Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 12. August 1972 Kitzbüheler Anzeiger Seite 7 Wie lange werden die D00 ämme noch halten? Aus dem Jahresbericht 1971-72 des Bundesgymnasiums St. Johann i. T. Die Voraussage, die ich an dieser Steile im letzten Jahresbericht gemacht habe, daß nämlich in der Lage der Schule ein kritischer Punkt erreicht werden könnte, hat sich leider in die- sem ie sem Schuljahr als richtig erwiesen. Mit Mühe konnte bisher die lehrplan- mäßig vorgeschriebene Wochenstun- denzahl durch eine kaum mehr ver- tretbare Mehrdienstleistung der Leh- rer im wesentlichen noch eingehalten werden. Wie gefährlich jedoch schon jetzt die Situation ist, hat der krank- heitsbedingte Ausfall eines einzigen Lehrers (Prof. Franz Kahrer) seit Fe- ber 1972 bewiesen. Da die an unsere: Anstalt wirkenden Lehrer die obere Grenze ihrer Belastbarkeit längst er- reicht haben, blieb nur ein sehr be- denklicher Weg offen: die Stunden- anzahl in Mathematik und Physik mußte mit Genehmigung der Schul- behörde in einigen Klassen gekürzt werden, in der 7. und 8. Klasse wurde der so eminent wichtige Unterrichts- gegenstand Physik seit Feber über- haupt nicht mehr unterrichtet. Wohin soll diese Entwicklung führen? Die Schülerzahl wächst von Jahr zu Jahr, besonders seit der ersatzlosen Abschaf- fung der Aufnahmsprüfung, die Klas- sen sind zum Teil überfüllt, der im Schuljahr 1965-66 bezogene Neubau ist längst zu klein geworden, neue Leh- rer werden kaum eingestellt werden können. Das ist unsere Situation! Die alarmierende Fragestellung in der Ueberschrift scheint nur zu berechtigt und wird durch folgende Fakten und Prognosen noch unterstrichen: Die Schülerzahl wird sich von 1967-68 (310) bis zum Schuljahr 1974.75 (620) voraussichtlich verdoppelt haben. Bis jetzt konnte bei teilweiser Nicht- beachtung der gesetzlichen Teilungs- ziffer mit 15 Klassen das Auskommen gefunden werden. Aber schon im Schul- jahr 1972-73 wird sich dieser „Rück- stau" nicht mehr halten lassen. Der Unterricht wird in mindestens 17 Klas- sen geführt werden müssen. Bis zum Schuljahr 1974-75 wird die Klassen- anzahl auf 21 steigen. Im Schuljahr 1972-73 müssen daher Sonderräume umgewidmet werden. Besonders kri- tisch wird die Umwandlung eines Auf- enthaltsraumes für Fahrschüler wer- den, wenn man bedenkt, daß 85 Pro- zent der Schüler sogenannte Fahrschü 1er sind. Weitere Ausweichmöglichkei- ten stehen kaum noch zur Verfügung. Eine geordnete Unterrichtsführung nach dem Schuljahr 1972-73 ist daher Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Kitzbüheler Anzeiger Gesellschaft mbH, Kitzbühel, Vorderstadt 16; Verwaltung: Kitzbühel, Schwarzseestraße 2, Tel. 2576; verantwortlicher Schriftleiter: Martin Wörgötter, Kitz- bühel, Hinterstadt 17, Tel. 2236; Druck: Grobstimm & Heininger KG, Kitzbühel, Wehrgasse 8, Telefon 25 15. in Frage gestellt, wenn der geplante Zubau nicht zur Ausführung kommt. Wechselunterricht, wie an städtischen Schulen durchführbar, ist in St. Jo- hann völlig unmöglich. Das Einzugs- gebiet erstreckt sich derzeit von Lofer bis Westendorf und von Hochfilzen bis Schwendt bei Kössen. Bei der stun- denplanmäßigen Ansetzung von fünf bis sechs Unterrichtseinheiten am Nachmittag hat ein Großteil der Schü- ler keine Möglichkeit mehr, nach Haus zu kommen bzw. das Elternhaus zu einer vertretbaren Zeit zu erreichen. Es muß dabei bedacht werden, daß unsere Schüler z. T. von den Bus-Halte- stellen und Bahnhöfen noch weite Strecken zu Fuß zurücklegen müssen. Was das in einem normalen Winter bedeutet, braucht nicht näher erläu- tert zu werden. Eine noch bedenklichere Entwick- lung zeichnet sich durch den Lehrer- mangel ab. Falls hier keine Abhilfe möglich scheint, müßte im Schuljahr 1972-73 zu radikalen Stundenkürzun- gen Zuflucht genommen werden. Daß damit ein Absinken des Leistungs- niveaus unvermeidbar ist, dürfte allen Einsichtigen klar sein. Wer wird je- doch die Folgen verantworten? Er- schwert wird der Zuzug neuer Lehrer durch die