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Samstag, 23. September 1972 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 Karl Koller Kitzbühel — Quo vcidis? Der Winter in Kitz Der erste September-„Schneezucker" au! den Bergen rings um Kitzbühel ruft Erinnerungen an den letzten Wiri ter in mir wach. Es sind wehmütige Gedanken, welche in diesem Zusam- menhang auftauchen, denn selten ein- mal zuvor ließ uns der Schnee so im Stich. Es war schlimm. Eigentlich soll te man diese Saison einfach vergessen, aus dem Gedächtnis streichen. Doch leider gelingt mir dies nicht. Ich gehö- re nämlich zur Gattung der Grüblei und frage mich deshalb, ob die Saison, trotz der schlechten Schneelage hätte besser ausfallen können. Ich denke da- bei an die müden Skiläufer am Horn. die nach Tagesablauf noch stunden- lang auf die Talfahrt warten mußten und an die schneesicheren Hänge der Trattalmen und des Lämmerbühels, die entweder nicht erreichbar waren oder noch nicht erschlossen sind. Sie präsentieren sich den Skiläufern mit einer geschlossenen Schneedecke bis Ende März! Die Entwicklung neuer Skigebiete schreitet vorwärts! Es hat sich weltweit herumgespro- chen, daß aus dem Wintersport K.api tal zu schlagen ist. So wurde in Ame- rika u. a. festgestellt, daß der Skisport, nach der Datenverarbeitung, die höch- ste Wachstumsrate aufweist. Die Fol- ge davon ist, daß im In- und Ausland immer neue Skigebiete erschlossen werden. Wintersportorte werden gera. dezu aus dem Boden gestampft. Hoch gelegene Gebiete, möglichst mit an- schließender Gletscher-Region werden bevorzugt. Man plant mit „Schnee- garantie"! Im Mai dieses Jahres hatte ich b& der Tagung des internat. Skiverbande Gelegenheit, einen europäischen Ski- ort aus der „Retorte" zu besichtiger.. Sein Name ist Isola 2000. Von Nizza in zwei Autostunden erreichbar, prä- sentierte er sich als riesige Baustelle. Zur Begrüßung schwenkten Kräne ih- re lastenschweren Häupter. Das Drei. sternhotel, in dem wir wohnen sollten, war außen noch im Rohbau. Wir staun- ten aber nicht wenig, als sich die Türe hinter uns schloß. Innen war nämlich alles fertig, im Hofe blühte sogar ein Wintergarten. Französische Improvisa- tion mit Geschmack. Nach der ersten Mahlzeit waren wir restlos zufrieden. Selbst kleine Bau- oder Einrichtungs- fehler, wenn es solche gegeben hätte, wären nicht ins Gewicht gefallen, denn das Essen hätte alles wettgemacht. Es war einfach - superb! - Wo vor einem Jahr noch wilde Berg- einsamkeit herrschte, stehen jetzt Ho- tels und Unterkünfte für 2000 Perso- nen, dazu eine Seilbahn und vier Lif- te. Auch eine 6 km lange Straße muß te zur Erschließung dieses Gebietes erst gebaut werden. Natürlich interes- sierte es mich auch, wie dieses große Projekt finanziert wurde. Es war nahe- liegend, daß ich dabei an die Grand Nation, an Frankreich dachte. Aber, neugierig, wie ich nun einmal bin, ging ich der Sache auf den Grund. Ich muß- te unbedingt den Manager dieses Ort- tes sprechen und bekam auch die Ge legenheit dazu. Und nun staunte ich erneut. Er war nämlich weder ein Fran- zose, noch ein Amerikaner oder Deut- scher, sondern ein Engländer! Das hät- te ich wirklich nicht vermutet. Mein Interesse an der Sache wurde dadurch noch verstärkt und mit Spannung er- wartete ich seine Erklärungen. Für ihn, so schien mir, gab es keine Probleme. Er sprach von Millionen, als ob es sich um „Tausender" handle. „Zuerst", meinte er, „mußte ich mich um das nötige Kapital umsehen und fand in England Interessenten für ein solches Projekt. Als die finanzielle Ba- sis geschaffen war, flog ich die Alpen ab, um ein geeignetes Gebiet ausfindig zu machen. Meine Wahl fiel auf diesen Raum. Bis jetzt wurden etwa 400 Mill. Schilling investiert, aber das ist der Anfang. Zuerst mußten wir die Hänge für die Anfänger und schwächeren Ski- läufer erschließen, dann kommt das Gebiet für