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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 7. Oktober 1972 Es ist unbestritten, daß unser Zeit- alter das der Technik, der Automation und der Atomspaltung ist. Auch aus dem ehrsamen Handwerk „Gutenberg" ist eine gewaltige Industrie geworden, deren Erzeugnisse auf roboterhaften Maschinen-Ungetümen entstehen. - Dennoch sind die an diesen Pressen Arbeitenden bis heute nicht den Schuß Buchdruckerblut losgeworden, der seit Gutenbergs Zeiten in ihren Adern rollt - und so wagen sich auch heuer wieder einige Jünger der „Schwarzen Kunst" an die Oeffentlichkeit, um ihre Jüngertaufe zu empfangen. Wenn wir einen kleinen Rückblick in der Geschichte machen, so finden wir, daß das Drucken einstmals ein sehr begehrtes und hochangesehenes Gewerbe war. Es war sehr schwer, als „Possilierer" - das ist ein „Lehrknabe bey denen Buchdrukkern" - Aufnah- me zu finden. Dies war eine hohe Ehre und die Bedingungen waren ent- sprechend hochgeschraubt. Darin liegt vielleicht der letzte Grund des um- ständlichen und feierlichen Frei- spruchs. Hatte ein „Lehrknabe" ausgelernt, so wurde er unter großen Zeremonien zum Gesellen gemacht. In der Zeit zwischen „Lossprechen" und dem „Po- stulieren" durchlief der Junggeselle aber noch eine Zeit als „Kornut", was soviel wie „Hörnerträger" heißt. Während dieser Zeit sollte es den Junggesellen klar werden, daß sie noch unvollkommen seien, sie selbst wie ihr Wissen. Sie mußten sich „Hörner ab- stoßen". Deshalb mußten sie erst eine vollkommene Generalreinigung von all ihren Fehlern, Untugenden und Schlak- ken befreit, als würdig erachtet wer- den können, um in den-Kreis fertiger Menschen aufgenommen zu werden. Diese Zeit vom „Lossprechen", vergli- chen mit dem heutigen Freisprechen, bis zum „Postulieren" sollte sie auch in die Lage versetzen, die damals recht erhebliche finanzielle Ausrüstung für den feierlichen Akt zusammenzu- sparen. Die Gautschfeier der heutigen Zeit ist nur ein schwacher Abglanz dessen, was sich in jener Zeit abspielte. Was heute geschieht, hat lediglich den Sinn, die Erinnerung an vergangenes Brauch- tum wachzuhalten und dem Buchdruk- ker des Maschinenzeitalters die Beson- derheit seines neben der Technik auch geistig orientierten Berufes ins Be- wußtsein zu rufen. Die „Wassertaufe ad corpus posteriorum" ist weder in zeitmäßigen noch tariflichen Verord- nungen festgelegt. Sie gipfelt nur mehr in der Erlangung des „Gautschbriefes", dessen Besitz jeden echten Buchdruk- ker mit Stolz erfüllt. Der Brief muß gesiegelt sein, sonst hat der Brief kei- ne Gültigkeit. Außerdem muß er vom Gautschmeister, dem Schwammhalter und den beiden „Pakkern" nebst eini- gen Zeugen unterschrieben sein, die aber vorerst durch Vorlage ihres eige- nen gültigen Gautschbriefes ihre Be- rechtigung zum Vollzug dieser Hand- lung nachweisen müssen. Unter einem althergebrachten Spruch wird der,, Kornute" ins Wasser gesenkt, dann wird der „vor Nässe triefende Schwamm" über seinem, Haupt ausge- drückt. Wenn der Täufling dem Bade entstiegen ist, legt ihm der Gautsch- meister den Degen auf das Haupt und Eine kürzlich in Würzburg abgehaltene Landwirtschaftstagung mit Teilnehmern aus der Schweiz, Deutschland, Südtirol und Oesterreich befaßte sich vor allem mit dem Thema „Erhaltung und Gestal- tung der Kulturlandschaft'. Dementspre- chend wurden Fragen der Raumplanung, des Umweltschutzes und der Landschafts- pflege vom Standpunkt der Wissen- schaft und Praxis aus eingehend behan- delt. Die Vorträge und Diskussionen gip- felten in der einhelligen Feststellung, daß die Erhaltung von Erholungsgebieten für immer breitere Bevölkerungskreise ge- radezu lebensnotwendig wird, deshalb aber die Landwirtschaft solcher Gebiete im allgemeinen Interesse in ihrem Be- stande gesichert werden muß. Denn der Bauer - dies kam auch bei dieser Ta- gung wieder eindeutig zum Ausdruck - ist