene Häuser, die sich an die Burg kuschelten, da und dort ein Hof auf günstigem Sied- lungsboden, unansehnliche Kirchen auf dem Kirchenhügel. Das war so unge- fähr der Siedlungsbestand. Der Auftrag des Herzogs lautete aber: Baut mir eine Stadt und richtet euch eine städtische Gemeinschaft ein. Die- ser ie ser Auftrag klingt einfacher und leich- ter als er wirklich war. Es ist auch heute nicht so leicht, eine Stadt zu bauen. Dafür gibt es ein treffendes Beispiel. In der Nahe von Traunstein liegt die Stadt Traunreuth. Sie entstand nach dem zweiten Welt- krieg auf dem Gelände eines ehemali- gen Munitionslagers der Deutschen Wehrmacht. Heute hat sie rund 12.000 Einwohner. Die Schwierigkeiten, die mit dem Aufbau dieser Stadt verbun- den waren, liefern den überzeugenden Beweis, daß auch in unserer Zeit mit den fast unbeschränkten Möglichkeiten die Schaffung eines städtischen Ge- meinwesens viel Arbeit, Tatkraft und Zähigkeit bedarf. Wenn man nun die unvergleichbar anderen Verhältnisse vor 700 Jahren in Rechnung stellt, dann kann man nur staunen, wie es damals möglich war, eine Stadt mit allem Drum und Dran buchstäblich aus den Boden zu stamp- fen. Freilich ging dies nicht von heute auf morgen. Wir wissen aus der grund- legenden Arbeit der Frau Dr. Felmayer im Band III des Stadtbuches Kitzbü- hel, daß der Ausbau des Stadtkerns im 15. Jahrhundert abgeschlossen worden ist. Dazu kommt aber noch der Bau der Katharinenkirche um die Mitte des Jahrhunderts und der gotische Neu- bau der Pfarrkirche im 15. Jahrhun- dert und die Errichtung der Oberkir- che der Liebfrauenkirche zu Ende des Jahrhunderts. Nicht vergessen dür- fen wir, daß die Stadtmauer, die einen wesentlichen Bestandteil einer mittel- alterlichen Stadt darstellt, schon in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhun- derts im großen und ganzen fertigge- stellt war. Das Ergebnis des Aufbau- werkes der Kitzbüheler in den ersten zwei Jahrhunderten waren 30 Häuser in der Stadt und 17 Häuser außerhalb der Stadt, in denen rund 1200 Leute wohnten. Zieht man dies alles in Betracht, dann muß man mit großer Hochach- tung von dieser gewaltigen Aufbaulei- stung der Kitzbüheler sprechen. Eine Handvoll Leute mußten nach 1271 ans Werk gehen. Sie hätten es nie geschafft, wenn sie nicht Zuzug von Außen be- kommen hätten. Sie hätten nie das große Bauprogramm durchführen kön- nen, wenn nicht die Bauleute aus der näheren und weiteren Umgebung her- angezogen worden wären. Doch Fleiß allein hätte nicht genügt. Das Aufbau- werk kostete auch ungeheure finanziel- le Mittel. Und da haben wir überhaupt keine richtige Vorstellung, weil über die Vermögensverhältnisse der frühen Kitzbüheler wir in keiner Weise Be- scheid wissen. Wir wissen nur, daß es in den er- sten Jahrzehnten nach der Stadterhe- bung um die notwendigen Mittel schlecht bestellt war, denn sonst hätte der bayerische Herzog Rudolf, der Sohn des Stadtgründers. den Kitzbühe- lern nicht kräftig unter die Arme grei- fen müssen, wie dies tatsächlich durch die Schenkung des großen Realbesit- zes am Schattherg Im Jahre 1297 der F'afl war. Diese krftige Snritze scheint Kitzbühel gesund gemacht zu haben, weil danach eine rege Bautätigkeit ent- faltet wurde, die dazu führte, daß Kai- ser Ludwig der Bayer 1338 das Stadt- recht von