Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 22. Juli 1972 Kitzbüheler Anzeiger Seite 21 St. Johann war vor 50 Jahren (heute vor 100) ein schönes Dorf. Die Häuser sauber gehalten, Laben und Fenster reichlich mit Blumen geschmückt. St. Johann galt als steuerkräftigste Land- gemeinde von Nord- und Südtirol. Für den Fremdenverkehr fehlte noch alles. Von einem schattigen Spaziergang kei- ne Rede, denn es standen nur im Jahre 1881 an der Dechantgartenmauer gegenüber der Kirche einige Pappeln, in den 70er Jahren von Dr. Lenz ge- pflanzt, beim Bräugasthaus auf der oberen Straßenseite zwei alte wuchtige Pappeln, die wohl auch als Blitzablei- ter dienten, beim Antoni-Friedhof eine Eiche, im Garten des Armenhauses ei- ne Kastanie, beim Schuster Anderl, heute Binder Pletzer, in der Dechant- Wieshofer-Straße einige Zitterpappeln, die der Erbauer des Hauses in den 40er Jahren zum Hochwasserschutz an der Ache einsetzte. Bei den Häusern standen Obstbäu- me im Dechantgarten; weiters in den Gärten des Mesnerhauses (Gemeinde- amt), beim Ortner, heute Habachhaus (Hans Nothegger), am Eppensteiner- haus (heute Michael Raß, erbaut vom damaligen Straßenmeister Eppenstei- ner in den 40er Jahren (heute Auto- Schwaiger), südwestlich ein Weinstock mit weißen Trauben, die ganz gut ab- reiften, ferner an der Achen entlang Weiden, Erlen, die von den Anrainern mit der Hacke fleißig bearbeitet wur- den. Sonst waren keine Bäume und Sträucher, mithin auch keine schatti- gen Spaziergänge. Die damaligen St. Johanner fühlten sich dabei ganz wohl. Die Gasthäuser waren gut, sauber, in den Stuben wa- ren die weißgeriebenen Ahorntische, wo der Wein auf blankgeputzten Zinn- tellern aufgetragen wurde, und wenn der Gast sein Quantum getrunken hat- te, so legte er die Flasche um, zum Zeichen, daß die Kellnerin nicht mehr fragen braucht, „es ist Schluß!" Mit dem Bier hatte es sein Gfrett, wenn der Juli kam und kein Eis mehr im eigenen und im Braukeller war. Da war es übel. Beim Bruckwirt, der einen tiefen kalten Keller hatte, war das Bier am frischesten. Im allgemei- nen war der Bedarf in Wein und Branntwein größer als in Bier. Der größte Besuch von auswärtigen Gästen waren die Geschäftsreisenden, welche St. Johann des guten Rufes halber zum Stützpunkt auserkoren hatten. Mit Fug und Recht konnte jeder zufrieden sein, wenn man so 2 Stück Braten auf einem Oval sah mit zwei Zuspeisen um 30 Kreuzer, ein Schnitzl, daß es über dem Oval hin- aushing, 36 Kreuzer. Das war ein Leben und da floß hiezu so manches Viertel. ur aas v ergilugen sorgten im Soni- er urei 1egeiva1u1en, i-o&, rau UULL urauoii, ue ane mre aniirigasue natten. .ijie iel1eiwirtschaft beim Bierlager- ieiiei, gegenu oer dem bcmebs anct, urcie ueS scniecnten besucnes wegen im bomxner IoÖi, nacn einem agenai- ienen bommellest mit iuetteroaum unu Lultpauon, aufgelassen. Bis zur Bröfinung der Giselabahn iö i ) macnten oae gewerblicnen lvLei- ster scnon um 3 Uhr .t'eieraoend, weil um cuese Zeit uer Stellwagenlenler „Wast" mit der kost aus WörgI bei der Maut einaenrte und die Neuigkeiten er- zahlte, darunter aucn mancne Lüge. - Nacn dem Gehörten brach mancher so- fort auf, um als erster die Neuigkeiten beim Dampll, beim Bären oder im Bräu weitererzählen zu können, da durfte er keine Zeit versäumen. Ge- gen 5 Uhr war Vesperzeit auf der Post, wo sich die größte Gesellschaft beim Kartenspielen zusammenfand. Geistli- che, Aerzte, Kaufleute, Professionisten. Nach 6 Uhr erfolgte der Aufbruch zum Essen. Die Uebriggebliebenen wander- ten erst, wenn die roten Fenstervor- hänge zugezogen wurden. In den Gast- häusern waren damals hochrote Fen- stervorhänge das nächtliche Merkmal zum Einkehren. Die „Uebriggebiiebe- nen" stolperten dann im Finstern, meistens mit der „Laterne" im Kopf, nach Hause. Die Entwicklung St. Johanns begann mit der Einführung der Straßenbe- leuchtung. 