Unmöglichkeit, entsprechen- den Wohnraum bereitstellen zu kön- nen. In einer öffentlichen Gemeinde- versammlung habe ich darauf hinge- wiesen, daß zwar die Marktgemeinde St. Johann ungewöhnliche Großzügig- keit bewiesen hat, als es galt, die Vor- aussetzungen zur Errichtung des neuen Schulgebäudes zu schaffen, daß damit jedoch die Verpflichtung, etwas zur Erhaltung der Schule zu tun, nicht er- schöpft sein könne. Es wird unum- gänglich notwendig sein, daß Lehrer- wohnungen zur Verfügung gestellt wer- den. Es ist freilich in erster Linie Pflicht des Bundes, seinerseits zur Ent- spannung beizutragen. Bei der Errich- tung sogenannter BUWOG-Bauten wird St. Johann nicht mehr länger überse- hen werden können. Erst dann, und nur dann, bestehen berechtigte Aus- sichten, den Lehrermangel wenigstens teilweise zu beheben. Ein weiteres Problem ist in diesem Jahr aktuell geworden: die Führung einer zweiten Schulform in der Ober- stufe. Bisher konnte daran nicht ge- dacht werden, weil die Schülerzahl die Führung von Parallelklassen in der Oberstufe nicht zuließ. Wie oben geschildert, werden schon ab dem nächsten Schuljahr die notwendigen Voraussetzungen gegeben sein. Das neusprachliche Gymnasium kann nicht allen Begabungen gerecht werden. - Sprachlich weniger begabte Schüler sind benachteiligt. Dieser Umstand steht der von allen Seiten geforderten Chancen-Gerechtigkeit entgegen. In zahlreichen Beratungen und Diskussio- nen im Rahmen des Lehrkörpers und mit den Eltern, die in einer Abstim- mung gipfelten, wurde der Wunsch nach Einführung des naturwissen- schaftlichen Realgymnasiums neben dem neusprachlichen Gymnasium prä zisiert. Der Landesschulrat für Tirol hat aus stichhaltigen Gründen für die Einführung des realistischen Gymna- siums entschieden, eine Oberstufen- form, die in der Stundentafel und in den Bildungszielen in enger Nachbar- schaft zum naturwissenschaftlichen Realgymnasium mit darstellender Geo- metrie steht. In den letzten Tagen hat sich aller- dings eine völlig andere Entwicklung angebahnt: die Einführung eines Ober- stufenschulversuches, eines Modells ei- ner reformierten Oberstufe, das auf der Langform des Gymnasiums beruht. Die spärlichen Grundlagen, die uns zur Verfügung gestellt wurden, sind zwar schon mit den Lehrern und Eltern beraten worden, können jedoch trotz oder gerade wegen ihrer Lückenhaftig- keit an dieser Steile nicht näher aus- geführt werden. Eine Entscheidung in dieser Richtung ist jedoch noch nicht gefallen. Wir wissen also derzeit nicht einmal, wie es mit den fünften Klassen im Schuljahr 1972-73 weitergehen soll. Für die Planung und spezielle Vorbe- reitung keine angenehme Ausgangslage, Rückblickend darf gesagt werden, daß das Schuljahr 1971-72 trotz aller Schwierigkeiten bewältigt wurde und wirkliche Dammbrüche gerade noch verhindert werden konnten. Ich danke an dieser Stelle den Schulbehörden für ihr Verständnis und ihre Bereit- schaft, dort zu helfen, wo Hilfe mög- lich war; den Lehrern für ihre Geduld, Zähigkeit und Einsatzbereitschaft, die eine Weiterarbeit überhaupt erst er- möglicht haben; den Eltern für die partnerschaftliche Zusammenarbeit und nicht zuletzt den Schülern, die durch ihre hervorragende Disziplin und ihren guten Geist ihren Teil zur Be- wältigung aller Schwierigkeiten bei- getragen haben. Ausnahmen können diesen Eindruck nicht verwischen. Ich danke auch dem nichtwissenschaftli- chen Personal unserer Schule für ihre vorbildliche Arbeit und Leistung, ei- nem Team, das still und unauffällig den reibungslosen Ablauf des täglichen Schulgeschehens ermöglichen half. Ihnen allen wünsche ich erlebnis- reiche und erholsame Ferien. Wir wer den in nächster. Zukunft viel Kraft, Zielstrebigkeit, ja sogar Selbstverleug- nung aufbringen müssen, um die ge- fährdeten Dämme halten zu können. Walter Weihs, Dir. Sprechstunden der Direktion wäh- rend der Ferien: Jeden Freitag von 9 bis 10 Uhr. Ab 4. September: täglich von 9 bis 10 Uhr.
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