Kitzbüheler Anzeiger

Archiv Viewer

Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 2. September 1972 sichtigt der nicht organisierte Sportler lediglich zu ihm passenden Zeiten, oh- ne irgendwelche Verpflichtungen an- deren gegenüber sportliche Betätigung zu konsumieren. Eine ursächlich mit der derzeitigen Konsumgesellschaft zu- sammenhängende Entwicklung, die sich jedoch weder im Winter noch im Sommer auf alle Sportarten anwenden läßt. Beim Skifahren und Eislaufen läßt sich diese Art der Sportausübung leicht realisieren, weil man hier gegen Entrichtung einer Eintritts- oder Be- förderungsgebühr als Einzelperson Pi- sten oder Anlagen benützen kann, oh- ne diese Anlagen zur gewählten Zeit ausschließlich für sich zu beanspru- chen. Im Sommer liegen ähnliche Mög- lichkeiten bei der Leichtathletik und im Tennis, allerdings sind hier die Sportler bereits zeitlich gebunden. Noch krasser treten die Unterschie- de in Mannschaftsbewerben, insbeson- dere bei Betriebs- oder sonstigen Tur.- nieren zu Tage. Ein Betriebsskirennen läßt sich beispielsweise relativ leicht durchführen, weil die nötigen Anlagen lediglich einen Tag lang von den Sport- lern ausschließlich für diesen Zweck benötigt werden. Das gleiche trifft für das Eisschießen zu. Hingegen wäre es ohne Rücksicht auf die Zeiten des Pu- blikumslaufes und die des Vereinstrai- nings nicht möglich, etwa ein Eishok- key-Betriebsturnier durchzuführen. Ge- nau so unmöglich ist es im Sommer, ohne Rücksicht auf Vereinsinteressen, allfällige Trainings- oder Publikums- spielzeiten, ein Tennis- oder Fußball- turnier abzuführen und für dieses die nötigen Anlagen jeden zweiten oder gar jeden Tag abends zu beanspruchen. Der Turnverein Kitzbühel ist keines- wegs ein Gegner des Realfina-Wander- pokal_Fußballturniers, dies beweist schon die Teilnahme der Mannschaft Kitzsport-Turnverein, die sich aus Mit- gliedern des Turnvereins zusammen- setzt, doch müssen fairerweise alle Umstände aufgezeigt werden, die mit derartigen Veranstaltungen zusammen- hängen. Wie schon eingangs erwähnt, ist die Langausportanlage ein Mehr- -zweckplatz und kann daher in den Sommermonaten nicht ausschließlich dem Fußballspiel dienen. Hiezu kommt, daß das Spielfeld als Rasenplatz aus- gebildet wurde, der keine so hohen Belastungen verträgt wie ein Hart- platz. Ein derart umfangreiches Tur- nier mit 72 Spielen, wie es das Real- fina-Wanderpokal-Fußballturnier dar- stellt, wird sich unmöglich zur Gänze auf einem Sportplatz durchführen las- sen, der in der gleichen Zeit mehreren Vereinen für verschiedene Sportarten dient. Bei nötiger Einsicht aller Betei- ligten wird es jedoch zweifellos mög- lich sein, einzelne Spiele, was auch heuer schon geschah, und die End- spielrunde um den 1.-4. Platz auf der Sportanlage Langau durchzuführen. Letzten Winter kam eine Anfrage an die Stadtmusik Kitzbühel, ob die Mög- lichkeit zu einer Reise nach Holland anläßlich des „Steinfestes" in Amers- foort bestünde. Dieses würde heuer ganz groß gefeiert und es sol- ten erstmals in der Geschichte des Fe- stes ausländische Gruppen herangezo- gen werden. In Amersfoort trat der Festausschuß zusammen. Natürlich wur- de die Frage aktuell, welches Land und welche G-uppen. Mit überwiegender Mehrheit wurde Oesterreich vorgeschla- gen. Als es zur Frage kam, welche Mu- sikkapelle, stand Frau Ilse Hercken- rath auf und sagte: „Das kann nur die Stadtmusik Kitzbühel sein"! Ihrer spon- tanen Idee verdankt unsere Stadtmusik die herrliche Reise in die Niederlande. Am 17. August um 20 Uhr war Start zur großen Reise. Sepp Häufler führte mit dem großen Bus des Tiroler Lan- desreisebüros die Stadtmusik nach Kuf- stein. Hier wurde umgestiegen. Die Ei- senbahn brachte uns sicher und sehr be- quem, die Nacht wurde in Liegeabteilen ungestört verschlafen, nach Utrecht in Holland. In Rosenheim stiegen noch fünf österreichische Boxer zu. Alles net- te und freundliche Burschen aus Salz- burg. Am Bahnhof in Utrecht wurden die Stadtmusik und Boxer von zwei hübschen, schick gekleideten Hostessen und einem Herrn des Festkomitees emp- fangen. Es folgte noch eine kurze Fahrt im Zug nach