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Samstag, 8. Juli 1972 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Das Bergdrama am Manaslu Franz Jäger und Andi Schlick gilt das Andenken der Bergkameraden Die vielen Bergkameraden, die am 18. Feber 1972 in der Wintersteller- laserne in St. Johann dem Vortrag des bekannten Himalajaforschers und Filmregisseurs Jan Boon (Kitzbilhel) beiwohnten und sich an diesem Abend von den Teilnehmern der Tiroler Hi- malajaexpedition Andi Schlick, Franz Jäger und Hansjörg Hochfilzer, alle Mitglieder der AlpenvereinssektionWil- der Kaiser, verabschiedeten, bleibt die- ser Abschied für immer in Erinnerung. Nur Hansjörg Hochfilzer kehrte zu- rück; Franz Jäger und Andi Schlick wurden Opfer des ewigen Eises. Von Dr. Senn, Landespressedienst Ti- rol, wurde zur historischen Dokumen- tation der Ereignisse am Manaslu eine Konferenz einberufen, an welcher Wolf- gang Nairz (Expeditionsleiter), Rein- hold Messner (bergsteigerischer Lei- ter) und die Expeditionsmitglieder Horst Fankhauser (Neustift) und Josi Knoll (Innsbruck) teilgenommen hat- ten. Die Konferenz wurde von Dr. Senn deshalb einberufen, da über den tragischen Hergang der Expedition in Presse und Rundfunk bewußt oder un- bewußt falsche Meldungen gebracht wurden. Nun die Tatsachen, vorgetra- gen von Wolfgang Nairz: In fünfwöchiger Arbeit wurde die 4000 m hohe Südwand des 8156 m ho- hen Manaslu von der Tiroler Himalaja- Expedition erstiegen und damit ein bergsteigerisches Problem gelöst, an das man vor wenigen Jahren noch nicht zu denken wagte. Am 25. Feber verließ die 1. Gruppe mit Andi Schlick (Expeditionsleiter. Stellvertreter), Franz Jäger, Hansjörg Hochfilzer, Hans Hofer und Wolfgang Nairz Europa. Am 6. März startete der Vortrupp von Pokhara, Nepal, in Rich- tung Basislager. Hundert Träger brach- ten in elf Marschtagen das Expedi- tionsgepäck von 3000 kg dorthin. Die restlichen Expeditionsteilnehmer Dok- tor Oelz, Messner, Knoll und Fankhau- ser verließen Europa am 10. März und erreichten das Basislager am 21. März. In den folgenden Tagen wurde das Gebiet der Manaslu-Südwand erkun- det. Es konnte eine sichere, jedoch äu- ßerst schwierige Aufstiegsroute gefun- den werden. Am 29. März wurde das endgültige Basislager in einer Höhe von 430O rn am Thulag-igletscher aufgestellt. In den nächsten zehn Tagen wurden das Lager 1 in 5300m Höhe errichtet und der 600m hohe Felspfeiler, der den Einstieg in die Manaslu-Südwand bildet, mit fixen Seilen und Stücklei- tern versehen, um den Sherpas einen sicheren und leichten Lastentransport zu ermöglichen. - Die Spitzengruppe fand relativ rasch einen Weg durch das anschließende Eislabyrinth, jedoch infolge des anhaltenden Schlechtwet- ters verzögerte sich der weitere Vor- marsch. Am 15. April im „Schmetterlingstal" in einer Höhe von 5850 m errichtet werden. Der Lastentransport über den äußerst schwierigen Felspfeiler war in vollem Gange. Lager III, 6600 m, wur- de am 20. April eingerichtet. Zum Zwecke der Akklimatisation wur- den in der Umgebung drei Erstbestei- gungen durchgeführt. Hofer, Hochfil- zer und Knoll standen am „Führer- gipfel", 5850 m, Messner am „Hervis- Peak", 6900 m und Nairz auf der 6650 m hohen „Stubaier Spitze". Das Lager IV wurde in zwei Etappen in einer Höhe von 7400 m am 24. April errichtet. Der erste Gipfelangriff wurde bis ins kleinste