München den Bürgern von Kitzbühel endgültig verlieh. Und da sind wir nun schon mitten bei der Einrichtung. Denn diese Stadt- rechtsverleihung durch den Kaiser er- folgte an den Rat und Bürgern von Kitzbühel. Dies war bisher noch nie der Fall. In der Stadterhebungsurkun- de von 1271 ist nur die Gesamtheit der Bürger erwähnt. Auch den Schattberg verlieh Herzog Rudolf 1297 der ganzen Bürgerschaft. Auch die Widmung des Stadtrechtes von Landshut im Jahre 1321 durch Herzog Heinrich geschah an alle Bürger. Zwischen 1321 und 1338 muß also dieses so wichtige Instrument der Führung und Verwaltung der Stadt entstanden sein. Diese Tatsache be- zeugt in augenscheinlicher Form, daß sich das städtische Leben so weit ent- faltet hat, daß man ohne diese Vertre- tung der Bürgerschaft nicht mehr aus- kommen konnte. Solange Kitzbühel noch klein und die Zahl der Bürger noch gering war, wird man das Auslangen damit gefun- den haben, daß eine allgemeine Bürger- versammlung die Geschäfte der Stadt besorgte. Wie dies in der praktischen Arbeit funktionieren konnte, ist uns ein Rätsel. Aber es wird doch gegan- gen sein, wie der planmäßige Aufbau der Stadt und der geordnete Ausbau des städtischen Lebens beweist. Wie sah nun dieser Stadt- und Ge- meinderat aus? Er setzte sich aus 6 Bürgern zusammen, so daß sich auch die Bezeichnung „Die Sechs" einbür- gerte. Er war eine kollegiale Behörde im wahrsten Sinne des Wortes. Er wurde alljährlich, meist um Dreikönig, von der Gesamtheit der Bürger ge- wählt,wobei allerdings hiebei eine sehr bemerkenswerte Uebung angewandt wurde. Es wurde nämlich immer nur die Hälfte des Stadtrates gewählt, wo- durch eine kontinuierlicheVerwaltungs- tätigkeit sichergestellt war. Einen aus- drücklich gewählten Vorsitzenden scheint er nicht gehabt zu haben, doch kann man sich denken, daß viel- leicht das älteste Mitglied des Rates den Vorsitz übernahm. Dies bedeutet also, daß es noch kei- nen Bürgermeister in Kitzbühel gab. Diese Funktion wird erstmals 1444 er- wähnt. Zwei Jahre später erfahren wir auch den Namen des Bürgermeisters: es war Heinrich Gamuilner. Daß das Amt des Bürgermeisters verhältnismä- ßig spät in Kitzbühel in Erscheinung tritt, braucht uns nicht zu verwundern, da auch in anderen Städten ähnlicher Größenordnung wie Kitzbühel der Bür- germeister erst im 15. Jahrhundert auf- tritt. Schon die Tatsache allein, daß es nun ohne einen Bürgermeister nicht mehr ging, zeigt uns deutlich das Fort- schreiten zur Entwicklung einer geord- neten Stadtverwaltung. Selbstverständlich wurde auch der Bürgermeister, so wie der Stadtrat, von der Bürgerversammlung, nicht vom Stadt- und Gemeinderat, gewählt. Die Wahl mußte alljährlich erfolgen, wobei eine Wiederwahl selbstverständ- lich möglich war. Der Bürgermeister mußte auch alljährlich der Gesamt- heit der Bürgerschaft über seine Amts- tätigkeit Rechenschaft ablegen. Diese Praxis wurde bis in das 19, Jahrhun- dert so geübt. Erst ab 1830 scheint sich die Amtsdauer auf drei Jahre aus- gedehnt zu haben. Welche Obliegenheiten hatte der Bür- germeister zu besorgen? Zu allen Zei-
< Page 5 | Page 7 >
 
Kontakt
Tel.: +43 (0) 5356 6976
Fax: +43 (0) 5356 6976 22
E-Mail: info@kitzanzeiger.at
Virtuelle Tour
Rundblick - Virtual Reality
Werbung
 
Zurück Aktuelle Gemeinde Archiv Suchen