1886 brannte am Hilscher- hauseck (altes Schulhaus) im Herbst eine Straßenlaterne, die der Geschäfts- inhaber anbrachte, damit niemand in das nebenan fließende Mesnerbachl fällt, und um auch eine Anregung zu einer allgemeinen Straßenbeleuchtung zu geben. Der Stopfenaumüller Hans Wies- hofer, der täglich (und nicht nur tags- über) nach Hause ging, wurde durch diese praktische Beleuchtung angeregt und berief im Herrenzimer beim Bä- ren eine Hausbesitzerversammlung ein, zum Zweck der Einführung einer Straßenbeleuchtung. Die Idee kam auf fruchtbaren Boden. Nach kurzer Aus- sprache erklärten sich Gasthofbesit- zer Bären, Post, Bräu und Bruchwirt bereit, die Lampen selbst anzukaufen, anzuzünden und zu erhalten; für wei- tere Lampen, insgesamt 15, wurde das Geld durch eine Sammlung aufge- bracht. In der hl. Nacht 1886 brannten zum ersten Mal die Straßenlampen; bei den Gönnern war es eine Freude, während die Llchtscl-ieuen keine hatten. Im Frühjahr 1887 wurde in Anwe- senheit von 20 Bürgern, wiederum im Gasthof Bären, die Gründung eines Verschönerungsvereins beschlossen. - Die Wahlen fanden am 1. April statt und brachten folgendes Resultat: Obmann: Jonann Wiesnoler, Stv.: Stationsvorstanct V. Horn, Kassier und bcnrlitiunrer: Leopold liounger d.. J. Ausscl-iub: Nikolaus Brunnscnmied, Jo- sef huscher, Josef Mark, Dr. Sand- bichler, Josef Seiwald, Josef Wach und tranz Wieshofer. Die erste Arbeit 1887 war der Ankauf von 74 Stück Kastanienbäumen zu je 1 Gulden und von 30 Bäumcnen zu je 30 Kreuzer. Die Einnahmen betrugen im 1. Jahr 246.50 Gulden und die Aus- gaoen 217.10 Gulden. Angeregt wurde die Gründung des Verschönerungsvereins durch den gänz- lichen Verlust der Touristen, die in- folge der Weganlagen der Alpenver- einssektion Kufstein von dort auf den Wilden Kaiser aufstiegen und sich St. Johann nur mehr von oben ansahen. Es entstand die Idee, eine Sommer- frische zu gründen; es fehlte aber all- gemein cs iraeresse una es fehlte auch an Mitarbeitern. So vergingen Jahre zum Nachteil der guten Sache. Im Protokoll des Vereins hieß es u. a.: „Von leitender Stelle (Gemeinde) un- beachtet!" In den Jahren 1888 bis 1892 gingen die Einnahmen bis auf 77 Gulden zu- rück; von 1893 bis 1895 wurde von der Vorstehung nichts getan als jährlich an die Behörde den Mitgliederstand zu melden. Am 26. Jänner 1896 wurde bei der Generalversammlung ein neuer Aus- schuß errichtet, nachdem die Frage des Fortbestehens von den Parteien an die Bedingung gebunden wurde, daß die Gläubiger auf die Forderun- gen, was im Interesse der Sache zu- gesagt wurde. Mit Hochdruck wurde Geld beschafft durch Bitten, Betteln und Sammeln. Die Kosten der Straßenbeleuchtung, die auf größere Lampen ausgebaut wurde, waren hoch. Einer unserer eifrigsten Förderer für unseren Ort zur Hebung des Fremdenverkehrs war der Landsmann Bürgerschullehrer und Gewerbeschul- inspektor Josef Blachfeliner, später Ehrenmitglied des Vereins, der seit 1896 mit seiner Familie in Schwent- ling wohnte. Blachfeliner machte schon damals in Wien für St. Johann Rekla- me durch sogenannte „St. Johanner Abende", an denen ein großer Kreis seiner Bekannten teilnahm. 1898 wurde auf Anregung des Ver- schönerungsvereins zum 50 jährigen Jubiläum des Kaisers vor dem Ge- nieindeamt eine Gedenksäule mit Ba- rometer errichtet. Fortsetzung folgt 6t.3enunr riiiueruucu neu Gold eillegt b. 14 von 1881 bis 1912 (Aufgezeichnet in den zwanziger Jahren vom verstorb. Kustos Egid Moser.)
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