Amersfoort. Nach der herzlichen Begrüßung in Amersfoort ge- gen 10.30 Uhr, begannen dreieinhalb Tage für die Stadtmusik, wie sie nur vor vielen Jahren einmal anläßlich einer Konzertreise in die Schweiz verlebt wur- den. Herr Dr. Müller nahm nach einem exzellenten Mittagessen in der Markt- halle die Stadtmusik unter seine Fittiche und machte eine Stadtführung durch Amersfoort. In dieser Stadt wird viel von Steinen gesprochen. Nicht nur, daß die Stadt selbst steinalt ist, die Amers- foorter können mit einer Episode in ihrer Geschichte aufwarten, sicherlich einmalig in ihrer Art. Kurz erzählt: Vor 200 Jahren fand sich vor der Stadt ein Stein- klotz der nicht weniger als 9500 kg wiegt. Nun muß man sich vor Augen halten, daß es in Holland nichts weniger gibt, als Fels. Die Amersfoor- 1er hätten den Stein gerne gehabt und es erklärte sich ein Junker bereit, den Brocken in die Stadt zu ziehen. Es kam zu einer Wette. Der Junker und 400 Helfer zogen den Stein mittels eines Schlittens, ähnlich wie ihn unsere Bau- ern für das Heuen am steilen Gelände verwendeten, in die Stadt. Er gewann damit nach heutigem Geld mehrere 100.000 Gulden. Seither heißen die Amersfoorter in Holland „Die Stein- schlepper. Herr Dr. Müller zeigte in sei- ier Führung eine Menge sehenswerter Gebäude. Die Stadt Amersfoort ist un- gemein hübsch und vor allem sehr ro- mantisch. 80.000 Menschen wohnen in ihr. Im Turm der heute nicht mehr be- stehenden Liebfrauenkirche gibt es ein Glockenspiel, das jede Viertelstunde eine kleine Melodie spielt. Selbstverständ- lich ist dieses Glockenspiel auch manu- ell spielbar. In Amersfoort und in Bel- gien sind die beiden einzigen Glocken- spielschulen der Welt stationiert. Das Glockenspiel ist etwa vor 250 Jahren errichtet worden und hat ungefähr das- selbe Alter wie das Glockenspiel in Salzburg, das ja auch aus Holland .stammt. Die Liebfrauenkirche, zu der dieser Turm gehörte, wurde im 16 Jhdt. als Munitions- und Pulverlager verwen- det. Durch eine Unachtsamkeit kam es zu einer Explosion, die Kirche flog in die Luft und wurde nicht mehr aufgebaut. Lediglich der Turm, das Wahrzeichen Amersfoorts überstand die Katastrophe unbeschädigt. Alle alten Gebäude sind in Ziegelbau gefertigt. Hübsch und vor allem typisch holländisch und blitzsauber. In jedem Geschäft, in jedem Gasthaus, überall wohin man sah, Plakate, Arran- gements, Werbung für Oesterreich. In der Bevölkerung eine Aufnahme von rührender Herzlichkeit. Der Spaziergang durch Amersfoort und entlang der Grachten der alten Stadt wurde zum Er- lebnis und versetzte den Beschauer zu- rück ins Mittelalter. Aufs Appetitlichste haben die Käsehändler, die Metzger, die Lebensmittelhändler und die Obst- und Gemüseverkäufer ihre Waren aus- gestellt. Es gibt herrlich duftende Ta- bakläden, in denen man die wunderbar zu rauchenden Tonpfeifen kaufen kann, Stände mit den berühmten „Kloopers", den holländischen Holzschuhen. Wen wundert es, daß gleich am ersten Nach- mittag ausgiebige Einkäufe getätigt wur- den? Der Rundgang durch Amersfoorts Altstadt endete mit einer Einladung in eine der ältesten Gaststätten. Ein sehr hübsches und vor allem originelles Lo- kal. Nach dem Abendessen war der Emp- fang des österr. Steines, den die Rau rister im Salzburger Land stifteten. Die- ser Koloß wiegt acht Tonnen und wur- de im LKW nach Holland gebracht. Nach einem kurzen Konzert begann der Auf- marsch der Musikvereine von Amers- foort. Es gibt deren nicht weniger als sieben. Unter großem Beifall der Men- schen wurde der Stein auf den Platz genannt „am Hof" von den Chauffeuren hereingeführt, Reizend nahm sich die Fackel- und Lampionsbeleuchtung aus. Nach dieser Feier: Rückmarsch in die Markthalle und Vorstellung bei den Quartiergebern. Die Stadtmusik sowie alle teilnehmenden Vereine waren pri- vat untergebracht. An dieser Stelle sei Fortsetzung auf Seite 9 Die Stadtmusik auf großer Fahrt Reise in die Steinstadt Amersfoort in Holland
< Page 3 | Page 5 >
 
Kontakt
Tel.: +43 (0) 5356 6976
Fax: +43 (0) 5356 6976 22
E-Mail: info@kitzanzeiger.at
Virtuelle Tour
Rundblick - Virtual Reality
Werbung
 
Zurück Aktuelle Gemeinde Archiv Suchen