nach wie vor der beste Erhalter der Kulturlandschaft. Wie es allerdings aus- sieht, wenn die Landwirtschaft eines Er- holungsraumes keine Existenzgrundlage mehr findet und infolgedessen auch für die Erhaltung des Gebietes ausfällt, zeigt sich am Beispiel „Spessart" in drasti- scher Weise. Dieser Naherholungsraum für die um- liegenden Industriezentren ist bereits ernstlich gefährdet. Ehemals gepflegte, grüne Wiesertäler werden von den ein- kommenmäßig zu sehr benachteiligten Bauern nicht mehr gemäht. Sie fanden ein weit besseres Einkommen und kür- zere Arbeitszeit in anderen Berufen. Es gibt Gemeinden ohne Kuh, die Fluren verwildern, verstauden oder sind aufge- forstet. Fast zu spät hat man erkannt, daß ein geschlossenes Waldgebiet von über 100.000 Hektar, also in der Größe des Bezirkes Kitzbühel, für Erholungs- suchende nicht mehr sehr einlandend wäre. Bund, Land und Gemeinden be- mühen sich nun, durch verschiedene Maßnahmen wie Gemeinschaftsweide, Einsatz von Mulchmaschinen und sogar chemischen Mitteln, der fortschreitenden Verwilderung entgegenzuwirken. Der Er- spricht dazu einen Spruch, der dem Jünger Gutenberg ein Wegweiser auf seinem weiteren Lebensweg sein soll. Daß sich der Jünger-Taufe eine fest- liche Tafel anschließt, um die Kollegia- lität und Geselligkeit zu pflegen, dürf- te jeder erwarten. Mit dieser Feier ist dann der Jung-Geselle endgültig in den Jüngerkreis aufgenommen und die Würde des „Hohen Gautschgerichts" das sind Gautschmeister, Schwamm- halter und die Pakker, erloschen. Am Freitag, 6. Oktober findet um 16 Uhr am Stadtbrunnen in Kitzbühel eine solche Gautschfeier statt, bei der die nun freiwerdenden Jünger der „Schwarzen Kunst" der Firma „Ritzer. druck", Inhaber Hermann Gogel, Kitz- bühel, ihre „Jüngertaufe" empfangen. folg dieser Versuche ist noch abzuwar- ten. Man verspricht sich auf Dauer nicht allzuviel. Vor allem weiß man, daß eine gesäuberte Flur noch lange nicht gleich- zusetzen ist mit einer gepflegten Kultur- landschaft. Außerdem liegen die Kosten für die Freihaltung der Flächen durch angestellte Kulturpfleger sehr hoch, ob- wohl es sich um durchwegs relativ gün- stiges, mit Maschinen bearbeitbares Ge- lände handelt. Sollte uns dieses Beispiel für die ne- gative Auswirkung der sogenannten „So- zialbranche" in einem Erholungsgebiet nicht auch unter unseren Verhältnisen zu Ueberlegungen veranlassen? Die Tat- sache, daß der Fremdenverkehr hierzu- lande noch wesentlich mehr Bedeutung hat und weithin die Existenzsicherung bringt, ist dazu wohl Grund genug. Bisher hat es die Allgemeinheit fast als selbstverständlich empfunden, daß die Bergbauern ihre Höfe, die Wiesen und Almen mit allen baulichen Anlagen, Zäu- nen, Wegen und Wassergerinnen in Ord- nung halten. Ob der Lohn für diese mü- hevolle Arbeit gerecht und einigermaßen vergleichbar mit anderen Berufseinkom- men ist, dafür fehlt häufig das Verständ- nis. Auch darüber, daß der auf Milch- wirtschaft und Viehzucht angewiesene Bergbauer jahraus jahrein, ohne Feiertag und Urlaub, seine Arbeit leistet, macht man sich wenig Gedanken. Wenn aber Bergbauern durch Förderungsaktionen, wie sie seit vielen Jahren in den Berg- gebieten laufen, eine kleine Hilfe bei notwendigen, teilweise sogar der Allge- meinheit zugutekommenden Investitionen erhalten, so werden sie nicht selten als Subventionsempfänger im abwertenden Sinne hingestellt. Es erregt nur Staunen und Mißfallen, wenn unter diesen Umständen auch bei uns schon dort und da Flächen nicht mehr in der bisher gewohnten Form be- wirtschaftet werden und das Landschafts- bild störende Flecken erhält. Vorläufig ist diese Entwicklung noch nicht besorg- Die Jüngertaufe in der Schwarzen Kunst Kitzbühel erlebt Gautschung von Bu chdruckern Landwirtschaft - Erholungslandschaft! Gedanken zu einer Besichtigungsfahrt in den Spessart - von Ing. J. Wörgötter
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