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Samstag, 22. April 1972 Kitzbühelei Anzeiger Seite 11 Die neue Tiroler Raumordnung und ihre Auswirkungen auf Kitzbühel Am 14. April 1972 hielt Vbgm. LA Hans B r e t t a u e r beim „Eggerwirt" einen Vortrag über die neue Tiroler Raumordnung und ihre Auswirkun- gen auf Kitzbühel. Der Vortrag war sehr gut besucht und wurde mit gro- ßem, Interesse aufgenommen. Viele, die wegen Platzmangel den Vortrag ste- hend anhören mußten, hielten bis zum Schluß aus. Die Veranstaltung wurde von GR Friedhelm Capellari eröffnet, der ins- besondere Bgm. Hermann Reisch mit dem Großteil der Gemeinderäte, dar- unter auch GR LA Dr. Otto Wendung begrüßte. Der Vortragende gab zu Beginn eben- falls seiner Freude über die Anwesen- heit des Bürgermeisters Ausdruck so- wie über jene seines Landtagskollegen Dr. Wendung, der, wie er sagte, bei den Vorbereitungsarbeiten zur Bildung des Gesetzes maßgeblich beteiligt war. Nun zum Vortrag selbst, den wir wegen des großen Umfanges in zwei Teilen bringen. „Das Thema ist aktuell und hochbri- sant. Es ist nicht meine Aufgabe, ein Referat zu halten über die großen Ziele der örtlichen Raumordnung, sondern ich beleuchte die Konsequenzen über die Raumordnung in den Gemeinden. Das Land Tirol hatte im Jahre 1945 an die 400.000 Einwohner. 1955 waren es bereits 480.000; bei der letzten Volks- zählung 1971 waren es schon 540.000 und wenn man die Entwicklung vor sichtig abschätzt, werden wir 1980 et- wa 600.000 Einwohner haben und im ahre 2000 um 800.000 Einwohner. Das beleuchtet schon allein die Notwendig- keit einer gewissen Ordnung und Ziel- setzung. Nun, diese Einwohnerzahl setzt sich auf den vorhandenen Lebensraum um. Der große Anteil Tirols an unproduk- tiven Flächen und Nichtbauflächen ver- kleinert das „Bauland" und das Kul- turland, diese können nicht vermehrt werden. Die Entwicklung der vergan- genen zwei Jahrzehnte hätte uns bei- nahe überrollt. Sie wissen, daß der Zuzug nach Ti- rol immer größer wird und damit auch der Wunsch vieler, sich in diesem schö- nen Land im Gebirge, bei guter Luft und bei freundlichen Menschen nieder- zulassen. Aber nicht nur das allein hat zu einem ungeheuren Ansturm auf un- sere Bauplätze geführt, sondern auch der berechtigte Wunsch der Landwirt- schaft auf Sanierung ihrer Betriebe durch den Verkauf von Bauplätzen. Die Nachfrage nach Baugründen wurde :mmer größer, aber nicht nur für Sied- lungen, öffentliche Anlagen und für den sozialen Wohnbau, sondern auch für die Entwicklung von Industrien, denn ohne eine gewisse Grundindustrie, nicht so sehr bei uns, aber im Inntal z. B., könnten wir nicht leben, weil wir die Menschen nicht ernähren könn- ten. Kurz gesagt, das hat zu einer Zer- siedlung des Landes geführt, die in manchen Orten schon bedrohlich ge- worden ist. Wenn man sich heute ver- gegenwärtigt, daß im Jahre 2000 an die 800.000 Menschen in Tirol leben wer- den, so ist es nicht mehr wie recht und billig, sich heute, und ich glaube, das ist in letzter Minute, Gedanken zu ma- chen, wie wollen wir die Gründung von Industrien, die Gründung von Fremdenverkehrsbetrieben etc, in rech- te Bahnen lenken, ohne daß die Ge- fahr auftritt, daß die eigenen Landes- kinder im eigenen Land keinen Platz mehr haben. Das hat nun dazu geführt, weil un- sere Bauflächen nicht vermehrbar sind, den notwendigen Lebensraum zu si- chern und diese Sicherung ist im neu- en Raurnordnungsgesetz verankert. Es wurde am 6. Dezember 1971 nach mo- natelangen Vorbereitungen vom Land- tag einstimmig beschlossen, es wurde am 15. Feber 1972 verlautbart und er- hielt damit Rechtskraft. Das Gesetz gliedert sich in 4 Teile: 1. Ueberörtliche Raumordnung 2, Oertliche