gute Läufer dran. Das er fordert weitere Bahnen und Lifte. Auch der Ort soll vergrößert werden,, so daß wir in zwei Jahren 6000 Betten haben werden." Ich wagte einzuwenden, daß wir auf dem Wege hierher durch Lawinen fuh- ren. Ich hatte so etwas noch nicht er- lebt, denn die Schneewände am Stra- ßenrand waren 6-10 m hoch! Aber auch dieser Einwand brachte ihn nicht aus der Fassung. „Auch dieses Problem", sagte er „ist finanziell be- reits gelöst. Die Verbauung kostet ca. 50 Mill. Schilling und die Kosten wur- den auf das Land, den Distrikt, der Gemeinde und unsere Gesellschaft aufgeteilt. Schnee gibt es hier wahr haftig genug. Im Durchschnitt sind e-- 4-5 m, im letzten Winter waren es 12 m!" Eine Parallele, wenn auch kleiner in der Dimension, ist die Entwicklung von Sportgastein. Nun, ich habe keineswegs die Absicht, für diese Orte zu werben. Sicher haben sie durch ihre Hochlage auch gewisse Nachteile aufzuweisen. Es liegt mir eben nur sehr daran, auf- zuzeigen, wie stürmisch die Entwick- lung für den Skisport weitergeht und möchte in diesem Zusammenhang auf die ‚lokalen, die Kitzbüheler Schwierig- keiten, hinweisen. Ich habe bereits eingangs erwähnt, daß schöne, schneesichere Gebiete in unmittelbarer Nähe Kitzbühels noch nicht erschlossen sind. Mit dem Kaut und der dadurch möglichen Eingliede- rung der Bichialm-Sesselbahn in das Abonnement ist der Bergbahn AG ein großer Wurf gelungen. Man könnte an- nehmen, daß damit auch das langer- sehnte und erhoffte Projekt, Zusam- menschluß Horn-Bichlaim, verwirk- licht werden könnte. Aber dem ist lei- der nicht so. Das Projekt ist zwar ge plant und seit Jahren werden die Ver handlungen mit den Grundeigentümern geführt, zu einem positiven Ergebnis kam es aber nicht. Das gleiche Bild mit demselben negativen Ergebnis kommt von der Hahnenkammseite, wo ein Doppelsessellift aus dem Graben zum Steinbergkogel geführt werden soll. Auch er ist geplant, aber es ge- schieht nichts, weil nichts geschehen darf! Unsere Gäste werden also weiter an der Hornbahn Schlange stehen und an schneearmen Wintern können wir sie damit trösten, indem wir auf die schneesicheren Hänge verweisen, die nur auf die Erschließung warten. Und auch die frierenden Gäste im Ehren- bachgraben werden wir vertrösten müs- sen, vorausgesetzt, daß noch welche da sind. Ich habe immer den Standpunkt vertreten, daß die Grundeigentümer. wenn sie durch ein Projekt betroffen werden, entsprechend entschädigt wer- den müssen. Man braucht sich ja nur selbst in die Lage des Betroffenen zu versetzen. Dennoch dürfen die Forde- rungen nicht über ein erfüllbares Maß hinausgehen. Denn der Stillstand in der Entwicklung trifft uns alle! Der Kitzbüheler Skizirkus ist eine große Sache! Wenn es aber so weiter- geht, müssen wir seinen Namen än. dem. Er muß dann Skizirkus um Kitz- bühel heißen. Es ist mir völlig klar, daß die Bergbahn AG den Weg des leichteren Widerstandes geht, das heißt, daß sie dort Lifte baut, wo dies möglich ist. Ich habe auch nichts dage- gen, daß das wunderschöne Skigebiet auf der Resterhöhe in Richtung Trat- tenbach weiter erschlossen wird und man soll mir nicht vorwerfen, daß ich „kleinräumig" denke. Ich muß dafür eintreten, daß in erster Linie das Kitz- bühel naheliegende Gebiet erschlossen wird, weil davon die direkte skisport- liche Betreuung unserer Gäste abhängt. Es fehlt auch nicht an Stimmen und Ratgebern, die meinen, daß man der Seefelder Wintersportstruktur nach- eifern müsse. Die Gästefrequenz und Qualität des Publikums sprächen da für. Vor solchen Experimenten möchte ich ernstlich warnen. Denn jeder Ort soll sich entsprechend seiner Lage ent- wickeln. So mußte Seefeld in Erman- gelung eines großen Skigebietes einen entsprechenden Weg beschreiten. Es ist ein Ort an der deutschen Grenze und in der Nähe liegt die Landeshaupt-
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