Detail vorbereitet und für den 25. April festgesetzt. Alle Expedi- tionsteilnehmer waren zwischen Lager II (5850m) und Lager IV (7400m) verteilt. Eine längere Schönwettperio- dc hatte die Voraussetzung für den Gipfelangriff geschaffen und ließ einen planmäßigen Verlauf erhoffen. In den frühen Morgenstunden des 25. April starteten Reinhold Messner und Franz Jäger in Richtung Gipfel. Gleichzeitig stiegen Horst Fankhauser ndi Schlick, 1944 in Taxenbach geboren, war seit 10 Jahren in Going als Berg- und Skiführer tätig. Franz Jäger, 1943 in St. Johann geboren. Berg- und Skiführer. Beide Mitglieder der Alpenverenssektion „Wilder Kaiser" in St. Johann. und Andi Schlick zur Unterstützung der Gipfelmannschaft nach Lager IV auf. Hansjörg Hochfilzer und Hans Ho- fer (Neukirchen), die sich für den Auf- bau der Lagerkette besonders einge- setzt hatten, kehrten für eine Erho- lungspause ins Basislager zurück. - Nairz, Knoll und der Sherpa Sirdar Urkien rückten nach Lager III nach. Ueber das Hochplateau des Manaslu kam die Gipfelseilschaft auf Grund der guten Schneeverhältnisse und des für den Manaslu einmaligen Wetters überraschend schnell voran. Da am Be- ginn keine klettertechnischen Schwie- rigkeiten zu überwinden waren und spaltenfreies Gelände vorherrschte, gin- gen Messner und Jäger seilfrei. Gegen 10 Uhr entschloß sich Franz Jäger, al- lein ins Ausgangslager zurückzukehren. (Was mag in diesen Augenblicken in Jäger vorgegangen sein; kein Bergstei- ger der Welt verzichtet ohne Grund auf einen möglichen Gipfelsieg; wir werden dies nie erfahren! A. d. R.) Reinhold Messner setzte vereinbarungs- gemäß den Aufstieg allein fort. Er er- reichte über zwei Steilaufschwünge und zwei steile Firnhänge um 14 Uhr den höchsten Punkt. Er bezwang erstmals den Manaslu von Süden her, und das noch ohne Sauerstoffgerät. Der Abstieg Messners verlief anfangs reibungslos und rasch. Plötzlich ka- men Nebel und Schneesturm auf; der \1- eitere Abstieg wurde zum Wettlauf mit dem Tod. Der Schneesturm stei- gerte sich zum Orkan, Mund und Au- gen vereisten (es war unmöglich, mit Brillen zu gehen). Nach langem Su- chen und Irrwegen auf dem Gletscher- plateau erreichte er das Zelt des La- gers IV, mit schneeverklebtem Ge- sicht, mit zerfetztem Windanzug und völlig erschöpft und mußte mit Be- stürzung feststellen, daß Franz Jäger nicht da war. Horst Fankhauser stieg zum Plateau zurück und vermeinte Franz Jäger ru- fen zu hören. Fankhauser kehrte nach kurzer Zeit ins Zelt zurück und stieg mit Andi Schlick neuerdings auf. Bei- de versuchten, Jäger Hilfe zu bringen. Der Orkan steigerte sich von Minute zu Minute. Auf Grund der extremen Wetterbedingungen und der hereinge- brochenen Nacht war an eine weitere Suche nicht zu denken. Fankhauser und Schlick gruben sich ein Schnee- loch. Nach mehrmaligem Drängen Schlicks erklärte sich Fankhauser ebenfalls be- reit, die Schneehöhle zu verlassen, um das Zelt zu suchen. Das war aber hoff- nungslos und die beiden gruben sich erneut ein Schneeloch. Nach geraumer Zeit verließ Andi Schlick, der von Fankhauser in Massage genommen worden war, erneut die Schneehöhle mit dem Bemerken, nach dem Wetter sehen zu wollen. Andi Schlick kehrte nicht mehr zurück. Horst Fankhauser suchte lange nach ihm, fand jedoch kei- ne Spuren mehr. Inzwischen hatte
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