Raumordnung 3 Baulandumlegung und Grenzände- rung $. Schlußbestimmungen Die überörtliche Raumordnung Das Gesetz sagt: Diese dient der ge- ordneten Gesamtentwicklung Tirols un- ter Bedachtnahme auf seine natürlichen und historisch gewachsenen Gegeben- heiten und im Hinblick auf die ab- schätzbaren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Be- wohner. Die Vorsorge für die Erhal- tung und die Pflege der Umwelt, ins- besondere die möglichste Schonung der Landschaft und des Naturhaus- haltes von nachteiligen Veränderun- gen. Die Vorsorge für die Erhaltung und zeitgemäße Entwicklung ausrei- chender Gebiete der Land- und Forst- wirtschaft, die Vorsorge für geeigne- te Fremdenverkehrs- und Erholungs- gebiete, die Vorsorge für ein entspre- chendes Nachrichten-, Verkehrs- und Versorgungswesen. Die Vorsorge für entsprechende Standortbereiche von Betrieben der Land- und Forstwirt- schaft, des Fremdenverkehrs, des Han- dels, der Industrie, der Energieversor- gung unter Bedachtnahme auf die wirt- schaftliche Entwicklung und das Inter- esse an der Schaffung räumlicher Strukturen mit gesunden Lebens- Wohn- und Arbeitsbedingungen. Das alles unter Bedachtnahme auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft und die Würde des Menschen mit der bestmöglichen Nutzung und Sicherung des Lebens- raumes. Es wurde der Begriff der Bestands- aufnahme gesetzt: was ist vorhanden? Was wurde inzwischen geschaffen? Wie läßt sich das in Hinkunft koordi- nieren und wie läßt sich das für die kommende Planung auswerten? Eine solche Bestandsaufnahme hat m Gemeinderat schon vor Jahren Kol- lege Dr. Wendung gefordert. Das Land Tirol hat Entwicklungs- programme zu erstellen. Entweder für das ganze Land oder für Teile des Landes. Diese Programme dürfen al- lerdings nicht ohne Anhörung der Ge- meinden und der Kammern beschlos- sen werden. Für die Beratung bei der Landes- regierung für überörtliche Planungs- maßnahmen wird dann weiters die so- genannte „Raumordnungskonferenz" eingerichtet. Diese ist zusammenge- setzt aus dem Vorsitzenden Landes- hauptmann Eduard Walinöfer und dem Stellvertreter Landeshauptmann- Stellvertreter Dr. Herbert Salcher, dem Präsidenten der Landwirtschafts- kammer, der Handelskammer und der Arbeiterkammer, der Bürgermeister DDr. Alois Lugger von Innsbruck, ein Vertreter der Universität Innsbruck, ein Vertreter des Tiroler Gemeinde- verbandes, ein Vertreter des Gewerk- schaftsbundes und ein Vertreter der Vereinigung Oesterreichischer Indu- strieller. Bemängelt wurde dabei, daß in einem Fremdenverkehrsland wie Ti- rol in dieser Raumordnungskonferenz kein Vertreter des Fremdenverkehrs vorgesehen ist. Dieser Kritik kann ich nur beipflichten. Es war aber nicht meine Sache, dafür zu sorgen. Zur „fachlichen" Beratung dieser Raumordnungskonferenz wird bei der Landesregierung ein Raumordnungs- Beirat eingerichtet und dieser Beirat wird aus Fachleuten für das je- weilige Gebiet zusammengesetzt. Die „überörtliche Raumordnung" ver- pflichtet das Land, zu koordinieren, mit den Bezirken, den Regionen und Kleinregionen. Die örtliche Raumordnung Diese ist von den Gemeinden durch- zuführen. Das Gesetz sagt: „Die ört- liche Raumordnung dient der geordne- ten baulichen Entwicklung des Gemein- degebietes im Hinblick auf die abschätz- baren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse seiner Bewoh- ner." Ich nehme hier voraus, daß dieser 2. Teil des Gesetzes eine Vorwegnah- me der Bestimmungen der neuen Bau- ordnung ist. Das neue Raumordnungs- gesetz wird weiterhin noch ergänzt durch einige wichtige Gesetze, durch die neue Bauordnung, die spätestens im Herbst in den Landtag kommen
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